Politik, „Fans“ und „Popstar“ – da wächst zusammen, was nicht zusammengehört. 

Rock ’til you drop – manchmal auch wörtlich zu nehmen!  

Man hört dieser Tage allenthalben, die Popkultur sei in die Politik eingekehrt, natürlich geht es um Guttenberg, der dann auch prompt der „Popstar“ der deutschen Politik sei. (Oder zumindest gewesen sei.) Fest macht man das daran, dass er nicht an Leistung gemessen würde, sondern an seinen „Fans“. Und daran, dass er selbst Fan von AC/DC sei. Das wiederum gehört zu den Gründungsmythen der Volksnähe, die man dem Bierzelt-tauglichen Adligen denn auch gleich mit zugesteht.

Es passiert immer mal wieder, dass irgendjemand, der mit Musik im engeren Sinne absolut nichts zu schaffen hat, zum Popstar oder wahlweise Rockstar ausgerufen wird, einfach nur, weil eine gewisse kritische Popularitätsgrenze überschritten ist, was man im sonstigen Schaffensumfeld normalerweise nicht voraussetzt und weil er irgendwie „anders“ erscheint. Nun ist der Begriff der Popkultur recht schwierig zu fassen und – trotz enger Nähe – keinesfalls nur an Popmusik gebunden. Es gibt ein breites soziologisches und kulturtheoretisches Diskussionsfeld, das sich dem Begriff nähert. Verknüpft ist dieser dabei immer mit Popularität und Massenappeal, mit der Beschreibung des sehr zwiespältigen und hochkomplexen Beziehungsgeflechts von künstlerischer Avantgarde zum Mainstream, des Wechselspiels von jeweils größtmöglicher Abgrenzung und Vereinnahmung. Spätestens seit Adorno ist ein gediegenes Theoriefundament eigentlich unabdingbar, um – und wir lassen die Witze über wissenschaftliches Arbeiten hier mal raus – das Phänomen Popkultur theoretisch zu fassen zu bekommen.

Finde die sieben Unterschiede zwischen “DJ” Guttenberg …

Man muss aber gar nicht so tief graben, um zu erkennen, dass Popkultur nicht allein deshalb im Spiel ist, weil jemand populär ist. Und dass man sich gegen die allumfassende Gelegenheitseinverleibung des Popkultur-Begriffes verwahren sollte. Denn hier geht es nicht um „Pop“, sondern um „Boulevard“. Bild und Gala sind aber nunmal keine Medien der Popkultur – auch wenn sie es gern wären. Im Gegenteil, mit dem grundlegenden Handwerkszeug der Popkultur – Distinktion und ästhetisch fundiertem Urteilsvermögen, also „Geschmack“ – ausgerüstet, hätte schon sehr früh jeder erkennen können, was jetzt auch offiziell bestätigt ist, dass man nämlich auch einfach nur ein „Blender“ sein kann. Denn aus dem Blickwinkel der Popkultur nichts anderes als Fremdschäm-Anlässe sind die medial gern verbreiteten Gelegenheiten, bei denen man einen Guttenberg im konkreten Pop-Zusammenhang erleben konnte; sei es das Mitschunkeln beim Besuch einer AC/DC-Coverband (inklusive des drübergezogenen unglaublich uncoolen Bandshirts). Oder gar, wenn man Guttenberg am DJ-Pult sieht, im Wahlkampf hindrapiert von der Jungen Union und unbeholfen „mitrockend“, zumindest in den Momenten, wenn er sich erinnert, dass man das wohl so tun müsste als „DJ“. Nur, wer noch nie in seinem Leben einen echten Club von innen gesehen hat, wird hier nicht unangenehm berührt sein; man könnte das den Naddel-Effekt nennen, nach der Exploitation-Queen derlei Peinlichkeitspotenzials.

… und “DJ” Nadja Abd El Farrag. (Okay, es gibt nur zwei.)

Zu einem „Star“ gehören auch „Fans“. Konsequenterweise werden – wenn man denn die Popkultur als Begrifflichkeit heranzieht – Menschen, die einen „Polit-Popstar“ gut finden, denn auch gern pauschal als solche bezeichnet. Auch diese Überhöhung ist nüchtern betrachtet deplatziert. Es wird sicher den einen oder anderen echten Fan geben, jemand, der mit Leidenschaft dabei ist, der Zeit und Mittel in Devotionalien und Hinterherreisen investiert, der sich in sein Fan-Thema sehr tief hineingräbt und über außergewöhnliches Wissen dazu verfügt. Aus einer Mehrheit in Meinungsumfragen lässt sich derlei Fankultur nicht ableiten. Auch die in diesem Zusammenhang angeführte unkritische Verehrung ist nicht wirklich ein schwergewichtiges Argument, denn bei aller grundsätzlichen Verbundenheit mit dem „Star“ und dessen Verteidigung gegen Anfeindungen ist die ständige Auseinandersetzung mit dessen Tun eben keineswegs per se alles akzeptierend. Im Gegenteil, jede Band mit halbwegs solider Fangemeinde kann ein Lied davon singen, wie anstrengend es werden kann, wenn deren Erwartungen mal nicht erfüllt wird. Gern auch aus den nichtigsten Anlässen, wie zum Beispiel Justin Bieber gerade erfahren durfte, als er sich plötzlich eine neue Frisur zulegte. (Wobei man sich herrlich streiten könnte, ob ein Frisurenstreit nicht vielleicht doch extrem Popstar-relevant ist.)

Der Popkultur selbst tut der inflationäre Umgang mit ihrem guten Namen und ihrem Begriffsapparat nicht gut, schon, weil so noch verwaschener wird, was sie denn wirklich ausmacht und weil bei allem Massenbezug eben doch Distinktionsmerkmale benötigt werden. Das mag von außen betrachtet mit vollem Recht als unwichtig erscheinen, aber da gehts dem Popdiskursler wie dem Wissenschaftler: Er ist nicht erfreut über die Aufweichung seiner Standards.

Augsburg