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Der Ringer im Interview

(Foto: Tammo Kasper)

Der Ringer: das sind Jannik Schneider, Jakob Hersch, Benito Pflüger und das Geschwisterpaar David und Jonas Schachtschneider. Für das Interview hatten Jakob und Jannik von der Ringer Lust auf Kaffee und Kuchen, wo wir von motor.de doch auf eine Raucherecke und Wein gehofft hatten. Aber gut, die Hamburger Jungs sollten sich wohl fühlen. Und das tat die selbst ernannte Soft-Punkband offensichtlich auch, und erzählte munter über Träume, Ideen und die Herausforderung ein Berliner Publikum in ihren Bann zu ziehen.

motor.de: Wir haben ein paar Meinungen zu euch eingeholt, zu denen ihr gerne was sagen dürft. Natürlich haben wir nur die besten mitgebracht. Meinung #1: "Schnösel Postpunk"?!

Jannik Schneider: Also manchmal bin ich auf jeden Fall ein Schnösel, das kann ich gar nicht leugnen. Aber das ist ein blöder Vergleich, uns als Spießer zu bezeichnen.

Jakob Hersch: Ich bin überhaupt kein Schnösel, in keinster Weise. Was heißt schon Schnösel? Das man manchmal hedonistisch lebt?!

motor.de: Meinung #2: "Pseudointellektueller Punkpop"?!

Jannik Schneider: Ich glaube, ich gebe mir keine große Mühe, mit Absicht Fremdwörter in Texte einzubauen – das könnte man mit „pesudointellektuell” bezeichnen. Aber ich schreibe schon gerne Texte, die anspruchsvoll sind.

motor.de: Meinung #3: "Das sind doch bestimmt Hamburger"?!

Jakob Hersch: Echt? Das hat jemand gesagt?! 

Jannik Schneider: Ja klar! Aber wenn irgendjemand hört, dass man aus Hamburg kommt, da heißt es immer gleich "Hey, das ist Hamburger Schule".

Jakob Hersch: Das liegt auch daran, dass in Hamburg gerade wieder so einiges passiert. Jetzt gerade mit Euphorie, also „Trümmer” und „Zucker”. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir auf Hochdeutsch singen? Kann das sein?

Jannik Schneider: Wie wäre es mit einer sächsischen Punkband, da sagt dann jeder "Die kommen doch bestimmt aus Sachsen."

motor.deIn einem anderen Interview kommt ihr darauf zu sprechen, dass euch Punkrock und Postpunk total geprägt hat. Uns würde interessieren, welche Bands euch da faszinieren?

Jakob Hersch: Das ist immer eine gefährliche Frage. Also was heißt geprägt?! Wir hören alle fünf unfassbar verschiedene Musik. Uns war der musikalische Aspekt immer zu wichtig, als dass wir sagen würden: „Hey, wir sind jetzt ´ne Punkband.“ Das hätte uns relativ schnell gelangweilt. Plakative Texte schreiben, mochten wir nie.

Jannik Schneider: Ich versuche, seitdem wir die EP herausgebracht haben, den Genre-Begriff Soft-Punk zu etablieren, falls du das unterstützen willst?!

motor.deNa klar, das etablieren wir sofort! Jetzt habt ihr aber gut von der eigentlichen Frage abgelenkt: also haben euch keine bestimmten Bands geprägt?

Jakob Hersch: In meiner Kindheit habe ich immer Rio Reiser gehört und später ist Tocotronic dazu gekommen. Tocotronic gucken wir musikalisch aber nicht besonders viel ab. Die finde ich eher als Menschen sehr angenehm und ich mag deren Haltung sehr gerne. Man kann unseren musikalischen Hintergrund also gut zurückverfolgen. Und dadurch, dass wir alle unterschiedliche Musik hören, bringt jeder seine persönliche Stimmung in die Musik.

motor.deSo, jetzt mal weg von der Musik und hin zum Touralltag. Habt ihr Super-Secret-Tour-Einschlaftipps?

