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Ein Schreckgespenst namens Urheberrecht huscht durch die Medienwelt und verbreitet Angst und Ärgernis. motor.de hat sich für euch durch den Paragraphenwahnsinn gebissen.
Horrorgeschichten von Anwaltsbriefen wegen illegaler Downloads, Bußgelder in kosmischer Höhe oder YouTube-Videos, die mit dem üblichen Verweis auf die GEMA nicht anzusehen sind – im Zusammenhang mit all solchen Szenarien fällt stets der Begriff ‘Urheberrecht’. Insbesondere durch die Weiten des Internets rennt jener Poltergeist mit einem gewaltigen Stempel und drückt das Label “illegal” auf alles, was nicht stream- und downloadfest ist. Was jedoch in dem berüchtigten Gesetzestext tatsächlich steht, weiß kaum jemand so genau. motor.de hat für euch einmal nachgesehen, was die 138 Wirrungen des Regel-Labyrinths tatsächlich hergeben und sich auf die Suche nach den wirklichen Ursachen des Durcheinanders begeben. Schließlich war das Urheberrecht eigentlich einst eine gute Idee, die mit einem legalen Schutzrahmen Künstler absichern sollte:
Der Schutz wird gewährleistet, indem das Gesetz jedem kreativen Schöpfer das ausschließliche Recht einräumt, sein Werk auf jegliche Weise zu verwerten. Das bedeutet, dass er das alleinige Bestimmungsrecht über die Form der Veröffentlichung, der Verfielfältigung und der Wiedergabe hat. Dabei ist es in Bezug auf Musik egal, ob es um Schallplatten, CDs oder nichtmaterielle Formen von Werkkopien wie mp3 geht. Außerdem gewährt es dem Urheber einen Vergütungsanspruch: wer ein Werk in irgendeiner Weise nutzen, besitzen, verändern oder wiedergeben will, der muss zahlen.
Was beim Lesen des Rechtsdschungels schnell hervorsticht, ist das Entstehungsdatum des Regelwerks – der Katalog stammt in seinen Grundzügen aus dem Jahr 1965 und wurde seither nicht grundsätzlich modernisiert, lediglich ergänzt. Zweimal versuchte die Politik unter Gerangel mit der Musikindustrie-Lobby den Gesetzestext zeitgemäß aufzupolieren. Die Neuerungen wurden in zwei sogenannten Körben veröffentlicht. Korb Eins trat 2003 in Kraft und stellte klar, dass es unter Androhung von Strafe verboten ist, jegliche Art von Kopierschutz zu umgehen. 2008 folgte schließlich Korb Zwei, der unter anderem ein generelles Download-Verbot bewirkte. Da jedoch das Fundament in einer Zeit wurzelt, in der Computer und Internet noch grober Science Fiction gleichkamen, fehlen präzise Begrifflichkeiten der heutigen technologischen Möglichkeiten fast vollständig. Dafür sind die definitorischen Umschreibungen so offen, dass sie im Grunde fast alles bedeuten könnten. Und damit beginnt auch schon das Problem. Der gesamte Text ist derart schwammig gehalten, dass sich früher oder später die Frage stellt, wie um alles in der Welt anhand dieses Aquarells präzise Linien verfolgt werden können. Anders ausgedrückt: Wo endet im Urheberrecht Klarheit, wo beginnt Willkür? So lese man zum Beispiel einmal den folgenden Absatz:
In diesen Zeilen ankert das Verbot von Tauschbörsen und dem Herunterladen von illegalen mp3s im Internet. Und worauf gründet sich dieses? Auf der Anmerkung, dass “offensichtlich rechtswidrig hergestellte” Vorlagen nicht als Kopiervorlage dienen dürfen. Was jedoch offensichtlich ist, liegt eigentlich im Auge des Betrachters und man lehne sich einmal so weit aus dem Fenster und behaupte, dass im Internet die Unterscheidung zwischen legal und illegal gar nicht zwingend offensichtlich ist. Zunächst muss einmal definiert werden, welche Arten von Kopien rechtens und welche verboten sind. Dem armen Webnutzer hilft der Paragraph dabei allerdings wenig weiter. Das Gesetz äußert sich seit der 2003er Neuerung wie folgt dazu, was illegale Kopierweisen sind und stellt sich dabei selbst ein weiteres Bein:
Werbespot “Raubkopierer sind Verbrecher”
Da in den Weiten des World Wide Web Quellen meist kaum mehr zu identifizieren sind, wie soll der Musikhungrige wissen, ob das vorliegende Album eine rechtens oder illegal gefertigte Kopie ist? Es ist schwer zu sagen, ob hier verboten ein Kopierschutz umgangen wurde, um die mp3s herzustellen oder aber, ob vielleicht die Band selbst sie zum kostenfreien Download bereitgestellt hat, womit der Download nicht länger illegal wäre. Desweiteren: Unzählige Gruppen stellen ihre Alben oft noch vor dem tatsächlichen Erscheinungsdatum als Stream bereit. Es ist theoretisch möglich, mit für Laien kaum hörbaren Qualitätsverlusten einen Stream zum Beispiel als wav-Datei aufzunehmen und anschließend in mp3 umzuwandeln. Im Urheberrecht ein fundiertes Verbot für diesen Vorgang zu finden, erscheint schier unmöglich. Natürlich ist man als Ottonormalnutzer darüber informiert, dass Tauschbörsen gesetzeswidrig sind. Wer jedoch beispielsweise Dateien von Blogs herunterlädt, der könnte davon ausgehen, dass es sich um eine der eben beschriebenen Quellen handelt, oder aber der Schreiberling das Original besitzt, von dem er eine legale Kopie erstellt hat. Leider wird vor Gesetz einer Klausel im Prozessrecht grundsätzlich erst einmal davon ausgegangen, dass alle Kopien eines urheberrechtlich geschützten Werks im Netz illegal sind. Ein wegen verbotenem Download Beschuldigter müsste vor Gericht beweisen, dass die Kopie legal ist, wobei eine verschwindend geringe Chance besteht, dass dies gelingt.
