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“Tokio Hotel ist keine Band!” – Dúné im Interview

Dúné im Interview über Tokio Hotel, Johann Sebastian Bach und Mondlandungen.

Der Rockband Dúné wegen ihres jugendlichen Alters keine Standhaftigkeit zu unterstellen, erweist sich schnell als Trugschluss. Weder an der Meinung der Dänen, noch an ihren Frisuren lässt sich rütteln. Ein kleiner, närrischer Naseweis zeigt sich jedoch nach wie vor im Gespräch mit Sänger Mattias Kolstrup und Keyboarderin Cecilie Dyrberg (v. l. im Bild).

motor.de: Erzählt mal, touren und touren und touren… Wie geht’s euch?
Mattias:
Ach uns geht’s gut, wir hatten heut viel Spaß. Wir sind etwas übermüdet und haben dementsprechend gealbert.

motor.de: Mattias, in Skive haben die Leute immer zu dir gesagt: „Schneide deine Haare und such dir einen Job.“ Wie ist das, hast du jemals wieder was von denen gehört?
Mattias:
Sie sagten: „Wenn du mein Hund wärst, würde ich dir die Haare schneiden!“ Ja, diese Leute sind wirklich… (zeigt sich einen Vogel) Wenn ich heute nach Skive komme, kommen sie und sagen, wie sehr sie sich freuen mich zu sehen. Und ich denk mir… (zeigt den Mittelfinger) Aber eigentlich ist es mir egal. Da gibt es nichts, worüber ich mit diesen Leuten sprechen kann. Ich sage dann immer: “Oh, ihr wohnt immernoch in Skive… Wie toll… Wie toll!”
Cille: “Schön zu hören, euer Leben ist ja immernoch das gleiche.”

motor.de: Ihr habt ja wegen der Musik damals oft in der Schule gefehlt. Wenn ihr da ward, wie haben eure Mitschüler reagiert? Hatten sie überhaupt Verständnis für die Art, wie ihr lebt?
Cille:
Das hatten sie nicht. Wir hatten ein paar Freunde, die uns unterstützt haben. Für mich war es wirklich schwierig, da die meisten Mädchen nicht verstanden haben, warum ich immer mit den Jungs abhänge. Aber als wir dann auf MTV liefen, waren plötzlich selbst die Lehrer auf unserer Seite. Erst dann wollten die Leute mit uns zu tun haben. Es war meist komisch. Die Leute haben uns immer die Gäste des Monats genannt, weil wir so oft gefehlt haben.

motor.de: Wie ist das eigentlich in Dänemark? Mir ist zu Ohren gekommen, die Konkurrenz unter den Bands ist so groß, dass man sich gegenseitig dauernd versucht, Steine in den Weg zu legen.
Mattias:
Also eigentlich… Wenn sie mit dir sprechen sind sie immer nett, aber hinter vorgehaltener Hand machen sie einen immer runter und sagen Sachen wie: “Die Band ist so scheiße, bla bla bla.” Sie versuchen, sich gegenseitig nieder zu machen. Dänemark ist ein sehr kleines Land mit einer ebenso kleinen Musikszene. Aber die Qualität der Musik ist auf einem sehr hohen, internationalen Standard. Es ist eines unserer größten Ziele, Dänemark in der Szene zu etablieren. Wir haben lange im Schatten Schwedens gelebt. Ich denke, unser Land verdient es dieser Tage auch.
Cille: Ich stimme da vollkommen zu.

motor.de: Wie bekannt sind Dúné denn eigentlich in Dänemark? Es soll da ja bald eine Dokumentation namens „Stages“ über euch geben.
Mattias: Oh, das ist echt schwierig. Wir werden von unserem Land sehr unterstützt.
Cille: Ja, das dänische Radio mag uns sehr. Sie spielen und featuren uns sehr oft. Da gibt es nicht so viele Bands aus Dänemark, die bekannt sind. Ich würde sagen, wir sind unter den zehn bekanntesten.
Mattias: Unser Debüt [“We Are In There You Are Out Here”, Anm. d. Red.] bekam Gold und unser aktuelles… Hmm… Ja, also… Was hat eigentlich unser neues Album bekommen? Das hat mir nie jemand gesagt! (lacht)
Cille: Die Doku ist eine Art Comeback für uns in Dänemark.