Jannik Schneider: Ich gehe meistens sehr spät ins Bett. Da erledigt sich das von selbst.

Jakob Hersch: Jannik kommt immer als Letzter und weckt dann wieder alle auf.

Jannik Schneider:  Mit meiner Taschenlampe.

Jakob Hersch: Wir haben alle ein total unterschiedliches Tourverhalten, das ist ganz witzig. Die einen bleiben immer zu Hause und die anderen gar nicht. Zu Hause heißt, wir haben in jeder Stadt Freunde, bei denen wir unterkommen und es ist immer total schön. Dann kocht man zusammen, die Freunde zeigen einem die Stadt oder man macht eine Kneipentour. Und zum Einschlafgeheimnis: Alkohol trinken.

Jannik Schneider: Und Computerspielen: Legend of Zelda, Ocarina of Time. Das habe ich in meiner Kindheit gespielt und ich habe jetzt einen Simulator für meinen Computer, das heißt, ich kann so tun, als wäre mein Laptop ein Nintendo 64. Das ist auf jeden Fall emotional.

motor.deDie Einschlaftipps waren natürlich nur wichtig, damit ihr uns von euren letzten Traum erzählen könnt. Denn bekanntlich sagen Träume ja eine Menge über den Charakter aus.

Jakob Hersch: Vorletzte Nacht habe ich mit Benito in einem Bett geschlafen und wir lagen da eng umschlungen und ich bin morgens aufgewacht und war noch etwas im Delirium, da dachte ich Benito wäre meine Freundin und ich hätte ihn fast geküsst.

motor.deDas ist doch kein Traum!

Jannik Schneider: Ich habe vorletzte Nacht geträumt, dass ich mit Jonas aus der Band im Auto von meinem Vater saß. Der ist sehr schnell Auto gefahren, was er im richtigen Leben nicht tut. Dann sind wir ausgestiegen und  waren an einer Raststätte. Dort habe ich angefangen, mich mit Jonas zu raufen, aber ich konnte mich nicht bewegen und er hat mich total platt gemacht.

motor.de Also vertraust du Jonas nicht?

Jannik Schneider: Doch, ich vertraue Jonas. Ich gehe oft auf die Seite "traumdeuter.de". Da sind spannende Sachen dabei. Wie war das nochmal? Zähneausfallen?

motor.deVerlustangst.

Jannik Schneider: Das habe ich noch nicht geträumt.

Jakob Hersch: Dazu kann ich dir den Film „Waking Life” empfehlen. Das sind viele kleine Kurzstorys: da gehts um einen Typ, der nicht aufwachen kann und immer wieder einschläft und in jedem Traum hat er eine philosophische Diskussion. Jede Szene ist von einem anderen Künstler nachgemalt, das sieht total abgefahren aus.

Jannik Schneider: Du bringst uns total aus dem Konzept mit der Film-Rezension.

motor.de: Ja voll, aber dann bleiben wir doch kurz beim Film, zu welchem Film könnt ihr euch "der Ringer" als Soundtrack vorstellen? 

Jannik Schneider:  Das sind eigentlich so Fragen, über die man sich selber schon hätte Gedanken machen müssen. Ich mag sehr gerne traurige Filme. Aber keine Dramen, sondern so richtig traurig. Es gibt zum Beispiel diesen „21 Gramm“ und „Amores Perros“, das ist mein Fall. Das würde bei manchen Liedern echt gut passen. 

Jakob Hersch: Bei uns sind Text und Musik schon so bilderreich, dass es überhaupt keinen Sinn machen würde, sie in Filmen unterzubringen. Unsere Lieder unterstreichen keine Stimmung, sondern bilden Stimmung.

Jannik Schneider: Also, was ist denn jetzt die beste Antwort auf deine Frage? Es gibt einen ganz tollen, aber der Vergleich wäre doof. Nee, das sag ich nicht.

motor.deRaus damit!

