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Die Toten Hosen

Die Selbstkritik der Woche protokolliert, was wir von Personen oder Institutionen des aktuellen Interesses diese Woche eigentlich hätten hören müssen.

(Foto: Matias Corral)

Wenn Punkrock jetzt also dead ist — was passiert dann eigentlich mit all den Punkrock-Bands? Klar, die Ramones sind tot. Sex Pistols-Guru Malcolm McLaren auch. Nur unsere Hosen — (wir wünschen ihnen ein langes Leben!) — treiben noch ihr musikalisches Unwesen. Nur blöd, dass dieses Jahrhundert bisher so wenig Stoff zur Empörung bietet. Campino erklärte uns seine Sicht der Dinge:

“Ich habe festgestellt, dass Punks im Alter häufig sonderlich werden. Sid Vicious zum Beispiel, Punkrocker der ersten Stunde. Der erstach zunächst seine Freundin Nancy im berüchtigten Chelsea Hotel, entging dank Papa Virgin einer Verurteilung. Dann passierte es: Während der Feierlichkeiten zu seiner Freilassung stiefelt Sid zurück ins Chelsea Hotel, setzt sich eine Überdosis und kippt um. Ironie des Schicksals? Nun könnte man viele Bücher mit solcherlei Anekdoten füllen. Hat man auch schon. Ich werde es lassen und stattdessen fragen: wie soll es denn mir ergehen?

Zum Zeitpunkt seines Todes war Sid Vicious zarte 21. Die habe ich schon zweimal hinter mich gebracht. Und Ende Juni steht die große 50. Die Hosen werden dabei 30 und noch immer ist kein Ende in Sicht. Meine Rechnung lautet: Sid Vicious ist tot und ich nicht. Die Sex Pistols sind in die Geschichtsbücher des Punkrock eingegangen und wir nicht. Heißt das nun, sie Hosen sind weniger wild, weniger skandalös als diese Schockrocker? Gut, was ist schon noch übrig vom Sex, Drugs and Rock’n’Roll der 70er? Diese verdammten 00er lieferten einfach keinen Stoff zur Empörung, zum Punk-sein. Und unser einzig wahres Hassobjekt nimmt uns nun auch keiner mehr ab — seitdem wir dem Bayern-Altstar Jens Jeremies nämlich ein Gratiskonzert in seinem Keller gegeben haben.

Die Toten Hosen – “Tage wie diese”:


Denn — na klar! — Punkrock is dead. Schon länger. Warum sollten wir einem ehemaligen Raubein vom Scheißverein dann nicht auch seine Jugendsünden vergeben? Mich erregt einfach nichts mehr auf dieser Welt. Und auch wenn unsere Jubiläumssingle “Tage wie diese” nach schalem Bier schmeckt — das hier ist nun mal der Rücktritt vom Punkrock, verdammt. Jetzt ist Sense, kapiert’s und hört endlich auf unsere Alben zu kaufen. Vielleicht lassen sie uns dann gehen, Abfahrt, dann häng ich den “Arm aus dem Fenster / das Radio voll an.” Muss schon lange her sein, da haben wir noch Mantafahrern auf den Rücksitz gekackt und mit Angie Merkel über ihre durchzechten Kirsch-Whisky-Nächte in besetzten Häusern geschwatzt.

Doch irgendwann fingen die Mantafahrer an, unseren Namen und Slogan (“Bis zum bitteren Ende”) auf die bekloppten Windschutzscheiben zu kleben. Meine Proleten-Parodien verendeten plötzlich als trockene Rohrkrepierer. Und die Angela ist Bundeskanzlerin geworden. Ich kann auch nicht erklären, warum das alles so kommen musste. Wir sind zwar immer noch da. Wir machen nach 30 Jahren noch immer Musik und es fehlt der Anlass jetzt abzutreten. Das ist die Bürde, die wir tragen. Vielleicht sollten wir uns einfach mal verstreiten und auflösen, zusammen mit Die Ärzte. Als großer Schocker für die Zeitungen, für die Fans. Dann klappt’s womöglich auch wieder mit dem Punk-sein. Hoffentlich.”

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