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Dan Deacon hinterfragt, fragt nach und lacht dabei. Wenn das ohnehin seine Lebensphilosophie ist, dann fordern wir gern zum Nachmachen auf. Warum sein aktuelles Album “America” mehr mit ihm selbst als mit Amerika zu tun hat, erklärt er uns im motor.de-Interview.
(Fotos: Domino Records)
Er ist Pop-Musiker, Komponist, Performance-Künstler auf der Bühne und Anhänger der Occupy Wall Street. Und noch viel mehr – aber es reicht sicher, um zu realisieren, dass man es bei dem Amerikaner Dan Deacon mit einem dieser niemals Ruhenden zu tun hat. Im Interview zeigt er sich allerdings alles andere als unruhig. Im August erschien Dan Deacons aktuelles Album “America”, das sich nicht zuletzt dadurch auszeichnet, das es einem alles nehmen und alles geben kann. Wenn man sich diesem spannungsgeladenen Album ganz und gar hingibt, dann muss man sich danach erst mal erholen. Wenn man es nicht tut, dann wird man Dan Deacon nie verstehen. Nach Deacons Aussage, machen ihn die Medien gern zu einen exzentrischen Spinner – warum? Vielleicht weil er es sich auf der Bühne nicht nehmen lässt, einen grün glühenden Totenkopf für sich sprechen zu lassen oder sein Publikum zu einer spontanen Tanzperformace zu animieren.
Es gibt die Menschen, denen man immer den Zeigefinger ansieht, wenn sie einem davon erzählen wollen, wie das Leben funktioniert und die, bei denen sich jede neue Erkenntnis wie eine Beweihräucherung des eigenen Über-Ichs anfühlt. Und es gibt die, die sich entspannt in einem Sessel niederlassen und einfach davon erzählen, was sie denken, ohne dabei an Selbstironie einzubüßen. Dan Deacon ist so einer und hinterfragt seine Welt genauso wie er sein Gegenüber fragt, ob das eigentlich alles Sinn ergibt. Ja, tut es! Zum motor.de-Interview haben wir nicht nur Dan Deacon getroffen, wir haben gelacht. Zusammen. Ein Gespräch über “America” und unentwegt über ihn selbst.
motor.de: Ist es richtig, wenn ich sage, dass “America”, ein Album über Amerika ist?
Dan Deacon: Ich weiß nicht (denkt nach). Auf diese Weise habe ich noch gar nicht darüber nachgedacht. Ich denke ein Teil davon ist über Amerika, aber es ist mehr eine Reihe von Fragen über Amerika, als dass es Behauptungen sind. Ergibt das Sinn?
motor.de: Ja, klar. Bedeutet denn für dich Amerika zu hinterfragen gleichzeitig, dass du dich selbst hinterfragst?
Dan Deacon: Oh definitiv. Ich denke mit dem Album habe ich hauptsächlich versucht, meine eigene Rolle in Amerika zu reflektieren und herauszufinden, was ich als Amerikaner über Amerika denke, was ich über meine Identität, meinen Körper, die Wahl meiner Lebensstile denke. Ergibt das Sinn? Ich werd’ dich einfach weiterhin fragen, ob das Sinn ergibt (lacht).
motor.de: Warum eigentlich nicht? Aber hast du denn Antworten gefunden?
Dan Deacon: Einige (bescheiden) Klar, auf alle! (lacht) Nein, ich habe einfach realisiert, dass niemand die Welt für mich ändern wird. Und die einzige Welt, die ich ändern kann, ist meine eigene. Weißt du, was ich meine? Ich weiß nichts über deine Welt oder über die von dem, der gerade im Hintergrund vorbeifährt. Ich muss quasi selbst entscheiden und daran arbeiten, die Welt zu verbreiten, die ich möchte, dass sie existiert, anstatt jene, die vornehmlich existiert und die ich eigentlich gern verschwinden sehen würde. Wie das Recht, sich zwischen Keksen und Weintrauben zu entscheiden. Das ist jedenfalls die fundamentale Basis dieses inneren Dialogs – warum entscheide ich mich für Kekse anstatt für Weintrauben? Was will mein Körper eigentlich? Meine Augen und mein Mund tricksen meinen Mund aus. Weißt du, was ich meine? Ergibt das Sinn? Oh man, ich hab’s schon wieder getan! (lacht)
motor.de: Ja, tut es – mal wieder! Was ist denn für dich ein politischer Mensch? Jemand der in politischen Bewegungen involviert ist? Jemand, der sich für Politik interessiert?
