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“Es hat mich sehr berührt, dass die Jungs mich um Hilfe gebeten haben” – Deftones-Bassist Sergio Vega im motor.de-Interview über seinen verunglückten Vorgänger, das aktuelle Album und Zukunftsvisionen.
Nach dem schweren Autounfall ihres Bassisten Chi Cheng im November 2008 (motor.de berichtete) sah es zunächst so aus, als wäre das Ende der Deftones besiegelt. Bereits während der Aufnahmen zu ihrem 2006er Werk „Saturday Night Wrist“ kam es immer wieder zu Spannungen zwischen Sänger Chino Moreno und den anderen Bandmitgliedern. Nach dem Schicksalsschlag vor gut zwei Jahren stand die Band dann endgültig am Scheideweg. Doch es kam ganz anders. Die Tragödie schweißte die langjährigen Freunde wieder eng zusammen und in Sergio Vega (Ex-Quicksand) fand man schnell einen adäquaten Vertreter am Bass. Im Frühjahr 2010 veröffentlichte die Band mit “Diamond Eyes” ein kaum noch für möglich gehaltenes Comeback-Album, das von Kritikern und Fans auf der ganzen Welt gleichermaßen gefeiert wurde. Wir trafen Sergio Vega am 2. Dezember vor der Deftones-Show in der Berliner Columbiahalle und sprachen mit ihm über die aufreibenden letzten Monate, das bisher unveröffentlichte Album “Eros” und die Pläne für 2011.
motor.de: Die wichtigste Frage gleich zu Beginn: Wie geht es Chi im Moment und macht er gesundheitliche Fortschritte?
Sergio Vega: Er macht definitiv Fortschritte. Aber der Weg der Heilung ist sehr lang. Momentan sammeln seine Familie und Freunde Geld, damit er in ein spezielles Krankenhaus an der Ostküste verlegt werden kann, das eine sehr hohe Heilungsrate für Komapatienten aufweist. Auch wenn wir nicht täglich neue Updates geben können, wissen wir, dass er Fortschritte macht – wenn auch langsam.
motor.de: Müssen wir uns Sorgen machen, dass er nicht mehr aufwacht?
Sergio Vega: Das sind Dinge, die wir nicht wissen können. Aber wir hoffen nach wie vor, dass er aufwacht und jeder versucht auf seine Art zu helfen.
motor.de: Was waren deine ersten Gedanken als die Jungs Dich gefragt haben, ob du Teil der Band werden möchtest?
Sergio Vega: Als ich hörte, was mit Chi passiert ist, war ich zunächst sehr traurig. Wir sind seit fast 20 Jahren befreundet und ich habe ihn schon einmal für kurze Zeit bei den Deftones vertreten. Auf der anderen Seite hat es mich sehr berührt, dass mich die Jungs um Hilfe gebeten haben.
motor.de: Hatten sie noch andere Kandidaten?
Sergio Vega: (lacht) Darüber haben wir schon einige Witze gemacht. Sie haben mir zumindest gemeint, dass es keine anderen Kandidaten gab. Wie gesagt, ich habe schon mal bei den Jungs ausgeholfen und wir haben viele musikalische Gemeinsamkeiten. Obendrein sind wir schon sehr lange befreundet.
Deftones – “Sextape”
motor.de: Chino hat kürzlich in einem Interview seine all time favorite-Platten vorgestellt. Darunter ein Werk von „Girls Against Boys“, einer Shoegaze-Band aus New York mit zwei Bassisten. Wäre das auch eine Konstellation bei den Deftones, falls Chi eines Tages zurück kehrt?
Sergio Vega: Interessante Frage. Mit “Xerces” gibt es bereits jetzt einen Song, bei dem Steph die zweite Bass-Gitarre spielt. Aber ich spiele auch Gitarre, Keyboard, singe und mache DJ-Kram, so dass ich immer hin und her wechseln könnte. Darüber hinaus haben wir ja schon auf “Diamond Eyes” die üblichen Rollenmuster was Gitarre und Bass angeht über Bord geworfen. Da Steph eine achtsaitige Gitarre und somit auch sehr tiefe Töne spielt, wechsele ich am Bass teilweise in die Rolle des Gitarristen. Außerdem denke ich sehr melodisch, was sich auch auf meine Art zu spielen überträgt. Dadurch schaffen wir eine ganz eigene Dynamik.
motor.de: Hast Du so etwas wie eine all-time-favorite-Platte?
