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Es ist Midem und eigentlich ist alles wie immer in den letzten Jahren: Niemand weiß, wie’s weitergeht mit der „Krise der Musikindustrie“. Aber man redet drüber.
Midem: So sehen sie aus, die „Geldmenschen“
„Es ist nicht unser Geschäft, Plastikscheiben zu verkaufen.“ So klingen markige Sätze von gestandenen Musikbusiness-CEOs heutzutage. Geäußert wurde er von Simon Wheeler von Beggar’s Group, einer der wichtigsten und verdienstvollsten britischen Indie-Firmen. Es ist einer der Sätze, die von der eben stattgefundenen Midem – der immer noch bedeutendsten, wenn auch schrumpfenden Musikmesse – in Erinnerung bleiben werden. Gemünzt ist er auf die immer noch dramatisch schlechte Lage im Markt der – wie es so schön heißt – „physischen Tonträger“, also CDs. Es geht um Inhalte, das ist immerhin eine Einsicht, die man nicht uneingeschränkt jedem maßgeblichen Manager der Branche zubilligen mag. Das neue Geschäft soll sein – so das große Thema des Jahres –, dem Konsumenten Musik als Leihgabe zu überlassen. Das Mittel sind sogenannte Streaming-Dienste, die es erlauben, das angebotene Repertoire in Echtzeit und so oft wie gewollt zu hören, ohne die Musik im Regal oder auf der Festplatte archiviert zu haben. Gegen Bezahlung (oder wenigstens die Akzeptanz von Werbung), versteht sich. Das größte unter vielen Problemen: Die Musik muss natürlich lizensiert sein. Und das ist für jeden Anbieter eine Sysiphus-Arbeit. Denn die Rechte für jedwede Musik werden immer noch strikt national geregelt. Es muss also theoretisch für jedes Land ein komplexes Vertragswerk ausgehandelt werden, das festlegt, wer wieviel von welchen Einnahmen wofür erhält.
Dazu passt natürlich der Vorstoß der – in Deutschland hauptsächlich zuständigen – GEMA, die dringlichst eine europäische Verwertungsgesellschaft einfordert – und sich per Kulturstaatsminister Bernd Neumann gleich zum perfekten Vorbild dafür ausrufen ließ. Er hat natürlich nicht angemerkt, dass diese GEMA seit einem Jahr nicht mal in der Lage ist, einen Vertrag mit dem weltgrößten Videoportal YouTube abzuschließen, damit man hierzulande wieder uneingeschränkten Zugang zu Videoclips hat. (Vielleicht würde man es noch 2010 hinbekommen, lässt deren Chef Harald Heker verlauten. Autsch.) Und es ist sicher keine von der Hand zu weisende Spekulation, dass es auch an der auch sonst nicht eben unumstrittenen Gesellschaft liegt, dass es in Deutschland (anders als in Großbritannien, Schweden, Frankreich oder Spanien) einen vernünftig funktionierenden Streaming-Anbieter immer noch nicht gibt.
Natürlich ist „Die Musikindustrie“ immer noch fast so schwerfällig wie seit eh und je. Das schlägt nicht nur den Konsumenten sondern immer mehr auch den Herstellern von Musik – den Künstlern – auf den Magen. Anlässlich der Midem hat sich dazu Radiohead-Gitarrist Ed O’Brien im Videointerview geäußert: „Das Problem ist, dass die Kreativität und der Spaß verloren gegangen sind. Die Musikindustrie wird heute vom Geld bestimmt. Heute führen die Geldmenschen die Musik-Unternehmen. Früher machten das die Kreativen.“ Eine neue Erkenntnis ist das nicht, ebensowenig wie die Ansicht, dass es nicht unbedingt problematisch sei, wenn die Filesharer die Musikindustrie umbringen würden. Denn es geht ja um Musik. Um Musik zum Beispiel von Radiohead, die allgemein als credible Künstler gelten und vor zwei Jahren mit dem genialen Marketing-Coup Aufsehen erregten, ihr Album „In Rainbows“ zum Wunschpreis als Download anzubieten. Jeder konnte zahlen, was er wollte, also auch gar nichts. Damit galten Radiohead als Vorreiter eines neuen Verständnisses von Musikbusiness, als selbstlose Vorreiter und kompromisslose Künstler gleichermaßen.
Radiohead: traurig wie immer
Die weniger offensiv kommunizierte Bilanz ist allerdings ernüchternd. Der gezahlte Durchschnittspreis der offiziellen Downloads lag bei 6 Dollar – wenn man nur die Bezahler als Basis nimmt, der Gesamtwert lag bei 2,26 Dollar. Das sind ca. 1,50 Euro. (Obendrein wurde das Album trotz der freien Verfügbarkeit noch öfter illegal heruntergeladen.) Das rechnet sich als Lebensunterhalt dann vielleicht noch bei einer weltbekannten Band mit jahrelang unter alten Bedingungen erarbeitetem Fanpotenzial – die machen allerdings nur einen Bruchteil der Musikszene aus. Für den Ausweg – O’Brien: Ticket- und T-Shirt-Verkäufe – gilt das sowieso. Zufrieden waren letztendlich nicht mal Radiohead selbst und haben diesen Vertriebsweg ganz schnell wieder begraben. Neue Veröffentlichungen gibts wieder ganz konventionell zum Festpreis.
Und nun? Niemand weiß es wirklich. Es fehlt immer noch die gute, einfache Idee. Ob sie wirklich noch kommt, darf man bezweifeln. Einig scheint man nur darin, dass es die Musikindustrie an sich eigentlich nicht mehr braucht. Denn nichts verdienen geht auch ohne sie ganz passabel.
Augsburg
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