Es ist schon interessant, was im Dezember so für Filme in die Kinos kommen. Weihnachtliche Besinnlichkeit sucht man in diesen Tagen erstaunlicherweise nämlich fast vergeblich, und dafür muss es ja wohl Gründe geben. Das Publikum – so vermuten es zumindest die Filmverleiher – hat zu Hause anscheinend schon genug zu tun mit Glühwein, Adventskränzen und überzuckerten Plätzchen, da sucht es auf der Leinwand wohl eher Ablenkung, am besten der unchristlichen Art.
In dieser Woche jedenfalls verbreitet nur ein Film echte Festtagsstimmung: „Liebe braucht keine Ferien“. Der Last-Minute-Teilnehmer im Rennen um den beknacktesten deutschen Titel des Jahres bietet schöne Menschen in noch schöneren Häusern, die sich verlieben, was so romantisch und authentisch ist wie eine zu heftig geschüttelte Schneekugel. Aber wenn es eine Jahreszeit gibt, in der wir uns solchen mitunter etwas zähen Kitsch gefallen lassen, dann natürlich in der Vorweihnachtszeit. Insbesondere, wenn man dabei noch mit so schönen und talentierten Schauspielern wie Jude Law und Kate Winslet beschenkt wird.
Ein völlig anderes Zuschauerbedürfnis befriedigt dagegen „Apocalypto“. Mel Gibson feiert Weihnachten mal anders, in einer längst ausgestorbenen Maya-Sprache (untertitelt, aber nicht synchronisiert) und ausgesprochen blutig. Der unschuldige Tapir am Anfang des Films bleibt nicht das einzige Wesen, das auf äußerst gewaltsame – und natürlich vollkommen unkoschere – Weise sein Leben lassen muss, aber wer sich lange genug das Gemetzel und den Untergang einer ganzen Kultur anschaut, der entdeckt mit Sicherheit irgendwo eine zutiefst christliche Botschaft. Schließlich handelt es sich hier ja um einen waschechten Gibson.
Weit weg vom Weihnachtsmann ist auch „Eragon – Das Vermächtnis der Drachenreiter“. Ein 15jähriger Schüler namens Christopher Paolini hat vor ein paar Jahren einen Bestseller geschrieben über heldenhafte Bürschchen, böse Herrscher und sprechende Drachen, und weil „Harry Potter“ , Frodo und Co. so viele Zuschauer in die Kinos lockten, versucht man es hiermit einfach noch einmal mit einer Verfilmung. Alles eine Nummer kleiner und eine ganze Spur weniger originell, aber man kann wohl davon ausgehen, dass auch dieses Mal wieder einige Fantasy-Fans ihr Weihnachtsgeld in Kinokarten anlegen werden.
Auch „American Hardcore“ ist ein eher ungewöhnlicher Programmpunkt in der vorweihnachtlichen Freizeitgestaltung, wenn auch vielleicht nicht ganz so deplatziert, wie der Titel vermuten ließe. Denn es geht nicht, wie manches Ferkelchen vielleicht denkt, um explizite Sexszenen (von denen es in diesem Jahr auch manche zu sehen gab), sondern um knackigen Punk. Der Dokumentarfilm blickt zurück auf die musikalischen Anfänge in den amerikanischen Großstädten der späten Siebziger Jahre, mit den Dead Kennedys, Black Flag und anderen. Für Fans mag da vielleicht nicht viel Neues dabei sein, aber wer zum ersten Mal tiefere Einblicke bekommen möchte, wird auf jeden Fall umfangreicher bedient als mit einer CD.
Derweil ersetzt „Peer Gynt“ ein Buch, und zwar das gleichnamige Drama von Ibsen. Ins Kino gehen sollte man dann allerdings wirklich nur, wenn man etwas übrig hat für skandinavische Verse, eine gute Portion Theatralik und vor allem für Robert Stadlober. Der spielt nämlich in dieser vom Fernsehen finanzierten Theater-Verfilmung neben Karoline „Mirabellenmädchen“ Herfurth die Hauptrolle, exzentrisch wie eh und je. Vielleicht hat ja jemand den Film auch schon am 13.12. auf Arte gesehen – dann hat sich die Sache mit dem Kinobesuch ohnehin erledigt.
Wirklich nichts fürs kleine Heimkino, sondern für die große Leinwand ist dagegen „Shinobi“. Eine mitunter atemberaubend anzusehende Mischung aus Historienschinken, Liebesmärchen und Martial Arts-Spektakel, wie man sie wohl nur in Japan hinbekommt. Verliebte Ninjas in der Vorweihnachtszeit – das klingt doch mindestens so verlockend wie beseelte Hirten auf der Spur einer leuchtenden Sternschnuppe. Was übrigens auch für die ebenso realistische wie rührende lesbische Liebesgeschichte in „Looking For Cheyenne“ gilt.
Aber vermutlich führt ohnehin kein Weg daran vorbei, dass bis zum Ende dieses Jahres Kino eine Familienangelegenheit bleibt, die von Alt bis Jung über die Feiertage allen etwas bieten muss. Deswegen darf man ruhig mal einen Blick riskieren auf „Mondscheinkinder“, ein kleines, sehr feinfühliges deutsches Drama über einen todkranken Jungen. Von „Oh je, Du Fröhliche!“ wird dagegen tunlichst abgeraten. Nicht so sehr wegen der viel zu amerikanischen Weihnachtsthematik, sondern hauptsächlich, weil der Film und seine kindlichen Protagonisten richtig nerven!
Patrick Heidmann
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