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Das Bo im Interview

Tot gesagte leben länger. Das Bo kommt mit einer frischen EP um die Ecke, die vielleicht nicht den Geschmack der Hip Hop Heads trifft, dafür jedoch um so Club-tauglicher ist. Also mit Bo auf einen Tee getroffen und mal gfefragt, ob Hip Hop still OK is.

(Foto: Fumbananana Records)

motor.de: Du hast die EP nicht alleine aufgenommen, sondern mit der „Hängergang“, wer bitte ist das?

Bo: Das ist meine Crew. DJ Placebo und Flow Motion bilden mit mir das Hängergäng-Sound-System. Produziert wird das Ganze von Darko Tronic, der zuhause die Station hält. Es kommen aber noch viele Leute dazu. Alles was mit Kreativität und Geselligkeit zu hat. Einer kommt vom Film, der andere hat ein Restaurant. Das in einer Crew zu machen ist deswegen gut, weil es dadurch die verschiedensten Einflüsse gibt. DJ Placebo zum Beispiel ist, wenn es um Musik geht, einer, der alles auf dem Zettel hat. Der kommt mit persischen Psych-Rock-Sachen um die Ecke oder ist beispielsweise mit einem Kollegen, der diese Finders Keepers Sachen macht, befreundet. Da fließen immer die abstraktesten Musikstile zusammen. Wir sind sehr offen. Alles kann geil sein. Ein Max Raabe ist auch geil.

motor.de: Fumbananana?

Bo: Einfach ein schönes Wort, was man so mit der Pipette in die Hypophyse träufeln kann. "Sillium" von Fünf Sterne Deluxe war ja auch so ein Wort, was erstmal über den Klang funktioniert hat. Timsky, ein Kollege aus Frankfurt, der hat früher im Plattenladen gearbeitet. Eines Tages kam nach einer durchzechten Nacht ein Typ rein und meinte: Habt ihr dieses Fumbananana. Das war halt Funk Phenomena. Trotzdem ist das Wort so geil. Etwas ist / ich fühl mich / die Situation ist: Fumbananana!

motor.de: Warum gibt es eure EP nicht auf Vinyl, das bietet sich ja gerade zu an, bei deinem Background.

Bo: Vom Prinzip ja. Aber es sind erstmal Kosten. Gerade wollen wir da kein Risiko eingehen. Jetzt mit dem Online-Ding, wo sich die Kids eh alles ziehen, da sind wir vorsichtig.

motor.de: Du lebst also mehr von Live gerade?

Bo: Auf jeden Fall, wir fangen mit diesem Projekt ja gerade erst an. Wir sind froh, dass es ganz gut anläuft. Wir hatten viele Radiosender, die interessiert waren. Wir werden sehen, wie es weitergeht, wenn die Zeit reif ist, werden wir auch physische Tonträger machen, aber zurzeit ist digital der sicherste Weg. Live sind wir jedes Wochenende in den Clubs unterwegs. Das ist erstmal das Ding.

motor.de: Was hälst du eigentlich von den Atzen?

Bo: Ich bin ja sowieso Hip Hop-Fan. Auch wenn das eine sehr extreme Ecke ist. Aber wenn man sich mal anguckt, was es alles gibt im Moment. Von Cro über Casper, Jan Delay, Peter Fox, Die Atzen, Deichkind. Das ist ja alles im weitesten Sinne Hip Hop. Auf der anderen Seite hast du eben Farid Bang, Kollega und Hafti. Auch wenn ich aus einem anderen Bereich komme, finde ich es gerade eine spannende Zeit.

motor.de: Du hast diesen „anderen“ Hip Hop aus der Farid Bang- und Kollega-Ecke gerade erwähnt. Was hälst du denn davon?

