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Cypress Hill sind zurück und sprechen über musikalische Grenzüberschreitungen, Gangs und der Hip-Hop-Kultur, die zu ihrem Ursprung zurückfinden wird.
Die kalifornischen Hip-Hopper Cypress Hill veröffentlichen ihr achtes Studioalbum mit dem Titel “Rise Up“. Geschlagene sechs Jahre nahmen sich die Rapper eine Auszeit, doch das lange Warten hat sich gelohnt: der neue Longplayer bietet Tracks mit All-Star-Aufgebot – allen voran RATM-Gitarrist Tom Morello, der auf dem titeltragenden Stück seine unverkennbaren Gitarrenriffs auf die Rapeinlagen zaubert. Im Interview mit motor.de gibt Bandmitglied Sen Dog einen Einblick in die Produktionsentstehung des neuen Albums, stellt klar, inwieweit ihn seine Gang-Vergangenheit bei der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern aus LA im Weg stand und ob die Hip-Hop-Formation Angst hatte, musikalische Grenzen zu überschreiten.
motor.de: Lass uns erstmal über „Rise Up“ sprechen. Würdest du sagen, dass es signifikante Unterschiede zu eurem letzten Album “Till Death Do Us Part” gibt?
Sen Dog: Oh ja, auf jeden Fall. Es ist wie Tag und Nacht. Wir haben versucht, einige neue Dinge reinzubringen. Viele Collaborationen, einfach Sachen, die außerhalb der Norm liegen. Wir wollten keine Routine aufkommen lassen. Das Album zeigt eine ganz andere Persönlichkeit als „Till Death Do Us Apart“.
motor.de: Ihr habt mit vielen anderen Musikern zusammengearbeitet. Die Liste liest sich wie ein All-Star-Meeting. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit RATM-Gitarrist Tom Morello?
Sen Dog: Wir sind gute Freunde. Kennengelernt haben wir uns 2008 auf Tour, als Morello für sein Soloprojekt The Nightwatchman unterwegs war. Wir haben uns getroffen und er sagte: “Hey Jungs, ich habe Musik für euch“, und es bestand eigentlich nie ein Zweifel, dass das nicht zu uns passen würde. Wir haben es uns angehört, waren sofort begeistert – es passte einfach.
motor.de: Ihr mögt es Rock und HipHop zu mixen. Du hast mal gesagt, dass das für dich sogar essentiell wäre.
Sen Dog: Ja, ist es. Es heizt sozusagen meinen Motor an. Heavy Metal und Rock’n’Roll gemixt mit HipHop und Rap passt, finde ich, einfach sehr gut zusammen. Die Energie ist unglaublich, wenn du eine wirklich kraftvolle Band hast, die dann auf Rockmusik rappt – das Ergebnis ist wie Dynamit.
motor.de: Auf der Bühne ist es dann wahrscheinlich noch energiegeladener als im Studio.
Sen Dog: Auf jeden Fall. Mit einem Liveset und einer Band ist es sowieso ein riesiger Unterschied. Wenn ich die Kick-Drum hinter mir spüre, setzt das einfach eine großartige Energie frei.
Cypress Hill feat. Tom Morello – “Rise Up”
motor.de: Da ihr soviele Stile mixt, würdest du sagen, dass Old School Hip-Hop für euch, wie ihn beispielsweise Grandmaster Flash gemacht hat, zu langweilig ist.
Sen Dog: [denkt nach] … es ist nicht langweilig, es ist einfach was ganz anderes. Bevor wir angefangen haben zu rappen, haben wir viele verschiedene Arten von Musik gehört, eine davon war Rock. Vor Cypress Hill haben wir auch alle in rocklastigen Bands gepielt. Wir brauchen das einfach, um das Gefühl zu haben, richtig zu entertainen.
motor.de Ich war ziemlich überrascht als ich den Song “Armada Latina” gehört habe. Der Gastsänger ist Marc Anthony. Wie ist das denn zustande gekommen? Er macht nun wirklich völlig andere Musik als ihr?
Sen Dog: Ja, aber das ist doch Cypress Hill, wie man sie kennt. Wir sind bekannt dafür, verschiedene Sachen auszuprobieren und zu vermischen. Allerdings muss ich unseren Produzenten Jim Jonsin die Ehre lassen, denn ihm haben wir diese Begegnung zu verdanken. Wir hatten den Song bereits fertig, aber irgendwie hat er uns noch nicht gefallen. Wir wollten mehr – also hat Jim irgendwann Pitbull angerufen, der mit Jennifer Lopez und Marc zusammen gearbeitet hat. Und da er gerade zu diesem Zeitpunkt in LA war, kam er vorbei. Und so kamen wir alle zusammen und es entstand diese Kombination. Ohne Jim würde es den Song gar nicht geben.
motor.de: Der Track bringt wirklich gute Laune, ist aber auch sehr poppig.
Sen Dog: Das stimmt. Es ist auch das erste Mal, dass wir etwas in solch einem Latinostyle machten. Aber Cypress glaubt einfach nicht an Grenzen – und schon gar nicht an musikalische! Deswegen gibt es uns nach all den vielen Jahren auch noch, wir sind halt Grenzgänger. Wir glauben an Experimente und gucken, was dabei herauskommt, wir versuchen alles zu erforschen. motor.de: Ihr habt jetzt mittlerweile mit so vielen Musikern zusammen gearbeitet. Gibt es da überhaupt noch jemanden, der auf deiner Wunschliste für eine Collaboration steht? Sen Dog:
Cypress Hill feat. Marc Anthony & Pitbull – “Armada Latina”
motor.de: Hast du schon einmal bei einem von denen angefragt?
