Devendra Banhart hat bereits Heldenstatus erreicht. Mit seinem neuen Album “What Will We Be” rüttelt er am eigenen Thron.
Das Berliner Ramones Museum sei ihm in wenigen Stunden ans Herz gewachsen, erklärt Devendra Banhart kurz nach der Begrüßung. Zwar wirkt der schlaksige Querkopf aus Los Angeles wie ein Fremdkörper zwischen Punk und Lederjacke, freut sich aber trotzdem, dass die Interviews zu seinem neuen, sechsten Studiowerk “What Will We Be” an diesem Ort stattfinden. “Ich bin froh wieder in Deutschland zu sein und über meine Musik zu sprechen. Die Gerüchte, ich würde mich von der Presse abkapseln, habe ich allmählich satt“, behauptet ausgerechnet der Mann, der bei seinem letzten Album nur wenige Journalisten an sich heran ließ.
Dies soll sich nun ändern. Und wirklich, schenkt man den neuen Songs nur einen kurzen Moment der Aufmerksamkeit, stellt sich die überraschende Erkenntnis ein: Der Typ mit Dreitagebart und länger Mähne hat Recht – als Heroe des experimentellen Weird-Folks gefeiert, sagt er dem Genre vorerst Lebewohl und präsentiert sich als Musiker für die Massen.
“Ich wollte nach meinem Ausflug mit Megapuss im vergangenen Jahr vieles anders machen und habe mich daher bewusst für neue Wege entschieden.” Für all jene, die die besagten Megapuss nicht mehr im Gedächtnis haben: Es handelt sich dabei um seine Supergroup, welche er zusammen mit Greg Rogrove von Priestbird, Strokes Schlagzeuger Fabrizio Moretti sowie MTV Comedian Aziz Ansari ins Leben rief. Ihr gemeinsames Debüt mit dem Titel “Surfing” öffnete Banhart die Augen und zeigte ihm, was alles möglich sei.
motor.de: Welche Gedanken kamen dir, als du mit Megapuss im Studio und auf US-Tour warst?
Devendra Banhart: “Ich habe mich auf das Projekt eingelassen, nachdem ich mit Fabrizio das Little Joy-Album fertig hatte (Banhart spielte bei zwei Songs Gitarre, Anm. d. A.). Fab ist ein hervorragender Teamplayer und fand viele meiner Ideen für seine Songs super, meinte jedoch, dass die nicht ganz zum ihm passen und weswegen ich es nicht mal selbst versuchen wolle – er würde mich dabei gerne unterstützen. Das Ding war, durch die Zusammenarbeit mit Megapuss lernte ich, wie man über den eigenen Tellerrand schaut.“
motor.de: Klingt, als wäre das vorher nicht möglich gewesen?
Devendra Banhart: “Doch, doch. Aber im Zweifelsfall entschied ich mich immer für Nummer sicher und verwarf zu abwegige Ideen. (überlegt) Ich nenn dir ein Beispiel, was mein neues Album “What Will We Be” angeht: Als ich den Song “Chin Chin & Muck Muck” schrieb, rannte mir ständig der Gedanke durch den Kopf, dass das viel zu weit von dem weg ist, was ich eigentlich mache. Jazz – Devendra, mal ehrlich! – habe ich zu mir gesagt und nachdem die Idee fast verworfen war, griff ich sie wieder auf und brachte sie zu Ende. Das hätte vor zwei, drei Jahren nicht geklappt.“
motor.de: Du wirkst generell aufgeräumter als noch 2005. Damals hast Du im Interview behauptet eine Frau zu sein, weil du ein Mal im Monat Nasenbluten hättest.
Devendra Banhart: “Das war ein Scherz, denn die Journalisten hielten mich damals für einen Freak. Ein Typ, der Kleider trägt und einen Frauennamen hat – ich habe mich einfach über diese Rolle lustig gemacht und ihr habt meine sarkastischen Kommentare ernst genommen. (spielt lange am Henkel seiner Tasse herum) Fragt sich also, wer hier verrückt ist?“
Lassen wir die Frage unbeantwortet und halten fest, dass Devendra Banhart mit nicht mal 30 Lenzen auf dem Buckel bereits eine beachtliche Karriere hingelegt hat und dieser mit “What We Will Be” einmal mehr gerecht wird: Dem Weird Folk fügt er mit Bluesrock, Afropop und modernem Jazz reichlich Neuerungen zu und wirkt dabei weder übermotiviert, noch orientierungslos. “Ich hasse den Spruch eigentlich, aber die neuen Songs fühlen sich für mich wie die stärksten an, die ich je geschrieben habe. Was daran liegt, dass ich mich komplett von allem frei machen konnte.“
Es habe diesmal nicht wie beim Vorgänger “Smokey Rolls Down Thunder Canyon” (2007) ellenlange Aufnahme-Sessions gegeben – alles sei sehr schnell von der Hand gegangen. Kaum vorstellbar, denn musikalisch bieten die Songs viel mehr verschiedene Facetten, als sein letztes Studiowerk.
motor.de: “What Will We Be” kann zum einen als Frage gelesen werden – wechselt man aber die Reinfolge der Wörter, ergibt sich die Antwort: “What We Will Be”. Was hat es damit auf sich?
Devendra Banhart: “Es geht um die Frage: Was sind wir? Niemand wird sie jemals beantworten können, außer du akzeptierst, dass du bist, ohne zu wissen, was du bist. Soll heißen, die Frage ist zugleich die Antwort: Wir sind was.“
Hätte man selbst drauf kommen können und weil Banhart es mag, Menschen zu überraschen, gibt er einen letzten Kommentar zur Interview-Location ab: “Die Ramones und ich sind so verscheiden wie Feuer und Wasser – ich glaube, wir hätte eine Menge Spaß gehabt.” Hey Ho Devendra, let’s go!
Marcus Willfroth
VÖ: 27.11.09
Label: Reprise/Warner
Tracklist:
01. Can’t help but smiling
02. Angelika
03. Baby
04. Goin’ back
05. First song for B
06. Last song for B
07. Chin chin & muck muck
08. 16th & Valencia roxy music
09. Rats
10. Maria Lionza
11. Brindo
12. Meet me at lookout point
13. Walilamdzi
14. Foolin’
Devendra Banhart auf Tour:
01.12.09 Berlin – Passionskirche
03.12.09 Hamburg – Fabrik
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