Bo: Hip Hop hat mir meinen Arsch gerettet. Und ich finde es krass, dass die Typen rauskommen und in der ersten Woche 80.000 Einheiten verticken. Das ist eine Leistung, die man einfach anerkennen muss. Also ich bin froh, wenn Hip Hop am Start ist. Und ich find die genau so cool wie Cro. Das ist zwar ganz was anderes, aber es ist Hip Hop. Diese Kunst hat sich viel für deutsche Musik getan, vor den Neunzigern gab es doch nur Udo, Grönemeyer und Neue Deutsche Welle. Das was heute kommt, basiert alles auf dem Hype der Neunziger und deswegen bin ich froh, dass es gerade so gut läuft.

motor.de: Findest du dann schade, dass Hip Hop nicht die Anerkennung bekommt, die er vielleicht verdient?

Bo: Ja. Ich finde es schade, dass Hip Hop nicht die mediale und industrielle Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient. Es heißt immer, die bösen Jungs da, die sind schuld, wenn die Kids verrohen. Aber letzten Endes sind die Rapper Produkte einer Umwelt, die die Politik geschaffen hat. Die Rapper sind nicht schuld, wenn die Kids durchdrehen und auf der Straße landen. Ganz im Gegenteil. Die haben ein Umfeld, was Jobs kriegt. Die haben ihren DJ mit auf Tour, ihre ganze Crew. Solche Selfmade-Jungs, die in Eigenregie jahrelang Platten rausbringen, das ist eine Leistung, die man anerkennen muss.

motor.de: Kommen wir mal auf deinen Disko-Sound zurück, den du gerade fährst. Wird da live viel mit Playback gearbeitet, wie man es von anderen Acts kennt?

Bo: Wir sind als Soundsystem unterwegs. Legen auf, aber alles, was meine Lyrics betrifft, ist live. Was wir gemerkt haben: Es ist im Club sehr schwer, ein langes Live-Set zu spielen. Es ist halt mehr ein gemischtes Party-Volk. Wir machen deshalb immer zwei, drei Songs, dann legen wir wieder auf. Im Wechsel eben. Wir haben das mehr eingebettet. Im Endeffekt sind auf der EP nur zwei Nummern elektronisch. Die anderen Nummern sind ja schon eher Hip Hop oder in dem 808-Sound. „Mippm miesen Beat“ ist auf jeden Fall einer der miesesten Auto-Nummern, die Hip Hop-mäßig am Start sind. Klar ist alles clubbig, aber so richtig elektronisch sind nur zwei Nummern.

(Foto: Fumbananana Records)

motor.de: Zitat: „Ich bin drauf, ich bin drin“ Gehst du eigentlich selbst gerade viel feiern?

Bo: Die letzten Monate weniger, weil wir viel mit Produktion und Label-Gründung zu tun hatten. Letztes Jahr waren wir viel unterwegs. Ich muss nicht viel privat weggehen, weil das mein Job mit sich bringt. Deswegen haben wir auch diesen Sound. Wir haben viele Jungs um uns herum, die diesen Sound machen. Wir haben Bock auf Sachen, die abgehen, und deswegen ist es nicht so, dass wir da hinten um die Ecke gesehen haben, dass Elektro gut ist, und deswegen machen wir das jetzt. Ich bin mit einem Homie von Deichkind sehr, sehr gut befreundet, hab mit ihm zusammen gewohnt. Das ist alles ein Teil von uns. Das ist kein mathematisch, am Reißbrett konzipiertes Projekt. Schon 2001 bin ich bei Electric Kingdom aufgetreten. Bei Westbams Veranstaltung. Da haben wir in den Columbia-Halle schon vor diesen ganzen Neonwesten-Kids Gas gegeben. Und auf der Love-Parade sind wir ja auch bei Deichkind auf dem Wagen mitgefahren.

motor.de: Was machst du, wenn du vom Feiern nach Hause kommst. Wie gestaltet Das Bo seinen Sonntag Nachmittag?

