In Träumen können Utopien Wirklichkeit sein, den bekanntermaßen sind ihnen keine Grenzen gesetzt. Dabei liegt die Sprache der Träume „nicht in Worten, sondern unter ihnen“, so sah das zumindest der Philosoph Walter Benjamin. Wenn die Sprache der Träume unter Wörtern liegt, müsste man sie dann nicht eigentlich in den Songs dieser Welt am besten wiederfinden können? Schließlich verbindet Musik so viele Formen des Seins, das die verschiedensten Ebenen des Menschen offenbart werden. So wirkte bereits das Artwork von Friedbergs Single „Lizzy“ wie aus einer orangeschimmernden psychedelischen Welt herausgepurzelt, und die langersehnte Debüt-EP breitet die träumerische Stimmung nun auf fünf Songs aus. Doch wie gehören Musik und Traum nun wirklich zusammen?

Der Fluss der Worte

Walter Benjamin schrieb 1916 weiterführend: „Die Worte sind im Traum Zufallsprodukte des Sinns, welcher in der wortlosen Kontinuität eines Flusses liegt.“ Wie ein Fluss strömt es auch aus Anna F., der Frontfrau der Indie-Band Friedberg heraus, wenn sie sich hinsetzt, um ihre Gedichte zu schreiben: „Ich schreibe sehr gerne in diesem Halb-Traum Zustand, zum Beispiel wenn ich gerade aufgewacht bin oder kurz vorm Schlafengehen, da bin ich irgendwie in einer komplett anderen Welt. Alternativ schreibe ich auch gerne nach einer langen Partynacht, wenn man irgendwie den ganzen nächsten Tag noch wie in ner anderen Welt lebt.“

In den Medien wird oft auch das Dasein als Musiker*in als traumhaft beschrieben, immerhin wollten 3% der Frauen zwischen 14 und 30 Jahren Sängerinnen werden als Kinder. Bekannterweise erreichen dieses Ziel aber nur wenige auf einem professionellen Level. Anna hatte jedoch bereits als Solo-Künstlerin große Erfolge, ihre Neuerfindung mit ihrer Band hat nun ebenfalls einen  fulminanten Start hingelegt. Doch wie traumhaft ist das Leben als Musikerin, denn am Ende nun wirklich?

„Es ist eine Mischung aus Traum und harter Arbeit. Es sind unfassbar viele schöne und vor allem unerwartete Sachen passiert einfach, weil ich zu Beginn oft noch gar nicht weiß, wo die Reise hingehen soll und dementsprechend viel nach links und rechts schaue, wodurch sich viele Möglichkeiten eröffnen. Ein gewisses Nicht-Wissen gehört für mich zur Realisierung eines Traumes dazu. Aber es ist eben eine Mischung aus diesen schönen Überraschungen und harter Arbeit. Besonders die letzten Monate, wo es um das Fertigmachen der EP ging, waren wirklich vor allem unfassbar harte Arbeit.“

Der Sinn des Träumens

Nun sagt Benjamin jedoch in seinen Notizen auch: „Der Sinn ist in der Traumsprache versteckt nach Art einer Figur in einem Vexierbild“ (Zur Erinnerung: Ein Vexierbild ist ein Bild, das doppeldeutig ist, zum Beispiel die bekannte Zeichnung, in der man einen Hasen und eine Ente sehen kann, je nachdem, wie man es hält.) Wenn man danach geht, dann könnte man sagen, dass die harte Arbeit der wahre Sinn des Traumes ist und nur wer den Betrug erkennt, kann sich der Arbeit widmen und am Ende den Traum verwirklichen.

Zwar empfindet Anna das Musik machen selbst als den besten Part des EP Prozesses, dennoch braucht auch dieser seine Zeit zum Atmen, besonders da Anna die Lyrics, die auch die Grundlage für die Videokonzepte bilden, alleine schreibt: „Musik schreiben geht bei mir relativ schnell, aber die Texte benötigen immer eine halbe Ewigkeit. Manchmal passt ein Gedicht, das ich geschrieben habe, in einen Song hinein, wenn das nicht der Fall ist, mache ich oft das, was einige Künstler*innen, u. a. wohl Grönemeyer machen: Ich singe erst mal in einer Fantasiesprache und suche dann Worte, die ähnlich klingen und aneinandergereiht irgendwie Sinn ergeben.“

Und da wäre er wieder: der Sinn, den Träume und Songs irgendwie gemein haben und doch entsteht er bei beiden nur durch das indivduelle interpretieren – und kann dementsprechend für jeden etwas anderes Bedeuten.

Wovon Anna noch träumt? Mit viel Lachen und der Bitterkeit, die momentan bei diesen Worten nun mal gezwungener Massen mitschwingt, sagt sie: Eine Welttournee – und hoffentlich kann auch dieser Traum bald in Erfüllung gehen.


Friedberg könnt ihr hier auf Instagram folgen und hier geht es zu ihrem grandiosen Album auf Spotify.

Das Walter Benjamin Fragment “Die Sprache des Traums” findet ihr in dieser Ausgabe des Suhrkamp Verlags.

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