Bei dem ersten Konzert nach seiner Krebs-OP rockte Sänger Dave Gahan gestern das Zentralstadion in Leipzig. Depeche Mode lieferten bei ihrem Auftakt der Deutschland-Tour ein energiegeladenes Spektakel der Extraklasse.
Die Fans warten ungeduldig und wirbeln ihre Arme durch die Luft. Um 21.05 Uhr gehen die Monitore an, Depeche Mode betreten die Bühne. Frontmann Dave Gahan platziert sich mit dem Rücken zum Publikum und die Band eröffnet ihre Show mit „In Chains“. Die Masse tanzt, klatscht und feiert das Comeback ihres Dave Gahan. Die Frage, ob der 47-Jährige gesund ist, beantwortet sich spätestens im darauf folgenden Song „Wrong“, der ersten Singleauskopplung aus Depeche Modes neuem Album „Sound Of The Universe“. Gahan ist in schwarz-weiß als Stempeldruck auf den Riesen-Leinwänden zu sehen und seine Mimik verrät, dass er die Show genießt. Die ärztliche Ruheverordnung scheint geholfen zu haben. Er wirkt erholt.
Der Frontmann war Anfang Mai unmittelbar vor dem Konzert in Athen mit einer schweren Magen-Darminfektion ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Diagnose eines bösartigen Blasen-Tumors zog eine Reihe von Konzertabsagen nach sich. Nachdem der Tumor in einem New Yorker Krankenhaus erfolgreich entfernt wurde, feiern Depeche Mode an diesem Abend beim verspäteten Auftakt der Deutschland-Tour ihr großes Comback.
Voller Elan schmettert Gahan einen Hit nach dem anderen und entledigt sich bereits nach dem dritten Song seiner Lederjacke. Sichtlich groß ist die Freude der Fans über den alten Hit „Walking In My Shoes“ (1993), bei dem der Sänger ausgelassen auf der Bühne performt, den Mikrofonständer in die Luft reißt und flotte Tanzeinlagen hinlegt. Auch in „It’s No Good“ demonstriert er seinen berühmten Hüftschwung. Die Keyboard-Parts der 1986er Single „A Question of Time“ bringen nicht nur die Masse zum Beben, sondern bewegen auch den Sänger zu wilden Pirouetten. Ein Luftkuss an das Publikum nach „Fly On The Windscreen“ demonstriert seine Dankbarkeit.
Man staunt über seine unglaublich gute Verfassung. Keine Anzeichen von Erschöpfung. Und dennoch gewährt man ihm eine kurze Pause, als Martin Gore bei „Jezebel“ ein Gitarrensolo auf dem beleuchteten Bühnensteg hinlegt und mit „A Question Of Lust“ für laute Jubelschreie und Gänsehaut seitens des Publikums sorgt. Bei Gahans Rückkehr auf die Bühne, schwingt er die Arme und erstrahlt in neuem Glanz. Obwohl an dieser Stelle deutlich wird, dass die neuen Lieder sich live erst noch bewähren müssen und eine andere Wirkung beim Publikum erzielen, überzeugt der Wave-Sound der britischen Band in jeder Minute. Depeche Mode gelingt die Mischung aus „Sound Of The Universe“- Songs und alten Klassikern. Der Gesang der Masse bei der Zeile „This Is The Morning Of Our Love“ („I Feel You“) wirkt fast lauter als Gahans Gesang und ihr Sound erfüllt das gesamte Stadion.
Immer wieder unterstützen auch die Visuals auf den großen Video-Leinwänden die transportierten Emotionen. Bei ihrer aktuellen Single „Peace“ laufen schwarz-weiß-Bilder von Friedensbewegungen und Woodstock sowie Atomtests und Kampfflugzeugen. Zusammen mit den heftigen Drums erzielen sie eine überwältigende Wirkung beim Publikum. Bei „Policy Of Truth“ tauchen nicht nur auf den Displays, sondern auch in den vorderen Reihen des Publikums bunte Luftballons auf. Das Highlight der gesamten Show liefern Depeche Mode dann mit „Enjoy The Silence“, bei dem die Musiker als Astronauten auf den Leinwänden erscheinen. Die Masse erhebt sich von ihren Sitzen und als das Keyboard-Solo ertönt, tänzelt Dave Gahan auf dem Bühnensteg nach vorn. Seine ungebrochene Präsenz bestätigt sich auch bei „Never Let Me Down Again“, bei dem er in nacktem Oberkörper sichtlich den Moment genießt, auf der Bühne stehen zu können, während tausende Menschen mit ihren Armen winken.
Nach anderthalb Stunden Performance verlässt die Band erstmals die Bühne, um wenig später mit alten Hymnen zurückzukehren. Zugaben wie „Stripped“, „Master and Servant“ oder „Strange Love“, bei dem die Leinwände das Liebesspiel zweier Frauen offenbaren, treffen auf frenetischen Applaus, der in einer weiteren Bühnenrückkehr von Depeche Mode mündet. Dem von schrammelnder Gitarre und Drumgewitter begleitetem „Personal Jesus“ folgt das ruhige Duett „Waiting for the Night“. Nur vom Keyboard begleitet, hinterlassen Gore und Gahan die 40.000 Fans in schwelgender Atmosphäre.
Text: Jasmin Hollatz
Fotos: Jasmin Hollatz / Teresa Träumer
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