Sergio Vega: Das ist schwierig, da ich sehr viele verschiedene Genres mag. Aber da wir vorhin von Shoegaze sprachen, würde mir spontan “Isn’t Anything” von My Bloody Valentine einfallen. Die Band ist definitiv einer meiner größten musikalischen Einflüsse.
motor.de: Wann wird “Eros” das Licht der Welt erblicken?
Sergio Vega: Momentan gibt es bei uns so etwas wie zwei nebeneinander existierende Realitäten. Bis Chi aufwacht, wollen wir genießen, was wir momentan haben und weiter mit “Diamond Eyes” touren. Die Existenz des Albums ist ja auch dem Unfall und der Entscheidung geschuldet, zunächst an neuem Material zu arbeiten. Darüber hinaus hoffen wir aber natürlich, dass Chi zurück kehrt und “Eros” endlich veröffentlicht werden kann.
motor.de: Die meisten Reaktionen auf “Diamond Eyes” waren ja sehr positiv. Einige Stimmen sagen aber auch, dass man dem Album anhört, dass es in sehr kurzer Zeit entstanden und weniger experimentell geraten ist als seine Vorgänger. Würdest Du dem zustimmen?
Sergio Vega: Was Songstrukturen und Arrangements angeht, finde ich “Diamond Eyes” durchaus experimentell. Und eigentlich auch was die Sounds angeht. Nimmt man “experimentell” dagegen als Euphorismus für “abstrakt”, dann ist mir dieses Attribut gar nicht so wichtig. Aber hör’ dir zum Beispiel einen Song wie “Diamond Eyes” an, dessen Refrain gleichermaßen eingängig als auch heavy ist. Sich auf diese Art und Weise zu pushen, finde ich durchaus experimentell und herausfordernd.
motor.de: Hast du einen Lieblingstrack auf “Diamond Eyes”?
Sergio Vega: Nicht wirklich, da ich selten zuvor ein Album als Ganzes so sehr mochte. Ich sehe die Platte als eine Geschichte. Der erste Song, den wir gemeinsam in Sacramento schrieben war “Royal”. Nach und nach kamen dann die anderen Tracks dazu bis unser Produzent Nick meinte: “Stop! Es wird Zeit, ins Studio zu gehen”. Ich höre den Songs an, was alles in kürze der Zeit passiert ist, in der das Album entstanden ist. Meine schnelle Integration zum Beispiel und deshalb sind mir alle Songs sehr wichtig.
motor.de: Arbeitet ihr bereits an neuem Material?
Segio Vega: Ich würde sagen, wir befinden uns derzeit in den Vorbereitungen dafür. Wenn wir z.B. Soundcheck machen, spielt jemand neue Ideen und die anderen springen auf und jammen mit. Wir sind jedenfalls heiß darauf, an neuen Sachen zu arbeiten.
motor.de: Du warst in den 1990er Jahren Bassist bei Quicksand. Hast du noch Kontakt zu Walter Schreifels (heute Frontmann der Rival Schools – Anm. der Redaktion)?
Segio Vega: Oh ja. Wir haben uns vor kurzem zufällig in einem Hotel in London getroffen. Walter hat mit den Rival Schools die Nacht vorher dort gespielt und wir haben dann nach unserer Show zusammen abgehangen. Außerdem leben wir beide noch in New York, so dass es schon des Öfteren vorkommt, dass wir uns auf der Straße treffen.
motor.de: Magst du die Sachen, die er heute mit den Rival Schools macht?
Sergio Vega: Auf jeden Fall. Sowohl musikalisch als auch menschlich schätzen wir einander sehr. Wir haben auch für einige meiner Solo-Sachen zusammen gearbeitet. Alle ehemaligen Quicksand-Mitglieder sind immer noch eine Art Familie für mich.
motor.de: Zurück zu den Deftones: Was sind generell eure Pläne für 2011?
Sergio Vega: Vor allem eine Menge touren und soviel aus dem Album heraus holen, wie irgendwie möglich ist. Auch wenn es bereits einige Zeit draußen ist, fühlt es sich immer noch sehr frisch an und wir haben einfach viel Spaß daran, es live zu performen. Es gibt immer etwas zu tun und wir sind zurzeit hoch motiviert. Auch das ein oder andere Video wollen wir noch drehen. Und wie du bereits angesprochen hast, ist da ja auch noch ein fertiges Album, das darauf wartet, veröffentlicht zu werden.
Thomas Kasperski
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