Dutzende junge Leute rennen in einen Club, schreien und feiern zu elektronischer Musik – sie rennen in den Club bis sie vor Dan Deacon stehen, der die Musik stoppt und einleitend sagt: „I feel like the energy is fucking awesome right now.“ Er fängt an Anweisungen zu geben: Alle sollen nach oben gucken, in das Zentrum des Raumes, Hände in den Himmel strecken und sich ein bisschen nach links lehnen. Dan Deacon predigt mit bebender Stimme, wie viel man gemeinsam erreichen kann, was man zusammen aus einzelnen Ideen herausholen kann. Jetzt sollen sich alle nach rechts drehen. Und das ganze Publikum bewegt sich plötzlich langsam, wie eine pulsierende Schnecke im Kreis. Dann kommt der schnelle Beat, der Breakdown, und die Leute tanzen.

Ich war nicht da. Ich habe das Video auf YouTube gesehen. Ein Konzert in Amsterdam, 2012. Aber es war nicht minder beeindruckend: Wie macht er das? Dan Deacon veröffentlicht schon seit 2003 Musik, war unter anderem mit Deerhunter und No Age auf Tour, hatte eine Split mit Future Islands. Seinen letzten Langspieler hat er mit fast 30 Instrumenten aufgenommen – auf seinem neuesten Werk ist er deshalbwieder zurück zu den Wurzeln: Zu seinem Computer. „Gliss Riffer“ (erschienen am 20.02.15) lebt von elektronischen Arrangements, Spielereien und sprüht vor Energie. Ich habe Dean kurz vor seinem Konzert in Berlin angerufen.


Dan Deacon – Learning To Relax (Official Audio) von domino

 

Motor.de: Ich habe dich leider noch nie live gesehen – aber ich habe ein Video

einer Amsterdam-Show auf YouTube gesehen. Das war echt krass. Ein bisschen so,

als ob du der Anführer eines Kults wärst…

 

Dan Deacon: (lacht) Ja, das bekomme ich tatsächlich oft zu hören. Ich weiß nicht was

ich darauf sagen soll, aber wenn du das findest, ist doch schön.

 

Motor.de: Für viele Musiker, die elektronische Musik machen, ist ja vor allem die Live-Show immer

eine Herausforderung. Mit so viel Technik ist es ja eigentlich sehr schwer Energie und

Dynamik entstehen zu lassen…

 

Dan Deacon: Deswegen versuche ich die Musikalität meines Laptops in einer

Performance zu zeigen. Niemand weiß ja wirklich, was du da oben auf der Bühne

eigentlich machst. Daher stehe ich lieber im Publikum. Normalerweise ist eine Show

aufgeteilt in zwei Fronten: Die „Künstler“ und das „Publikum“. Ich möchte aber, dass alle

Anwesenden die Show sind. Ich will nicht sagen „I played a show last night“, sondern es

soll sich anfühlen wie „We played a show last night“.

 

Motor.de: Ich finde es faszinierend, dass tatsächlich auch jeder mitmacht.

 

Dan Deacon: Wenn jeder mitmacht, hat man selbst keine Angst mehr davor sich zu

blamieren. Es ist nichts peinlich oder awkward. Ich meine, letztendlich macht sich bei

meinem Shows niemand größer zum Affen als ich (lacht).

 

Motor.de: Du hast vor einiger Zeit ja auch eine App mitgegründet, die Teil deiner Performances

geworden ist.

 

Dan Deacon: …ja, aber ich bin aus der Business-Ebene ausgestiegen. Das hat private

Gründe. Die Idee finde ich immer noch gut: Mit der App kann man Handylicht über

Frequenzen steuern. Das heißt, dass auch jeder im Publikum mit der App meine Musik

mit einer Light-Show begleiten kann, und das ganz ohne W-Lan oder Data.

 

Motor.de: Du hast angefangen mit dem Computer Musik zu machen. Spielt auch das Internet eine

wichtige Rolle in deinem Leben?

 

Dan Deacon: Der Computer und das Internet sind für mich zwei verschiedene Dinge.

Ich finde es aber interessant, darüber nachzudenken wie sich gegenwärtige Kunst

durch Internet und Smartphones verändert. Bevor es kein Radio oder Fernsehen gab,

war bestimmte Kunst nicht möglich gewesen, wie zum Beispiel Video-Art. Ich bin sehr

gespannt, welche Kunstform sich durch diese neuen Technologien etablieren wird.

Meiner Meinung nach sind wir da aber noch nicht ganz angekommen.

 

Motor.de: Was würdest du ohne einen Computer machen?

 

Dan Deacon: Ich weiß nicht. Vor 100, 200 Jahren wäre ich wahrscheinlich Politiker oder

so etwas geworden. Oder später eben Anführer eines Kults (lacht).

 

Motor.de:Deine Musik ist sehr außergewöhnlich und progressiv. Woher nimmst du deine

Inspiration?

 

Dan Deacon: Ich finde alles faszinierend, was irgendwie in der Mitte liegt. Das klingt

jetzt komisch, aber was ich meine ist: Als ich aufgewachsen bin, war They Might

Be Giants meine Lieblingsband. Sie waren weder ganz eine Rockband, noch eine

Elektroband. Man konnte sie in keine Schublade stecken. Die britische Künstlerin

Vicki Bennett inspiriert mich unter anderem sehr. Ihre Kunst ist sehr verrückt und

experimentell, aber man findet immer etwas familiäres, dass es doch wieder ein

bisschen normal macht. Und das trifft auch auf mich zu: In der High School hatte ich eine

Riesenangst vor den echten weirdos, aber ich war selbst immer zu weird um normal zu

sein.

 

Gespannt auf die neue Platte? Wir verlosen zwei mal „Gliss Riffer“ digital, und dazu

einen Vinylballoon, den es eigentlich nur zur Special Edition gibt. Ja genau richtig: Einen

Vinylballoon. Schreibt einfach eine Mail und eure Adresse an redaktion@motor.de mit dem

Betreff: „Dan Deacon“.