Bo: Mein Privatleben ist für mich Studio und Schreiben. Das ist für mich nicht alles so trennbar. Dass ich gerade so Output, Output, Output fahre, hat mit der Fernsehschiene zu tun. Da hatte ich nämlich gar keine Zeit und habe gemerkt, dass es mir sehr fehlt. Als das mit dem Fernsehding vorbei war, bin ich gleich ins Studio. Zehn Leute eingeladen, einer hat gekocht und wir haben die ganze Nacht gejammt. Musik ist für mich essenziell. Ich habe halt keine Arbeit im eigentlichen Sinne, haha.

motor.de: Wenn du die ganze Zeit im Studio hängst, hälst du dich dann irgendwie fit?

Bo: Für mich ist Balance wichtig. Ich hatte in letzter Zeit weniger Luft, was zu machen. Die Hängergäng ist aber auch eine Basketball-Crew. Und jetzt wird Sommer, also geht das wieder los. Fußball gespielt habe ich auch mal und gepumpt. Aber nicht auf Masse, nur damit beim Fußball nix reißt.

motor.de: Welchen Verein feierst du denn?

Bo: Haha. Also ich bin für Hamburg. Haha. Ich bin manchmal beim HSV im Stadion, aber weniger in letzter Zeit, weil es ja eine Farce ist, was da gerade passiert. Zu Pauli gehe ich auch. Ich versuche aber zu vermeiden, bei einem Verein Veranstaltungen zu machen, weil ich es vermeiden möchte, mich da auf eine Seite zu schlagen. Ich liebe Pauli, weil es eben echt ein Viertelverein ist. Das ist genau unsere Ecke, Pauli, Schanze, Karo-Viertel. Mit dem HSV bin ich aufgewachsen. 93 stand ich auf der Brücke mit mei‘m Vadder, als die mit der Meisterschale durchgefahren sind. Von daher, ich bin da gegen keinen. Altona 96 ist auch gut!

motor.de: Du hast es vorhin selbst erwähnt. Du bist mit Jan Delay aufgetreten, mit Deichkind. Kann man in Zukunft mit Kollabos in die Richtung rechnen?

Bo: Ausgeschlossen ist nichts. Das Problem ist, dass wir alle viel zu tun haben und ich bin kein Mathematiker mit krassem Terminplan, der dann sagt [Bo fängt an zu näseln]: „Ja, könn wir mal einen Termin machen, lass doch mal so und so.“ Aber es ist nichts ausgeschlossen.

motor.de: Die Frage drängt sich auf… Fünf Sterne?!?!

Bo: Ja super. Ich freu mich über diese Frage. 28.8. Re-Union-Konzert auf der Trab-Rennbahn in Hamburg. Mehr eigentlich nicht…

motor.de: Also komm schon, und danach?

Bo: Das weiß man noch nicht, haha. Also im Moment ist es so: Wir haben jedes Jahr am 28.12 ein Essen gemacht zu viert, bei dem wir uns getroffen haben zusammen mit der alten Crew. Wir haben überlegt, für’s zehnjährige Flash-Jubiläum ein Re-Union-Konzert zu machen. Das hat aber locationtechnisch nicht geklappt. Das war trotzdem der Funken. Es ist halt auch schwierig, der eine ist in Münster, der andere in Frankfurt. Toni ist auch außerhalb. Es ist halt nicht mehr wie früher, als wir alle aufeinander gehockt und teilweise zusammen gewohnt haben.

motor.de: Beim Thema Früher… Du bist ein Lehrerkind, was liest du eigentlich aktuell für ein Buch?

Bo: Ich lese gar nicht. Keine Ahnung. Mein Vater war Sportlehrer, von daher, haha. Ich habe immer gesagt: „Ich lese nicht, ich lebe.“ Das ist vielleicht ein bisschen hart für Leser, aber ich hab’s halt nicht so mit dem Lesen.

motor.de: Musik hören wirst du aber, oder? Dein aktuelles Lieblingsalbum, was du gerade im Auto pumpst? Also bitte von anderen Bands, nicht von dir.

