!doctype
Categories: Story

Der Weg zur angesagtesten Mailänder Beat-Manufaktur – Die Crookers-Story

Vom ersten Set im Stripclub bis zum international gebuchten Star: Die Geschichte der Crookers fesselt durch Anekdoten über familiäre Zweifel und mörderische Verfolgungsjadgen in Amsterdam…

Italiens Elektro-/MashUp-Produzenten Nr.1: Bot und Phra

Vermutlich klingeln DJ Bots und Phras Telefone derzeit nach dem Einschalten sofort unaufhörlich los, so stark ist die Nachfrage nach ihrem Remix- und Produktionstalent. Während sie bei “Day’N’Nite” noch aus Eigenantrieb den schon gängigen Hip Hop-Song Kid Cudis den nötigen elektronischen Clubunterbau verpassten, ihn einfach mal online stellten und daraufhin der internationale Hype seinen Lauf nahm, stehen nun nach eigenen Angaben unzählige Anwärter Schlange, die auch aus Sch….lechtem Gold gemacht wissen wollen. Zum Glück können es sich die beiden Italiener mittlerweile aussuchen, mit wem sie zusammen arbeiten.

Daher stellt ihr nun erschienenes Debüt “Tons Of Friends” auch eine Art eigene Hitparade dar, türmen sich hier doch Gaststars von denen Bot und Phra selbst schon des längeren Fans sind. Die Liste reicht dabei von Jugendhelden à la Mixhell, über R’n’B-Lady Kelis bis zu jamaikanischen Dancehall-Stars wie Leftside und Supahype, die in Kollaboration mit dem “anderen Starproduzenten-Team” Major Lazer ihren Weg auf beider Alben fanden. Von Homogenität oder gar einem Konzeptalbum kann folglich keine Rede sein. Dafür offenbart das Duo Bot und Phra den Status quo seiner musikalischen Bandbreite, die von Dancehall über Dubstep bis zu Eurodance reicht. Dass es bis dahin ein weiter Weg war, liegt natürlich auf der Hand:

Bot: Mein erster richtiger Gig? (beide lachen) Ich spielte in einem Stripclub. Der war eben gerade angesagt, aber ich war wirklich froh. Ich konnte Deep House spielen, weil der Besitzer des Clubs den auch sehr mochte. Doch nach einem Jahr sagten wir, dass es keinen Sinn macht, weil die Stripperinnen dazu nicht tanzen konnten. Aber ich war wie gesagt echt froh in einem Club zu spielen…
Phra: …mit Stripperinnen…
Bot: …mit LEUTEN und Stripperinnen!
Phra: Also mein erster DJ-Auftritt war ein Snowboarder Contest. Ich hab die Aftershow gemacht. Das war voll verrückt – aber das erste mal, dass ich Geld bekam als DJ. Damals kamen auch meine Freundin und Freunde und halfen mir mit der Technik, dem Mixer und so. Dann spielte ich, wurde bezahlt und dachte nur: „Ja, das ist DER Job!

Während sie also noch vor rund zehn Jahren neben Vinylcases ganze DJ-Sets an die ungewöhnlichsten Orte schleppten, reisen sie nun mit Laptop und CD-Taschen um den Globus – und das ganz bewusst:

Phra: Allein schon in Italien wird den DJs nicht getraut. Wenn du also zum Flughafen mit Vinyl-Platten gehst, ist es, als wärst du ein Terrorist. Sie kontrollieren dich eine Stunde lang…
Bot: …nehmen jede einzelne Platte aus der Hülle.
Doch auch Aktualität und nicht zuletzt das leichtere Gepäck sind Grund für den Wechsel der einstigen Vinylisten, deren erklärtes Ziel das gekonnte Stilgemisch ist.
Phra: In unserer Musik fusionieren alle Genre, die wir am meisten mögen. Das erste Mal haben wir einfach versucht Hip Hop und House zusammen zu schmeißen. Und dann mochte ich auch schon immer so “Groovy-Zeugs”. Minimal, was in Italien nach wie vor sehr groß ist, finde ich gar nicht groovy.

“Tons Of Friends” ist auch alles andere als minimalistisch geworden, insgesamt aber dennoch eher elektronisch denn organisch. Die Arbeit mit “richtigen Instrumenten” schließen die Mailänder dennoch nicht aus.