Sen Dog: Ich und Dave Lombardo gingen gemeinsam zur High School, wir waren zusammen in der 10 Klasse und wir hatten auch danach immer Kontakt zueinander. Wir haben schon darüber gesprochen, und er mag definitiv die Idee einer Zusammenarbeit. Das nächste Album, was wir machen, wird wahrscheinlich was wirklich Spektakukläres werden.
motor.de: Ich habe gelesen, dass du mal ein Mitglied der Bloods warst? [Bloods ist eine Jugend-Gang in LA, die mit den Crips rivalisiert; Anm. d. Red.]
Sen Dog: Ja, als ich jünger war, bin ich Mitglied der Blood-Gang gewesen.
motor.de: Wie war da eigentlich die Zusammenarbeit mit Snoop Dogg – war er nicht Mitglied der rivalisierenden Crips?
Sen Dog: Ja, aber das alles ist “old school stuff”. Wenn man kein aktives Mitglied mehr ist und jemanden von der anderen Seite trifft, ist das okay. Snoop ist ein Mitglied der Long Beach Crips, aber wir haben überhaupt keine Probleme miteinander. Sogar als ich noch ein aktives Blood-Mitglied war, hatte ich immer Kontakt zu Crips, die in meine Schule gingen oder mit denen ich arbeitete. Es geht mehr darum: sei ein Mann, respektiere den anderen, dann bekommst du auch diesen wieder zurück.
motor.de: Werden die rivalisierenden Gangs von der Presse und den Medien nur aufgebauscht?
Sen Dog: Nein, die Mehrheit der Medienberichte über die Gewalt der Gangs ist schon wahr. Aber du wenn du ein ‘Old G’ wirst – ein ‘Old G Homeboy’ [Ausstieg aus einer Gang als aktives Mitglied; Anm. d. Red.]] – hat dir niemand mehr zu sagen, mit wem du abhängen darfst und mit wem nicht. Dich schert es einfach nicht mehr, von welcher Gang jemand ist. All diese Dinge führten dazu, das wir eine Gruppe bildeten, uns um einen Plattenvertrag kümmerten und Musik machen wollten. Wir haben das Gang-Leben hinter uns gelassen und sind jetzt professionelle Musiker. Und das ganze Blood-Crip-Ding wird auch nie wieder für uns relevant sein.
motor.de: Wenn ihr euch mit Snoop trefft, sprecht ihr dann manchmal über die Gangs oder geht es nur um Arbeit und Musikmachen?
Sen Dog: Nein, über sowas reden wir gar nicht. Wir hängen miteinander ab, essen Hühnchen, rauchen was, trinken ein paar Bier zusammen. Aber wir reden nicht über Bloods oder Crips. Es geht eher um Sport, Musik unsere Kinder – wir sind alle stolze Väter. Ich kenne viele Crips wie Snoop und Kurupt – sie kommen alle vorbei. Wir denken alle dasselbe darüber. Auch Snoop ist es nicht wichtig, dass wir mal zu den Bloods gehörten.
motor.de: Ihr seid seit über 20 Jahren im Musik-Business. Wie denkst du, sieht die Zukunft des Hip-Hop aus?
Sen Dog: Ich kann dir nicht genau sagen, wohin es geht, wer den Hip-Hop anführen wird oder was für eine Art von Musik erfolgreich sein wird. Ich mag Mos Def und Q-Tip und viele andere. Was gerade im Radio läuft, handelt immer von materialistischen Sachen wie Geld, Frauen, Autos und einem extravaganten Livestyle. Das war eine Zeit lang Mode, aber irgendwann ändert sich das bestimmt wieder – es wird eine andere Mentalität kommen. Es geht schließlich um eine Realisierung des Hip-Hop, d.h. es geht um Community und um Kultur und nicht um modetaugliche Dinge. Es ist nur eine Frage der Zeit bis Hip-Hop wieder zu seinen Grundwerten zurückfindet.
motor.de: Da du gerade von Veränderung des Hip-Hop sprichst: in den letzten Jahren gab es einen regelrechten Hype um den Auto-Tune-Effekt. Magst du selbst diese Art von Technik?
Sen Dog: Das interessiert mich gar nicht. Ich meine, es ist cool, wenn man im Musikbusiness etwas erreicht. Ich zolle jedem Respekt, der das schafft, weil es so ein hartes Geschäft ist. Aber das ist überhaupt nicht mein Ding. Ich meine, das ist ein Trend. Ein Trend, der immer noch anhält. Und fast jeder springt gerade auf diesen Zug auf. Aber wir sehen bereits jetzt, dass das irgendwann nicht mehr ziehen wird. Cypress probieren zwar so viele unterschiedliche Dinge wie möglich aus – aber das definitiv nicht.
motor.de: Du und deine Band seid ja bekannt dafür, dass ihr schon lange für eine Legalisierung von Marihuana kämpft. Scheint ihr eurem Ziel schon etwas näher gekommen?
Sen Dog: Es ist einfach ein langer Kampf. Aber in vielen Staaten der USA ist die Beschaffung bereits nicht mehr illegal – das ist ein riesen Schritt. Es geht hier nicht nur darum Marihuana zu besitzen, um stoned zu werden. Viele Menschen benötigen es, um Krankheiten wie Krebs, HIV, Arthritis erträglich zu machen. Die American Medical Association [größte Organisation von Ärzten in den USA; Anmerk. d. Red.] hat ihre lang gehaltene Position, dass Cannabis keinen medizinischen Wert hätte, revidiert.
Ich denke, es wird noch eine Weile dauern, aber wir kommen unserem Ziel immer näher.
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