motor.de: Wird es „Stages“ auch in Deutschland geben?
Cille:
Ja, die soll diesen Sommer veröffentlicht werden.
Mattias: Meine Synchronstimme wird die deutsche von Bruce Willis! (lacht)
Cille: Ich will die von Barack Obama! (lacht)

motor.de: Ihr seid ja nun oft umgezogen, jetziger Wohnort Berlin… Was ist für euch nun „zu Hause“?
Mattias:
(sofort) Berlin. Definitiv. Aber wenn ich zu meinen Eltern fahre, sage ich auch immer „nach Hause“.
Cille: Das geht mir ebenso. Wenn ich mit Freunden spreche und sage „Ich fahre heim.“, dann flippen sie aus und sagen „Was meinst du denn nun mit zu Hause?“. Ich habe in dem Sinne drei zu Hause, der Bus mit den Jungs, Berlin, Dänemark…

motor.de: Aber ihr wohnt nicht alle auf einem Haufen im Moment, oder?
Mattias:
Nein auf keinen Fall! Jeder von uns wohnt allein. Ole [Keyboard, Anm.d.Red.] und Piotrek [Bass] haben in Kopenhagen zusammen gewohnt. Sie haben gesagt, es war gut, aber sie haben einfach nicht miteinander gesprochen. Sie sind morgens aufgestanden und haben geschwiegen. Sie sind mit dem Rad zur Probe gefahren, haben nicht gesprochen. Dann geprobt, vielleicht ein bisschen diskutiert, aber wieder nicht geredet. Und dann wieder heim und…
Cille: Geschwiegen.
Mattias: Sie haben zusammen gefrühstückt…
Cille: Und geschwiegen.
Mattias: Sie waren einfach die ganze Zeit zusammen…
Cille: Und haben geschwiegen.
Mattias: Ja, dann lieber schweigen, und keiner ist da, als schweigen, wenn jemand da ist.
Cille: Du siehst… Sie haben geschwiegen.

motor.de: Was ist denn der größte Nachteil an einer siebenköpfigen Band?
Cille:
Es ist ein sehr großer Nachteil und gleichzeitig ein großer Vorteil. Wir haben viele Einflüsse, aber auch viele Diskussionen beim Komponieren. Immerhin haben wir vierzehn Hände zur Verfügung.
Mattias: Ja es ist auch schwierig, weil so wenig Platz ist. Auf der Bühne, im Tourbus…

motor.de: Ihr habt ja auch schonmal gesagt, dass es immer stinkt, wegen Oles Füßen.
Cille: Es sind eigentlich eher Dannys Füße. Dannys Füße, und Oles Hintern! (lacht) Nein, war nur ein Spaß.

motor.de: Für euren Namen gibt es eine konfuse Erklärung…
Mattias: Ja, er ist inspiriert von Frank Herberts Buch „Dune“. Weißt du, eine Düne besteht aus vielen Sandkörnern und ist dann etwas großes und so sind wir irgendwie auch. Wir gemeinsam als Band ergeben etwas gesamtes. Und dann (grinst) haben wir Akzente über dem U und dem E gesetzt, weil das sah französisch aus und vielleicht ein bisschen cooler. (lacht)

motor.de: Ab und an hört man über Dúné Sachen wie „die dänischen Tokio Hotel“…
Mattias:
(zieht die Augenbraue hoch) Das ist echt abwertend! Wir sehen denen nicht mal ähnlich. Ich sehe nicht aus wie Bill Kaulitz! Und deren Musik…

motor.de: Ich glaube, dabei geht es um die Struktur der Fans.
Mattias:
Das sollte aber wirklich das absolut einzige neben dem Alter sein, was wir mit Tokio Hotel gemein haben. Ich glaube so richtig verglichen wurden wir mit ihnen noch nicht. Ich kapier’ es auch nicht.
Cille: Es ist einfach nur… Sie sind jung, wir sind jung…
Mattias: Naja und das mit den Fans – die größten Fans stehen meist in der ersten Reihe und das sind eben oft junge Mädchen, wie bei jeder Band. Aber wenn ich mir unser Publikum anschaue, muss ich sagen, dass dort gar nicht so viele dabei sind. Viele sind unser Alter oder älter. Ich glaube, die Fans der ersten Stunde wachsen mit uns und werden so auch mit uns älter. Mit der zweiten Platte haben wir außerdem auch ältere, beziehungsweise nicht so sehr junge Menschen angesprochen, wie mit der ersten. Außerdem schreiben wir unsere Sachen selbst.

motor.de: Und Tokio Hotel tun das nicht?
Cille:
Weißt du, Tokio Hotel ist keine Band! Das ist einfach nur ein Konzept! Schau so aus, spiele diese Scheiße und singe Playback! Das ist, was sie so beliebt macht. Ich denke einfach, die Band ist nicht künstlerisch. Ich möchte Kunst schaffen, mich selbst mit Musik ausdrücken. Ich bin nicht gegen diese Band und sage, sie wären hässlich oder so was, es ist nur, dass sie nicht ihr eigenes Ding machen.
Mattias: Da fällt mir diese andere wirklich ganz schlimme Band ein, die Universal sich ausgedacht hat. Wie heißen die? Cinema Bizarre! Wenn Tokio Hotel nicht genug CDs verkaufen, wird etwas von Cinema Bizarre rausgebracht. Die sind ein bisschen extremer als Tokio Hotel. Das ist alles so kalkuliert es ist einfach nur zum Brechen!

motor.de: Wenn ihr die Chance hättet, mit welchem Musiker würdet ihr zusammen arbeiten wollen?
Mattias:
Darf der auch tot sein?
Cille: Johann Sebastian Bach! Ein Musiker der Klassik, das wäre echt cool.

