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Eigentlich hatte ich mir fest geschworen Radiohead im Newsletter zu ignorieren. Stattdessen habe ich mir laut The Verve mit The Thaw Sessions im Hintergrund angemacht. 14 Minuten und neun Sekunden mäandern sie da zur Feier ihrer Reunion rum. Umsonst verteilt per Website des NME. Niemand hat mich gefragt, was ich bereit wäre dafür zu bezahlen. Niemand hat behauptet, dass dieser Free-Download ein anti-kapitalistischer Akt oder gar neu wäre. Ich ließ Richard Ashcroft jammern, die Orgel sich in ihrem Loop verlieren und dachte dabei an Bela Anda.
Im Allgemeinen denke ich eher selten an Bela Anda (Typ zurückgegelte, schwarze Haare, immer perfekt sitzender Anzug der auf wundersame Weise nie knittert und zweifarbige Krawatte). Er war Regierungssprecher der ersten Legislaturperiode Gerhard Schröders. Damals fiel der ehemalige BILD Reporter eher wenig, diesmal durch einen herrlichen Vergleich auf. Bela Anda hatte in einem Interview Pete Doherty und Wowereit gleichgesetzt: Beide würden primär wegen ihres exzessiven Lebens auffallen, aber im Endeffekt immer durch die Qualität ihres realen Tuns überzeugen und überraschen.
Wow, eine beeindruckende Brücke, die der PR Experte (heute für einen Finanzdienstleister AWS tätig) den Babyshambles damit in den breiten Mainstream baut. Aber noch viel beeindruckender ist die Credibility, die er im Vorbeigehen Wowereit im Underground verschafft. BILD regt sich auch sofort brav auf und fragt in großen Lettern “Ist Wowi der Rüpel der Politik?” zeigt dabei auf halbseitigen Fotos beide mit Getränk (Wowi Bier, Pete Cola Whiskey)und beweist damit dem geschockten Leser, dass beide schon mal Alkohol getrunken haben. Anda lobt das Album “Shotters Nation” und beweist damit, dass er von Musik weniger Ahnung als von Kommunikation hat.
In Sachen Kommunikation ist ihm aber ein gewisser Bryce Edge um Längen überlegen und verdammt, damit wären wir guten Endes doch noch bei den unvermeidbaren Radiohead. Versteh mich bitte keiner falsch, das Experiment was der Konsument bereit wäre zu zahlen, wenn man ihn selbst entscheiden ließe, finde ich durchaus spannend. Eine deutsche Uni meinte herausgefunden zu haben, es seien 49 Cents pro Track, also um die 5 Euro pro Album. Der britische Verbraucher sagt Euro 3.75 (2.50 Pfund) im Realitätscheck mit Radiohead.
Das allerdings, bevor er sich “In Rainbows” hat anhören können (der gewünschte Preis muss vor dem Download eingegeben werden). Denn auch das radiohead-Werk ist meiner Meinung nach nicht wirklich überzeugend. Aber deren schlauer Manager hat das ohne fremde Hilfe von Bela oder Anderen selbst sofort gerade gebogen. Die Presse, welche die Aktion Käufer selbst entscheiden zu lassen was sie zahlen wollen, ausgelöst hat, ist unbezahlbar. Das Ganze als große Heldentat gegen die übermächtigen Plattenfirmen darzustellen ist jedoch schlichtweg frech. Eine Band wie Radiohead hat in der Regel einen Bandübernahmevertrag (ist also Eigentümer ihrer Aufnahmen, muss diese aber auch selbst bezahlen) und kann es schaffen bis zu 3 Euro pro CD von einer Plattenfirma zu bekommen. Beim um ein Drittel günstigeren Download-Album ist es sogar eher noch ein Euro weniger. Wirtschaftlich war das Risiko also überschaubar und die Aktion hat sich für Edge, Yorke und Co glatt gelohnt. “Cutting off the middleman” heißt das im schönsten Kapitalisten-Englisch und meint, dass man einen Weg gefunden hat andere leer ausgehen zu lassen um die eigenen Bezüge zu erhöhen. Die anderen sind in diesem Fall Plattenhändler, Downloadportale, andere Bands, die noch Geld von Plattenfirmen brauchen und schließlich die Plattenfirmen selbst. Das ist völlig legitim, sauber nach den Regeln des Kapitalismus, aber eben alles andere als eine Robin Hood-Tat und deshalb hätte ich viel lieber über Verve, Klaus Doherty und all die anderen geschrieben, die eine ehrlichere Sache sind.
Euer Tim
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