Jannik Schneider: Wenn wir den Gesang streichen und nur die Musik hätten, würden natürlich sowas wie…nee, ich sag's nicht. Sagen wir ein Film, der bei dem Sundance Film Festival laufen würde. Intellektuell anspruchsvoll. 

motor.deJa, das passt zu euch.

Jannik Schneider: Auch ein bisschen traurig, aber nicht so traurig dass man weint. Sondern eher, dass man melancholisch wird.

motor.de: Lassen wir das jetzt einfach so stehen.

Jannik Schneider: Sagen wir „Gravity”.


(Foto: motor.de)

motor.de: Jetzt endlich zurück zur Musik: Bestes Album 2014? Bei wem sollten wir dieses Jahr ganz genau hinhören?

Jakob Hersch: Ich hätte gerne „Warpaint” gesagt, aber das hat mich dann doch nicht so geflasht. 

Jannik Schneider: Oh doch, das „Warpaint“ Album, das ist auf jeden Fall ein guter Vorreiter. Es gibt 'ne EP von so 'nem Typen – ich glaube der kommt aus Amerika – der heißt Todd Osborn. Auf der EP sind fünf Songs drauf, die sowohl richtig harte Club-Techno-Musik ist, aber dann wieder so Disco-Kram auf dem anderen Song.               

Jakob Hersch: Dann fahre ich eine andere Sparte und sage: „Cloud Nothings – Psychic Trauma“, die machen Punk und die sind viel punkiger geworden als beim letzten Album und deswegen werden sich damit NICHT durchstarten. Damit haben sie ihr Publikum wieder etwas eingeengt, es wird mehr rumgeschrien. 

motor.deNun, heute spielt ihr in Berlin und der Berliner ist bekanntlich sehr schwer mitzureißen. Wie schafft ihr es, das Publikum in euren Bann zu ziehen?

Jannik Schneider: Wir sind sehr laut! Wir haben einen Live-Side-Chainer dabei, der Benito ist Profi im Live-Side-Chainen. Das heißt, wenn ein Ton ganz schnell laut wird und dann wieder leise.

Jakob Hersch: Wir haben doch sehr viel Energie, die wir nach außen tragen. Gestern waren die Leute begeistert, das hat uns sehr gefreut.

motor.de: Wollt ihr noch was zum Keine Bewegung Sampler sagen?

Jannik Schneider: Ganz toller Titel. Keine Bewegung, finde ich schön! Für den Sampler sind wir ganz schnell ins Studio, haben den Song ganz anders aufgenommen, als bei der letzten EP. Wir haben fast jedes Instrument live aufgenommen und haben das an einem Tag durchgezogen. Bei der EP dagegen, haben wir uns sehr viel Zeit genommen. Und inzwischen sind wir eher auf der Live-Aufnahme-Schiene, sonst bleibt zu viel Energie auf der Strecke. Ansonsten, tolle Bands drauf. Es ist schön mit so vielen tollen Bands auf einer Platte zu sein und es ist auch schön dass es auf Platte raus kommt.

Jakob Hersch: Gerade mit so Sachen wie Ja, Panik. Ich habe mir die neue Platte noch nicht angehört, aber die letzte hat mich umgehauen. Da habe ich schon ein bisschen geweint. 

Jannik Schneider: In deinem Schnöselhemd.

Jakob Hersch: Die Tränen sind über meinen Hemdkragen gekullert. 

Jannik Schneider: Da sitzen wir dann auch in Wilhelmsburg, in unserer echt schnöseligen Wohnung und weinen zusammen.

Jakob Hersch: Ja, wir wohnen tatsächlich alle zusammen. Also Jannik, Jonas und ich, wohnen zusammen. 

motor.de: No way, kann sich motor.de zum Essen einladen?

Jannik Schneider: Ja, komm mal vorbei. Wenn du klingelst, müssen wir allerdings aus dem vierten Stock runter kommen, weil man die Tür nicht öffnen kann.

motor.deJa toll, noch ein schöner Abschlusssatz?

Jannik Schneider: Oonagh ist 'ne tolle Band.

motor.de: lol

(Julia Knörnschild)

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