Dan Deacon: Für mich ist jeder ein politischer Mensch, der bewusst lebt und jeder, der etwas mit diesem Bewusstsein macht. Es gibt genug Leute, die ignorant sind (legt die Hand auf den Tisch und betrachtet ihn) Wo wurde der hier eigentlich gemacht? Wer hat ihn gemacht? Wurden sie fair bezahlt? Haben ihn Sklaven angefertigt? Sitz ich vielleicht auf einem Stuhl, der von Sklaven hergestellt wurde? Du musst verstehen, dass wir alle verantwortlich für ein gewisses Maß an Ausbeutung und Sklaverei sind. Für mich ist es so: Sobald du davon weißt, musst du etwas unternehmen, um es zu stoppen. Es ist jemand, der realisiert, dass er Teil des Problems ist, dass du beides bist: ein Individuum und Teil einer Gemeinschaft. Wir leben gemeinschaftlich, wir leben in einer Kollektivgesellschaft, obwohl diese wiederum aus Individuen besteht. Die Entscheidungen, die du für dich selbst triffst, triffst du gleichzeitig für unzählige andere Leute, die du siehst oder niemals sehen wirst. Und für mich ist eine politische Person jemand, der genau das realisiert und sicherstellt, das er das, was in seiner Macht steht, gegen das Fundament der Unterdrückung und Ausbeutung tut.
Dan Deacon – “True Thrush”
motor.de: Nun mal zu deinem Album. Es fühlt sich beim Hören manchmal wie eine Achterbahnfahrt der Gefühle an. Manchmal hatte ich wirklich das Gefühl, ich bin ein Marathon gelaufen. Aber manchmal hatte ich auch das Gefühl, ich könnte plötzlich alles erreichen. Hattest du bei der Arbeit an “America” eine Art Grundstimmung, die sich durch den Albumprozess gezogen hat?
Dan Deacon: Nee, ich denke nicht, dass es nur eine Stimmung war. Aber das ist eine gute Frage, die wurde ich zuvor noch nicht gefragt. Ich glaube die Stimmung wechselt von Stück zu Stück. In “Guilford Avenue Bridge”, dem Eröffnungstrack, da ist ganz offensichtlich diese Spannung und dieses Loslassen der Spannung, wenn die Drums zurückkommen oder die Befreiung, wenn wir im ausklingenden Teil wieder zum Riff zurückkommen, wenn man so will. “True Thrush” und “Lots” sind wahrscheinlich die zwei poppigsten Songs auf der Platte, dennoch haben sie ganz verschiedene Stimmungen. “True Thrush” ist ein Popsong, aber im Text geht’s hauptsächlich darum, verloren und durcheinander zu sein, sich etwas bizarr in Bezug auf deine eigene Identität zu fühlen beziehungsweise auf meine eigene Identität.
motor.de: Du hast in letzter Zeit in Zusammenarbeit mit einem großen Orchester deine eigenen Werke auf die Bühne gebracht. Und man hört das ein Stück weit auf “America” – deine Komponisten-Seite sowie deine Pop-Seite. Wo würdest du deine Musik einordnen?
Dan Deacon: Ich glaube es liegt nicht an mir, das zu beantworten. Ich weiß nicht, was es ist. Es ist Popmusik, “America” ist ein Popalbum.
motor.de: Pop, weil Pop für dich grenzenlos ist?
Dan Deacon: Ja, ich denke schon. Und es hat auch diese Energie. Kurzum: klassische Musik oder Kammermusik haben eine völlig andere Stimmung und Energie. Du kannst sagen, dass es von demselben Komponisten ist, aber der Kontext der Performance ist sehr wichtig für mich und vielleicht denke ich sogar ein bisschen zu viel darüber nach, wenn ich an einem Stück arbeite. Aber für mich ist “America” schon sehr ein Pop-Album. Du kannst dennoch Experimental-Pop sagen, weißt du, es ist nicht gerade das radiofreundlichste Album, aber es ist sicherlich auch keine Noise-Musik. Es ist irgendwas zwischen Noise-Musik und Katy Perry.
motor.de: War die neue Platte eine Art Befreiungsschlag für dich?
Dan Deacon: Ich weiß nicht, so habe ich noch nie darüber nachgedacht. Ich glaube nicht, dass ich mir auf diesem Wege ein neues Image verpasst habe. Die Medien haben gute Arbeit darin geleistet, mich zu einem exzentrischen Spinner und Art Psychopaten zu machen. Das nervt mich sozusagen und beeinflusst mich manchmal ein bisschen zu viel, es kommt vielleicht auch ein bisschen heraus auf der Platte, aber ich sollte einfach keine Presse mehr lesen, dann würde mich das auch alles nicht so beeinflussen (lacht).
motor.de: Wenn du einen Blick in die Zukunft wirfst, fühlst du dich gut dabei?
Dean Deacon: No.
motor.de: Yes?
Dan Deacon: (lacht)
Text + Interview: Katharina Lauck
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