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Schon längst hat sich der Sommer als Kinosaison für die gesamte Familie etabliert, wo große Mainstream-Produktionen wie “Harry Potter” oder “Shrek” sich an die großen wie kleinen Zuschauer gleichermaßen wenden. Dass damit die Ferienzeit automatisch besonders friedlich würde, bedeutet das allerdings überhaupt nicht. Zumindest nicht für das Geschehen auf der Leinwand. Die amerikanische Zeitschrift Entertainment Weekly zählt gerade wöchentlich die Leichen dieses Kinosommers, und schon Ende Mai (also bevor die Saison wirklich angefangen hatte) kam man dort grob geschätzt auf 15.776 Tote. Das war zwar in erster Linie der Zombie-Fortsetzung “28 Weeks Later” (startet bei uns Ende August) zu verdanken, wo es gleich ganze britische Landstriche dahinraffte. Aber auch in den kommenden Wochen dürfte die Zahl noch erheblich steigen.
Allein in den deutschen Kinos wird in dieser Woche gestorben, was das Zeug hält. Zumindest von Quentin Tarantino hatte man kaum etwas anderes erwartet, und so nimmt sich sein neuer Film “Death Proof” das Ableben gleich im Titel zum Motto. Die Story ist schnell erzählt: ein durchgeknallter, aber sehr lässiger Ex-Stuntman macht mit seinem flotten Totenkopf-Flitzer Jagd auf junge Mädchen. Eine Clique hat dabei weniger Glück als eine andere, die sich den Kerl ihrerseits ordentlich vorknüpft. Das Ganze ist natürlich eine Hommage an billiges Trashkino aus den Siebzigern (inklusive schlechter Bildqualität, Farbausfällen etc.) – und trotzdem reinster Tarantino. Mit Kurt Russell ein wieder belebter Altstar in der Hauptrolle, obskur-coole Musik auf dem Soundtrack, eine gute Portion Gewalt und Dialoge zum Niederknien. Wer von belanglosen Mädchengesprächen schnell genervt ist, könnte in “Death Proof” ein Problem bekommen, zumal in der deutschen Synchronisation. Aber die Mädels (etwa Rosarion Dawson, Sydney Tamiia Poitier oder die wunderbare Zoe Bell, die in „Kill Bill“ noch Uma Thurmans Stuntdouble war) sind einfach der Hammer – vor allem wenn sie am Ende der Girlpower freien Lauf lassen.
Die ein oder andere kommt also mit heiler Haut davon, doch das gilt in dieser Woche nicht für jeden.
In “2:37” gibt’s zwar nur einen Todesfall zu vermelden, doch der ist dafür der eigentliche Existenzgrund des gesamten Films. Das australische Drama beginnt nämlich mit einem Selbstmord auf dem Schulklo, und bevor man erfährt, wer sich das Leben genommen hat, wird erzählt, wie der Schultag bis dahin verlaufen ist. Und man merkt schnell, dass so ziemlich jeder Schüler einen Grund gehabt hätte, sich umzubringen. Das alles ist von den jungen Schauspielern sehr überzeugend gespielt, doch die Story trägt so dick auf, dass es nur noch effekthascherisch wirkt. Vor allem aber ist ärgerlich wie dreist Regisseur Murali K. Thalluri stilistisch bei Gus van Sants grandiosem “Elephant” abkupfert, ohne je an das Vorbild heranzureichen.
Ebenfalls mit nur einer Leiche begnügt sich “Sterben für Anfänger”. Frank Oz (der Mann, der sowohl Yoda als auch Miss Piggy war) will mit seiner britischen Komödie gerne beweisen, dass es nirgends amüsanter ist als auf Beerdigungen. So recht will ihm das aber nicht gelingen, denn streitende Erben sind nicht sonderlich originell. Und alberne Gags über Behinderte, Schwule und LSD-Trips alles andere als lustig!
Auf einen höheren Bodycount schielt unterdessen “Motel”. In besagter Herberge strandet ein gerade in der Scheidung befindliches Ehepaar (Kate Beckinsale und Luke Wilson, sehr passend besetzt), dessen Auto irgendwo im Niemandsland liegen bleibt. Als die beiden in der schrabbeligen Absteige Videos entdecken, auf denen vorherige Motel-Gäste brutalst abgeschlachtet werden, bekommen sie es mit der Angst zu tun. Zu Recht – und natürlich zu spät! Wirklich innovativ mag sich die Handlung nicht anhören, doch sie ist so effektiv umgesetzt, dass man sich darüber nicht beschweren mag. Im Gegenteil ist es absolut zufrieden stellend, dass hier nicht dem angesagten Torture-Porn hinterher gejagt, sondern schlicht und einfach der bisher spannendste Film des Jahres erzählt wird.
Das Verhindern von Todesfällen steht dagegen im Mittelpunkt von “Next”. Nicolas Cage kann darin ein paar Minuten in die Zukunft sehen, weshalb das FBI ihn für eine Zusammenarbeit gewinnen möchte. Das ist leider kompletter Schwachsinn und wirklich nur für diejenigen von Interesse, die akribische Forschungen über die grausamten Cage-Frisuren anstellen möchten. Allen anderen kann man nur wünschen, dass der Herr sein kürzlich erworbenes Schlösschen in Bayern bald abbezahlt hat, damit er seine Drehbücher wieder nach der Qualität, nicht nach der Bezahlung aussuchen kann.
Wer sich von Gevatter Tod nicht die sommerliche Laune verderben lassen will, wird natürlich trotzdem auch bedient. Frankreich schickt in “Kann das Liebe sein?” Sandrine Bonnaire und Vincent Lindon ins Rennen, um sich wider aller Wahrscheinlichkeiten in einander zu verlieben und altes Misstrauen hinter sich zu lassen. Und einen Blick auf Ostberliner Plattenbauten wirft “Du bist nicht allein”, wo sich Menschen ver- und entlieben und überhaupt im Leben ganz schön mit den Beinen strampeln müssen. Auch hier tummeln sich hervorragende Darsteller (Axel Prahl, Katharina Thalbach, Herbert Knaup), was mal wieder beweist, dass Schauspieler es eben doch bevorzugen, auf der Leinwand am Leben zu bleiben. Es steht zu vermuten, dass es den gelben Zeichentrickfiguren in “Die Simpsons – Der Film” ähnlich geht. Aber dazu dann nächste Woche mehr!
Text: Patrick Heidmann
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