Aus für die Solonummer: Chris Carraba hat sein Band-Glück gefunden. Und auch musikalisch hat sich der einstige Emo-Beau weiterentwickelt.

Auf ihrem siebten Album “Alter The Ending” treten Dashboard Confessional erstmals als vierköpfige Rock-Band auf. Christopher Carrabbas ehemalige One-Man-Herzschmerz-Peep-Show ist im Laufe der letzten zehn Jahre zum Formatradio-Rudelrocken angewachsen und macht endgültig Ernst mit Breitwand-Emo.

Dashboard Confessional haben mit “Alter The Ending” ihr bisher vielleicht kitschigstes und schlichtweg eckenlosestes Album ever aufgenommen und – nicht ganz zufällig – in der Folge auch noch den Anheizer für Bon Jovi, die ewigen Ikonen des Corporate-Rock, gegeben. Das ruft natürlich die Kritiker auf den Plan, insbesondere weil Dashboard Confessional-Kopf Chris Carrabba als Sänger von Further Seems Forever einstmals aus der Ursuppe des politisch korrekten 90er-Emo gekrabbelt kam. Auch sein heutiger “Partner-In-Crime”, oder besser, “Partner-In-Slime” Scott Schoenbeck war als Bassist der Emo-Folk-Archetypen The Promise Ring Protagonist eines Genres, von dem heutige Emo-Boys und -Girls wenn überhaupt nur verschwommene Vorstellungen unter den schwarz-getünchten Seitenscheiteln einher tragen. Die Kritiker, das sind ehemalige Fanzine-Schreiber, die Türwächter einer Szene, die schon längst einen Club weiter gezogen ist.

Wer kann es Dashboard Confessional also verübeln, wenn sie sich mal bei Jon Bon Jovi und seinen Mannen ansehen, wie das noch mal geht mit dem Geld verdienen. Und überhaupt: wer sich über die Entwicklung der Band wundert, hat die narrativen Strukturen hinter Carrabbas, pardon, den mittlerweile “gemeinsam geschriebenen Songs” nicht mitgeschnitten. Denn im tiefsten Innern ist Carrabba kein seltsamer Seitenscheitel-Junge, sondern ein schwelgender Romantiker, der seinen Mond voll, seine Sonnenuntergänge rosa, seine Pferde weiß und seine Mädchen bodenständig mag. Dashboard Confessional sind auch deshalb in ihrer Heimat mittlerweile ein Stadion-Act, weil sie die Gefühlsklischees der Masse bedienen können. “Wenn ich Songs schreibe, hoffe ich eine Geschichte auch so erzählen zu können, dass sie jeder versteht. Wenn ich erst mal ernsthaft darüber nachdenke, was ich da gerade singe und ob mir das vielleicht jemand krumm nehmen könnte, blockiere ich mich nur selbst,” gibt Carrabba im Interview zu bedenken.


Der schmächtige Sänger mit der umso breiteren Stimme ist ein Experte für plakative Emotionen. Auch “Alter The Ending” steckt voller klassischer, amerikanischer Rock-Geschichten, voller Klischees, die eben doch wieder so weit abgewandelt sind, dass sie vollkommen individuell wahrgenommen werden. Geschichten über den einsamen Musiker, der sich nach Wochen auf Tour nach seiner Herzdame sehnt. Und nach der frisch gewaschenen Wäsche, nach der selbige riecht, noch dazu. Das Video zur ersten Single “Belle Of The Boulevard”, der “Irma La Douce”-Geschichte des Albums dreht man in New Orleans. Die Geschichten, die die Dashboard Confessional-Liederfibel ausmachen, ziehen ihre Inhalte aus dem großen Genre-Katalog der Hollywood-Romanze. Sie sind bevölkert von verträumten Damen, die den Sonntagmorgen im Herrenhemd des Freundes verbringen, und voller Herren, die sich den Namen ihres Babys auf den Bizeps tackern lassen.

Die eigene Geschichte, die Geschichte von Dashboard Confessional hat sich im Verlauf der letzten Jahre als weniger konventionell erwiesen als diejenigen, die die Band erzählt. “Unsere Entwicklung verläuft tatsächlich umgekehrt. Während andere Bands sich in der High School zusammentun, erfolgreich werden und dann getrennter Wege gehen und Solo-Karrieren anstreben, ist Dashboard Confessional erst jetzt zu einer verschworenen Band-Einheit gewachsen,” zeichnet Carrabba den Weg seines ehemaligen Solo-Projekts nach. Eins ist Dashboard Confessional bei allen Veränderungen geblieben. Der Hang zur großen Geste, der Carrabba selbst dann noch überkommt, wenn er über die Aufnahmen zu “Alter The Ending” berichtet. Dann richtet er seinen Blick in die Ferne, schüttelt leicht den Kopf, als wenn er die Magie des Moments bis heute nicht verstehen könnte und sagt: “Es ist gut, dass diese Band zu einem echten Zuhause geworden ist.”

Timo Richard