Bo: Ich höre nur meine eigenen Sachen, haha. Nein, ich habe gerade tatsächlich Daft Punk am Laufen, DJ Koze finde ich sehr geil. A$AP Rocky und, auch wenn ich diesen ätzenden Typen nicht mag: Kanye West hat mich auch geflasht. Kendrick Lamar kann ich leider gar nichts mit anfangen.

motor.de: Du hast Wurzeln im ehemaligen Jugoslavien. Interessierst du dich denn für die politischen Vorgänge dort?

Bo: Mein Vater kommt aus dem ehemaligen Jugoslavien. Das war noch die Fahne mit dem Stern. Regional gesehen ist er aus Bosnien Herzegowina, und dort im nördlichen Teil, also eigentlich Herzegowina. Mein Opa war Serbe, meine Oma war Kroatin. Wir haben Muslime mit in der Seite. Von daher ist es bei uns alles gemischt. Dadurch ist das alles viel tragischer, weil es alles gar kein Sinn macht, was dort passiert ist und passiert. Politisch bin ich nicht so. Auch gerade deswegen, weil es so lächerlich ist, was da abgeht, aber auch generell, hier. Es ist so krass, wie offensichtlich Sachen stattfinden und wie wenig es interessiert. Eigentlich muss jetzt eine Revolution kommen. Man muss Molotow-Cocktails schmeißen und Politiker backpfeifen. Eigentlich muss das sein, weil es nicht sein kann, was passiert. Weißt du: Ich zahl steuern, und meine Steuern werden dazu genutzt, damit der Verfassungsschutz Rechtsradikale mit Geld ausstattet, damit sie irgendwelche Leute umbringen. Das sind ja Fakten, da muss ja nichts gedeutelt werden. Auch aktuell mit dem Hochwasser. 2002 wurden Milliarden von Geldern verteilt, damit das nicht nochmal passiert. Und jetzt kriegt man mit, dass die Gelder überall versackt sind, aber nicht in den Deichen. Ich bin schon politisch interessiert und bekomme das mit, aber ich verarbeite es nicht so sehr in meinen Texten. So jemand wie Wulff…

(Foto: Fumbananana Records)

motor.de: Gibt es etwas, was dich in Hamburg speziell stört?

Bo: Ja, Ronald Schill. Der Richter Gnadenlos, der irgendwie so eine Koksnase ist, es gibt halt so viele Sachen, die irgendwie krass sind. Aber ich will mich da nicht aufregen, denn entweder hält man da die Füße still oder man gründet eine eigene Partei. Ich bin aber Musiker. Das sollen Leute machen, die das Wissen dazu haben. In unserer Crew ist gerade natürlich die Situation in der Türkei sehr präsent. DJ Placebo ist kurdischer Türke. Also Politik ist schon am Start, aber es ist nichts, das ich mir auf die Fahne schreiben würde. Ich versuche die Leute, die von der derzeitigen Politik genervt sind mit meiner Musik ein bisschen zu balsamieren. Das ist meine politische Aktion. Oder Kids zu supporten.

motor.de: In dem Bereich bist du ja sehr aktiv.

Bo: Ja, ich habe Projekte an Schulen supportet. Letztes Jahr habe ich eine Kooperation mit der Agentur für Arbeit gemacht, den Song „Ich bin gut“, wo es darum geht, die Leute zu motivieren. Das Projekt unterstützte junge Leute, die auch der Schule ins Arbeitsleben kommen. Wie stelle ich mich vor, wo will ich hin. Solche Sachen. Da gab es Jugencamps und Gruppenarbeit von Lehrgängen bis Klettern gehen. Und bei einigen Sachen war ich auch mit dabei. Bei sowas bin ich immer am Start. Es war für mich auch sehr interessant, dass ich bei X Factor die junge Gruppe bekommen habe. Weil ich so jemand bin, der in seinem musikalischem Werdegang keine Unterstützung, keinen Lehrer hatte. Das war schön mit denen zu arbeiten, mit jungen Leuten, wo man denkt, die haben Potential.

John Sauter

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