Phra: Wir würden sehr gern auch mal mit einer Band arbeiten. Sie nehmen Sachen auf, senden sie uns und wir schneiden und stellen sie zusammen. Es wäre auch cool mit einem Orchester zu arbeiten. Leider fehlt da noch etwas das Geld, um es für ein ganzes Orchester nur für uns auszugeben. Es wäre wirklich ein riesiges Projekt, so viele Live-Instrumente zusammenzustellen und zu dirigieren.

Dass CD-Player-Cue-Tasten und Laptop jemals Frack und Dirigentenstab weichen werden, erscheint jedoch momentan eher unwahrscheinlich. Andererseits hätten die beiden noch vor ein paar Jahren auch nicht mir der heutigen Entwicklung gerechnet.

Phra: Es ist schon vieles anders geworden. Ich bin zum Beispiel vor dem “Durchbruch” noch nie geflogen. Ich konnte auch kein Englisch. Selbst jetzt spreche ich noch nicht gut, aber vorher eben fast gar kein Wort. Dafür hatte ich mehr Zeit zum Schlafen (lacht). Dennoch bin ich glücklich darüber, wie es alles läuft. Nur das gemeinsame Leben mit der Freundin ist gerade nicht so drin.

Der Kontakt zu Partner und Familie wird somit ob der vielen Gigs derzeit mehrheitlich per Telefon gehalten. Dennoch kommt Unterstützung und Verständnis aus allen Richtungen.

Phra: Sie (Familie und Freunde; Anm. d. Red.) sehen mich auflegen, seit ich zwölf bin. Sie wissen, dass ich es liebe und es immer mein großer Traum war. Natürlich musste ich auch dafür kämpfen. Mein Vater ist Zahnarzt und meine Mutter Lehrerin. Da hieß es immer: “Versuche nicht DJ zu werden! Mach etwas Richtiges!“ Jetzt unterstützen sie mich natürlich und sind stolz.

Auch Bot weiß Ähnliches zu berichten und aufgrund seiner jetzigen Wahlheimat London sind mangelnder physischer Kontakt zu den Lieben sowie chronischer Zeit- und Schlafmangel noch ausgeprägter. Dennoch leben die Crookers ihren Traum, bespielen die Clubs der Welt oder produzieren Remixe und neue Songs am Fließband. Und in Rekordzeit:

Phra: Beispielsweise bei der Zusammenarbeit mit Major Lazor schickte uns Diplo einfach die Acapellas (von Leftside und Supahype; Anm. d. Red.) ins Soulbox Studio in Genf, wo wir gerade produzierten.
Bot: Er meinte, dass die Spuren noch übrig wären und sie sie nicht zwingend bräuchten – wir also damit machen könnten, was wir wollten.
Phra: Zur selben Zeit hatten wir gerade einen frischen Beat daliegen, der gut passte…
Bot: …und 30 Minuten später schickten wir den flüchtigen Versuch zurück, immer noch die Kopfhörer auf, und Diplo sagte: “Oh, das ist super – packen wir es auf euer und unser Album.” Hinzu kamen dann eigentlich nur noch weitere 30 Minuten, an denen wir noch etwas gebastelt haben – dann war es endgültig fertig.

Beim Lauschen solcher Erfolgsgeschichten verdeutlicht sich, dass von einer wirklichen Kehrseite der Medaille “bei der Crookers-Story” keine Spur scheint. Wirkliche Schauergeschichten wissen die beiden jedenfalls nicht (von sich selbst) zu berichten.

Phra: Also kleinere Unfälle passieren ständig. Zum Beispiel: Du glaubst, du spielst von 22.00Uhr bis 23.30Uhr und dann wird auf einmal doch erst von 5 bis 7 Uhr am morgen draus. Nur weil irgendwer das Set änderte. Oder du suchst einen Security und der hilft dir nicht. Oder noch besser: Du versuchst auf einen Gig zu gehen, aber die Leute lassen dich nicht rein. Sie halten dich zurück und sagen: „Na, na, na, na na.” (wedelt mit erhobenem Zeigefinger) – „Aber ich bin der DJ!” – „Na, na, na, na, na.” – „Bitte!”- „Na, na, na, na, na, na.” Komische Sachen, aber kein wirklich großer Ärger.
Bot: Im Gegensatz zu anderen wollte uns noch keiner umbringen.
Phra: Ah ja, genau. Wir haben mal mit Jesse Rose geplaudert und er erzählte uns eine Geschichte, als er in Amsterdam war. Er kam aus einem Club und da war dieser Typ mit einem Messer in der Hand. Dieser verfolgte ihn dann. Er rannte zum Hotel, wo ihm dann ein Türsteher half. Es stellte sich heraus, dass Jesse einem Typen total ähnlich sah, der den Bruder von diesem Typen erledigt hat. Ganz schön krass! Das ist eine richtig böse Geschichte.