(Mattias spielt auf dem Tisch Klavier und schüttelt sein Haar, bis Cille einstimmt und beide mit Händen und Füßen diverse Instrumente nachahmen)

motor.de: Mattias, dir wurde oft die Textzeile in „80 Years“ vorgeworfen, in der du davon singst, dass der Zweite Weltkrieg wiederholt werden sollte. Es steht doch aber in einem anderen Kontext, oder?
Mattias:
Ich verstehe, warum das viele Menschen schockiert oder verwirrt hat. Natürlich will ich den Zweiten Weltkrieg nicht wiederholen.

(Cille beginnt, rumzualbern und bietet Mattias und mir Snus an, eine besonders in den nordischen Ländern verbreitete Form von Oraltabak)

Mattias: … Ja, also es geht eben darum, dass wir in einer relativen ruhigen Zeit leben und weder den ersten, noch zweiten, noch irgendwelche anderen Kriege selbst zu spüren bekommen haben. Es ist wichtig, dass wir das Bewusstsein dafür behalten… (lacht) Entschuldigung, dass ich jetzt lache, aber Cille…

Dúné – 80 Years


motor.de: Die Geschichte von „Valentina“, einer fiktionalen Prostituierten, setzt sich auf dem zweiten Album fort. Was genau bewegt dich denn an ihrem Schicksal?
Mattias:
Also Valentina stirbt eigentlich auf dem ersten Album, auf dem zweiten geht es dann um ihre Tochter und… Verdammte Scheiße, Cecilie! Jedenfalls stirbt sie in „Go Go Valentina“, das ist nicht ganz offensichtlich… Cecilie! Du kannst auch gehen! Du bist total aufgekratzt und übermüdet.
Cille: Kannst du meine Augen sehen? Sind sie rot? Wie groß sind meine Pupillen?
Mattias: Sorry, Cille, du ruinierst das! Ich kann mich jetzt nicht mehr auf die Lyrics konzentrieren.

motor.de: Gut, dann wechseln wir das Thema. Ihr selbst hört ja völlig gegensätzliche Musik.
Mattias:
Ich glaube die Leute, die mit uns rumhängen, halten uns für verrückt. Wir hören erst Hip Hop oder so, dann Justin Timberlake, dann 30 Seconds To Mars und dann dänischen Schlager!

motor.de: Seid ihr nach irgendetwas süchtig?
Mattias:
Ich denke, wir sind süchtig nach Aufmerksamkeit.
Cille: Nein, das ist nur ein typisches Leadsinger-Phänomen!
Mattias: Kann schon sein. Aber, das könnte jetzt falsch aufgefasst werden. Es ist nur, sobald ich die Bühne betrete, bin ich ein anderer Mensch…

motor.de: Das erinnert mich ein wenig an den in dieser Hinsicht etwas extremeren Chris Corner, Stimme der Sneaker Pimps und IAMX.
Mattias:
Hey, von dem hab ich mal gelesen. Ich kenne die Musik nicht, aber in einer Story über uns stand, dass wir von ihm beeinflusst wären. Dabei habe ich die noch nie gehört.

motor.de: Mir kam zu Ohren, irgendwer von Dúné beherrscht Karate.
Mattias:
Ja! Piotrek, Ole und ich können Karate. Aber Ole sollte lieber boxen, er konzentriert sich nämlich nur auf seine Arme, das mit den Beinen ist nicht so sein Ding. Ungelogen, seine Arme haben den Umfang meiner Oberschenkel!

Dúné Gitarrist Danny Jungslund (Foto: Rasmus Weng)

motor.de: Danny, euer Gitarrist, hat da ein anderes Augenmerk – nämlich seine Haare. Wie lange dauert es, diese Frisur zu stylen?
Cille: Jetzt hat er eine andere Frisur, aber davor hat es immer in etwa vierzig Minuten gedauert. Es ist einfach nur Haarspray, Haarspray, Haarspray…
Mattias: Der hat bestimmt jedesmal eine ganze Dose gebraucht.

motor.de: Zum Abschluss würde ich noch gern wissen, wo ihr euch in der Zukunft seht.
Cille:
Es wird Frieden geben!
Mattias: In der Zukunft werden wir alle Drogen nehmen! Und, wir werden die erste Band auf dem Mond sein. Bis dahin sind wir zwar so alt wie die Rolling Stones jetzt, oder vielleicht auch zehn Jahre jünger… Aber, wir werden als erste Band auf dem Mond spielen! (lacht)

Interview: Elli Eberhardt

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