Aktuell ist unter Kinogängern ein Phänomen zu beobachten, dass sich vielleicht am besten als „Bond-Kater“ beschreiben lassen könnte. So ziemlich jeder deutsche Filmfan ist – dem Einspielrekord nach zu urteilen – vergangene Woche in „Ein Quantum Trost“ gerannt – und muss nun die Folgen tragen. Die einen sind noch völlig gerädert und trotzdem wie im Rausch, weil der neue 007 das wuchtigste Stück Action war, das es in diesem Jahr (und in der gesamten Bond-Reihe!) zu sehen gab, den anderen dröhnt noch der Schädel, weil für sie alles zu schnell, zu laut und überhaupt nicht Gentleman-like war.
“Zufällig verheiratet”
So oder so könnte ein kleines Gegenmittel nicht schaden, doch im Kino ist dieser Woche nicht wirklich mit Abhilfe zu rechnen. „Zufällig verheiratet“ sieht auf den ersten Blick wie das ideale Kontrastprogramm aus, doch leider ist diese Romantic Comedy weder witzig noch romantisch. Vielmehr dürfte die Geschichte einer Radiomoderatorin und eines Feuerwehrsmannes, die natürlich überhaupt nicht zusammen passen und dann doch beieinander landen, nur noch mehr Kopfschmerzen auslösen. Denn man kann gar nicht anders als den Kopf schütteln, so sehr wundert man sich, warum die wunderbare Uma Thurman sich für so einen uninspirierten Blödsinn hergegeben hat.
“Im Winter ein Jahr”
Auch „Im Winter ein Jahr“ ist nicht recht geeignet gegen Katerstimmung, was in diesem Fall aber nicht an der Qualität des Films, sondern an seiner Thematik liegt. Oscar-Gewinnerin Caroline Link erzählt vom Weiterleben einer Familie nach dem Tod des Sohnes, und ob man nach all der Trauerarbeit, den Rachegefühlen und den Selbstvorwürfen von James Bond gleich wieder so viel emotionale Vergangenheitsbewältigung mit ansehen möchte, sei trotz toller Schauspieler wie Karoline Herfurth und Corinna Harfouch mal dahingestellt.
“Soviele Jahre liebe ich dich”
Entsprechend ist auch „So viele Jahre liebe ich dich“ nur bedingt zu empfehlen. Trauer, Tod und Tristesse nämlich auch hier, als eine Frau aus dem Gefängnis entlassen wird, die früher ihren eigenen Sohn umgebracht hat. Wer aber, womöglich inspiriert durch Daniel Craigs tatsächlich bemerkenswert intensive Bond-Darstellung, auf der Suche nach darstellerischen Höchstleistungen ist, ist dank Kristin Scott Thomas (die zuletzt mehr in Frankreich als in England dreht) hier letztlich doch richtig.
“33 Szenen aus dem Leben”
Vielleicht können ansonsten Zahlenspiele den Kater vertreiben. Immerhin bietet das aktuelle Kinoprogramm sowohl „33 Szenen aus dem Leben“, das deutsch-polnische Porträt einer jungen Frau, die von Julia Jentsch gespielt wird (und übrigens auch mit dem Verlust geliebter Menschen zu kämpfen hat), als auch „88 – Pilgern auf japanisch“, eine Dokumentation, deren Titel auch als Inhaltsangabe dienen kann. Statt Hape Kerkeling sind hier lauter freundliche Buddhisten unterwegs, aber das muss man vermutlich nicht dazu sagen.
“1968 Tunnel Rats”
Schließlich bleibt noch ein weiteres Nummernspiel: „1968 Tunnel Rats“. Wer dieses Mittelchen wählt, um die Erinnerung an „Ein Quantum Trost“ hinter sich zu lassen, greift gewissermaßen zur Schocktherapie. Denn hinter diesem Film über den Vietnamkrieg steckt niemand anders als Uwe Boll – und dessen cineastische Debakel haben noch auf jeden heilsame Wirkung gehabt, der sie sich auf der Leinwand antun musste.
Text: Patrick Heidmann
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