Übersetzt kann man den Kauderwelsch aus §108b) anhand eines Beispiels nämlich auch so zusammenfassen: Wer in vollem Wissen ein Werk dupliziert, indem er wissentlich einen Kopierschutz auf einer CD oder mp3 umgeht, der wird hart bestraft, wenn er es nicht ausschließlich zum privaten Gebrauch tut. Tatsächlich liegt hier die Botschaft inne, dass keine rechtlichen Konsequenzen folgen, wenn man nur für persönliche Zwecke seine Originale raubkopiert. Nur, wer will einschränken, was dieser “private Gebrauch” eigentlich ist? Und wer sind die “mit dem Täter persönlich verbundenen Personen”, die eine solche Kopie ebenfalls straffrei privat verwenden dürfen müssten? Im Zeitalter von Social Networking stellt es keinerlei Problem da, mehr als tausend Personen im Facebook den Status “Freund” zu verleihen, womit man definitiv Verbindung ausdrückt.
Nun ist es ja auch so, dass ein solcher Blogger, der zum Beispiel ein Album rechtswidrig zum Download anbietet, keinerlei kommerzielle Interessen verfolgt – solche würden der Regelung nach zur Vergütung verpflichten. Hinter den Seiten stehen wohl meist Privatpersonen, die im besten Fall mit der Welt eine Musik teilen wollen, die sie begeistert und im schlimmsten Fall möchten, dass man ihre Seite besucht. Beides sind neutral betrachtet höchst persönliche und wenig verwerfliche Absichten, die im Grunde für die Künstler werben. Tatsächlich hat der kostenlose, “illegale” Download für Künstler nicht nur negative Seiten. Es ist die vermutlich effizienteste Weise, Musik zu verbreiten, was sich wiederum in wachsender Popularität und somit auch größer werdenden Einnahmen niederschlägt. Viele Künstler wehren sich nicht gegen die Piraterie oder unterstützen sie gar. Modelle, wie sie zum Beispiel bei Bandcamp angeboten werden, ermöglichen dem Nutzer selbst zu entscheiden, ob oder wieviel er für ein Album zahlen möchte. Das Prinzip findet weitreichenden, wachsenden Anklang, was auch darauf hinweist, dass realistisch günstige, legale Download-Möglichkeiten das Problem der illegalen Verbreitung wohl besser in den Griff bekämen, als weitere Verbote und steigende Strafsummen.
Die wirklichen Ursachen der Probleme finden sich hier also nicht im Urheberrecht, auch nicht bei der so oft verfluchten GEMA, sondern am Ende bei den Major-Labels, die an ihren Strukturen festhalten. Schließlich sind sie es, die die Mehrheit der Rechte der Künstler besitzen und somit letztendlich durch das Gesetz geschützt werden. Nicht nur das – es gibt gar ein zusätzliches Recht, dass sie als Verleger schützt, in dem der Künstler schlussendlich völlig ausgeklammert wird. Auch die Durchsetzungsmöglichkeiten liegen klar auf Business-Seite, nicht bei den kreativ Arbeitenden. In all dem Paragraphenchaos geht es ganz klar nicht mehr hauptsächlich um Schutz geistigen Eigentums und um den Schutz der Künstler, hier geht es um Geldbewegungen in großem Maße, die mit der Finanzlage der Musiker selbst nicht mehr sehr viel zu tun haben. Mag die Wahrscheinlichkeit auch utopisch gering sein, dass der Gedanke sich je verwirklicht, so bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber sich bald einer neuen Reform annimmt, die verbraucherfreundlich ist und den Fokus auf den Schutz derjenigen zurücklenkt, denen es eigentlich dienlich sein sollte: Den Künstlern.
Für alle Interessierten gibt es »hier die Online-Ausgabe des Volltexts und »hier eine Seite voll praktischer Erklärungen jenseits des Juristen-Deutsch.
Tabea Köbler
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