(Fotos: Off The Record)

Die Nerven sind auf Tour. Erst durch das deutsche Feuilleton und jetzt durch die kleinen Clubs. Und die sind prall gefüllt, hier in Berlin zumindest. Der Andrang ist groß, der Saal ist klein.

Im Sound wie auch in den Texten der Nerven splittern Identitäten und knirschen die Zähne. Das Gefühl der ohnmächtigen Ankunft in einer vordefinierten, aber brachliegenden Welt. Dagegen gibt’s Krach, Krach und "Fun", so der Name der neuen Platte. Ab in den Lärm des Zwanzigplus-seins.

 

Meistens spricht man mit Bands über ein neues Album, wenn es kurz vor der Veröffentlichung steht. Bei euch ist das schon vor fast zwei Wochen gewesen. Wie ist die Resonanz?

Max: Wir haben das Album ja acht Monate, bevor es rausgekommen, ist aufgenommen. Deswegen war die Zeit zwischen der Fertigstellung und Veröffentlichung sehr lang und quälend, weil wir uns die ganze Zeit gefragt haben, ob die Leute das überhaupt geil finden werden. Es ging hin und her zwischen „Das ist das beste Album der Welt“ und „Meine Fresse, was für eine Scheiße, damit schießen wir uns selbst ins Off.“ Es war dementsprechend ein sehr gutes Gefühl sagen zu können: „Okay, jetzt ist das Ding draußen, jetzt können wir auch nichts mehr machen.“

Julian: Es war erleichternd und abschließend, am siebten Februar hab ich mich richtig gut gefühlt. Es waren ja vorher schon Reviews draußen, aber ich fand’s noch mal erleichternd, dass die Platte dann für jeden draußen war und jeder seine Meinung bilden konnte, ganz ohne die meinungsbildenden Instanzen.

 

 

Diese meinungsbildenden Instanzen waren aber eigentlich ganz angetan, oder?

Kevin: Aber so was von!

Max:  … Man kann sich nicht beschweren …

Kevin: Außer vom Musikexpress, das wollte ich hier mal beanstanden! Bist du vom Musikexpress?

 

 

Nein. Wieso, was haben die denn geschrieben?

Kevin: Ja gar nichts!

 

 

Das ist ja noch schlimmer!

Kevin: Dabei lese ich die gerne, tatsächlich.

 

 

Trotzdem gibt es a verschiedene Meinungen, eure Musik scheint zu polarisieren

Kevin: Mir scheint so, als wären sich die Schreiberlinge schon einig, überall werden ein paar Abstriche gemacht, zu wütend, zu depressiv, zu kühl, was weiß ich, aber irgendwie fügt sich das trotzdem zusammen und die Leute finden’s gut. Wir werden ja nur kontrovers diskutiert unter Plattentests.de-Nutzern.

Julian: Ich hab aber das Gefühl, dass das, was sich da in diesem Forum hochgeschaukelt hat, nur eine Folge davon war, dass Jan Wigger uns so gut fand. Die hätten sich sonst wahrscheinlich gar nicht damit beschäftigt.

Kevin: Ich find’s herrlich, dass es so polarisiert. Es wäre unheimlich, wenn es universell gut gefunden würde. Vor allem, weil ich mir einbilde, dass wir recht kompromisslose Musik machen und das kann nicht jedem Gefallen.

 

 

A propos wütend. Euch wird von allen Seiten bescheinigt so wütend zu sein. Handelt es sich bei dieser Wut eher um ein Grundfeeling, als dass ihr die Dinge konkret ansprecht oder könntet ihr da auch explizit werden? Auf welche Dinge seid ihr denn so richtig sauer?

Max: Ich sehe diese Wut gar nicht so sehr. Ich finde, dass wir auf dem Album davor noch viel wütender und extrovertierter waren. Das aktuelle Album ist eigentlich sehr viel nach innen gekehrter, es implodiert eher, als dass es explodiert. Letztendlich ist es gar nicht so eine klassische Wut, die wir zeigen wollen, sondern eine Art Unsicherheit, die wir versuchen in Worte zu fassen. Dieses Gefühl ist eher so ein machtloses „Fuuuck!“

Julian: Ja, so eine Machtlosigkeit, Dumpfheit, Taubheit.

Max: Genau, und man kann das halt schlecht in Worte fassen. Wir versuchen es!

Julian: Was dir im Kopf rumschwirrt wenn du machtlos bist und alles scheiße ist!

Kevin: … als ob man versucht, Ambivalenz zu etwas Definitiven zu machen.