Kein Wunder, dass die Crookers hoffen, dass erstmal alles so bleibt wie derzeit: Weiter fleißig produzieren und sich freuen, wenn zum Beispiel mal wieder ihr U2-Remix bei einer Dolce & Gabbana Show läuft. Ansonsten heißt es: “Spaß haben, Spaß haben, Spaß haben“, so die Party-Philisophie der beiden. Es geht um den richtigen, modernen Musikmix à la Crookers und sonst nichts. Daher reagieren sie mittlerweile auch genervt bei der Frage nach italienischer Politik.

Phra: Überall, wo wir hinkommen, fragt man uns, was wir von Berlusconi halten. Wir können da nur sagen, es ist nicht…(überlegt)
Bot: …es ist nicht unsere Schuld. Ich habe den nicht gewählt.
Phra: Wir können da auch nichts dran ändern. Er ist einfach da und er ist alt.
Bot: Er wirkt wie der Highlander.
Phra: Ja, Berlusconi ist der Highlander.

Interview: Kai-Uwe Weser

VÖ: 12.03.2010

Label:
Ministry Of Sounds

Tracklist:
01. We Love Animals Crookers feat Soulwax & Mixhell
02. No Security Crookers feat Kelis
03. Natural Born Hustler Crookers feat Pitbull
04. Lets Get Beezy Crookers feat Will I Am
05. Park The Truck Crookers feat Spank Rock
06. Hold Up Your Hand Crookers feat Roisin Murphy
07. Hip Hop Changed Crookers feat Rye Rye
08. Cooler Couleur Crookers feat Yelle
09. Birthday Bash Crookers feat The Very Best, Marina & Dargen D amico
10. Put Your Hands On Me Crookers feat Kardinal Offishal & Carla Marie
11. Royal T Crookers feat Roisin Murphy
12. Remedy Crookers feat Miike Snow
13. Arena Crookers feat Poirier & Face-T
14. Tee-Pee Theme Crookers feat Drop The Lime
15. Transilvania Crookers feat Steed Lord
16. Have Mercy Crookers feat Carrie
17. Jump UP Crookers feat Major Lazer, Leftside & Supahype
18. Lone White Wolf Crookers feat Tim Burgess
19. Day N Nite (Acapella Skit)
20. Embrace The Martian Crookers feat Kid Cudi

Recent Posts

There is a crack in everything, that’s how the light gets in

“There is a crack in everything, that's how the light gets in”, sang einst der…

2 Jahren ago

Zwischen Pop und Experiment

Seit September veröffentlichen Yule Post und Tom Gatza gemeinsame Singles. Mit BYE erscheint nun die…

2 Jahren ago

Never Mind Modus Mio, Here’s the »NEW SILK«

Spätherbst 2022. Deutschrap TikTok-tänzelt zur zweihundertsten lieblosen Drill-Attrappe. Es wird höchste Zeit für neuen Druck…

2 Jahren ago

No time for losers with toxic desires

Sofia Portanet veröffentlicht am 2. November 2022 ihre neue Single Unstoppable, die dritte Single aus…

2 Jahren ago

Eine Geschichte von der Spannung zwischen Freundschaft und der Sehnsucht nach Intimität, untermauert von euphorischem Techno

Mit ihrer neuen Single “Mess Me Up” erzählt die junge Berlinerin benzii eine Geschichte von…

2 Jahren ago

MS DOCKVILLE 2022 – FESTIVAL FÜR MUSIK & KUNST

Ein Festival ist mehr als nur viele Konzerte – ein Festival ist eine Einladung, sich…

2 Jahren ago