 

 

Da gab es auch einen Kommentar der taz: „Jung, reflektiert und gut erzogen“!

Max: Doch, wir sind auf jeden Fall gut erzogen, was auch ganz gut ist, denn wenn wir so eine Chaotenband wären, würden wir es tatsächlich nicht mehr auf die Reihe bekommen zu touren, weil wir wohl am ersten Abend den absoluten Absturz erleben würden und unser Van gegen eine Leitplanke fahren würde. Dann wären wir raus aus dem Spiel. Dadurch, dass wir auch so viel produzieren – denn wir sind eine Band, die versucht, viel Output zu haben – müssen wir schon eine gewisse Disziplin an den Tag legen und die hat sich schon ein bisschen gelohnt. Wir müssen ja auch miteinander zurechtkommen, wir sitzen eng in einem Bus zusammen.

Julian: … und wir wollen ja Freunde bleiben! Außerdem sind wir alle auch sehr harmoniebedürftig, nehme ich an. Sobald irgendetwas schräg ist, dann sind alle raus…

Max: Sobald einer down ist, dann sind alle down. Es ist ein ganz fragiles Gebilde, was man letztendlich auch auf unsere Musik und die Live-Situation übertragen kann, weil wir echt in einem Dreieck stehen und wenn da irgendwie ein Element ausfällt, dann fallen die anderen zwei auch aus. Es ist immer ein Ding, das kurz davor ist, zusammenzubrechen. Wir versuchen es halt immer aufrecht zu erhalten.

 

 

Das klingt ja, als gebe es live nur 100 % oder, sobald auch nur einer von euch patzt: direkt Totalausfall!

Max: Ja, es ist immer schwierig, da das richtige Feeling zu erzeugen, aber eigentlich funktioniert’s immer. Ich denke, wir sind da diszipliniert genug, dass wir das immer einigermaßen hinbekommen.

 

 

Euch und ein paar anderen jungen Bands wird nachgesagt, in ein politisches Vakuum der aktuellen deutschsprachigen Popmusik zu treten. Daraus wird natürlich sofort eine neue Bewegung oder so etwas wie eine Verbindung gebastelt. Ist das etwas, das sich Musikjournalisten in ihrem kleinen Kosmos ausdenken?

Kevin: Doch, das stimmt schon. Da ist was dran, aber vieles halt auch nicht.

Julian: Es gibt halt Freundschaften und so weiter und es lässt sich schon unter einen Hut kehren, aber letztendlich ist es auch wieder nur von Musikjournalisten ausgedacht.

Max: Wir haben ja keinen kreativen Austausch mit den anderen Bands, sondern jeder arbeitet für sich und macht die Musik, die man für richtig hält. Wenn das in einen Topf geworfen wird, okay, aber es wird jetzt nicht untereinander abgeschaut, in dem Sinne.

Kevin: Es wäre schade, wenn man retrospektiv über eine Bewegung schreiben würde und alle Bands über einen Kamm schert.

Julian: Aber das ist ja immer so!

 

 

Hendrik Otremba von Messer sagte mal in einem Interview ganz ähnliche Dinge wie ihr, also dass da in den Grundzügen schon was dran sei, nämlich eine Art unzufriedenes Bauchgefühl, die „Tendenz zu problematisieren“, was euch mit Bands wie halt Messer oder 206, Zucker, Candelilla verbinden könnte …

Max: Ob wir Dinge problematisieren? Nein, ich versuche nur meine Probleme durch die Musik zu lösen. Funktioniert noch nicht ganz so gut. Letztendlich müsst ich jetzt eigentlich aus allen Wolken fallen. Das ist das, was ich immer wollte, in einem Club zu spielen und ich gucke raus auf eine lange Schlange von Menschen. Eigentlich sollte es total geil sein, aber mich überfordert es gerade!

Kevin: Mir auch! Ich sitze gerade echt auf Kohlen, ich will einfach nur weg hier.

 

 

Ist dieser Andrang neu, also erst seit der neuen Platte?

Max: Ja, das ist erst jetzt, also ab dieser Tour.

 

 

Geile Standardfrage: Ihr seid noch so jung, was kann man von euch in der Zukunft erwarten?

Max: Wir haben Tinte für 20 Bücher im Bauch! Das kannste so schreiben, ist nämlich ein Blumfeldzitat.

Julian: Ich hoffe, dass wir würdevoll altern, musikalisch, wie auch menschlich

Kevin:  … und dass wir nicht bei den Hitgiganten mit Vollplayback auftreten.

Julian: Außer du vielleicht! Als Experte auf dem Sofa vielleicht.

(Marc Augustat)