Die afrobritische Sängerin Skin gelangte während der Neunzigerjahre mit ihrer Band Skunk Anansie zu internationalem Ruhm. In diesen Tagen nun legt die charismatische Front-Sirene mit ‘Fake Chemical State’ ihr zweites Soloalbum vor, auf dem sie sich auf alte Tugenden besinnt: Das von Gordon Raphael (The Strokes) produzierte Werk ist ein recht lautes geworden.

Nach dem Ende von Skunk Anansie tut Skin zunächst das, was Sänger erfolgreicher Rock-Bands nach deren Scheitern gemeinhin so machen: Sie nimmt ein introspektives Singer/Songwriter-Album auf. Und verschreckt damit zwar einen Teil der Stammhörerschaft, verkauft jedoch trotz weitestgehender Medien-Ignoranz mehr als man gemeinhin meinen sollte. Natürlich verfolgt sie mit ‘Fleshwounds’, auch das ein Klischee, damals in erster Linie eigentherapeutische Ziele. Hatte sich doch “durch das in Teilen traumatische Ende der Band”, man kennt das aus vergleichbaren Fällen, “eine Menge Frust angesammelt, der raus wollte”. Es gab da wohl so einiges: “Es ist unglaublich, wie bei Spinal Tap, aber wir hatten zum Ende bei Skunk Anansie tatsächlich den gesamten Katalog klassischer Auflösungsgründe beisammen. Als da wären: Eine Yoko Ono-Situation, Drogenprobleme, künstlerische Differenzen sowie zwischenmenschliche Probleme anderer Art.” Das hat scheinbar nicht nur ‘Fleshwounds’ (Fleischwunden) hinterlassen.

Trotz 400.000 bis dato abgesetzter Einheiten von jenem introvertierten Erstling bleibt jedoch ein schaler Beigeschmack bei all jenen, die die androgyne Frontfrau vor allem als vokal-akrobatische Rock-Shouterin der Sonderklasse schätzen gelernt hatten. Diese Menschen – und auch alle anderen, die sich mit dem Ende von Skunk Anansie, in den Neunzigern immerhin eine von Britanniens erfolgreichsten Rock-Bands, nie so recht arrangieren konnten, dürfen nun getrost aufatmen. Es gibt nämlich ein neues Album von Frau Skin, ‘Fake Chemical State’, auf dem die mittlerweile auch schon 38-Jährige aus Brixton wie gewohnt spuckt, kratzt und keift als gäbe es kein Morgen. Mit einem Wort: Skin rockt wieder! Bereits geraume Zeit vor der tatsächlichen Arbeit an ‘Fake Chemical State’ hatte sie eine punktgenaue Vision, was für eine Art von Platte das werden sollte: “Ich wollte unbedingt ein wütendes Indepentent-Punkrock-Album machen. Mit hungrigen, jungen Musikern. Wenn man mit Studiogrößen arbeitet, klingt gleich alles so steril. Die Jungs, die jetzt dabei sind, sind ganz normale Musiker ohne besonders große Erfahrung – genau das richtige also.”

Wenn man der Frau so gegenüber sitzt, während sie diese Sätze spricht, fragt man sich allerdings, ob die jungen Nachwuchstalente nicht zunächst ein bisschen verschüchtert ob der gewaltigen Präsenz ihrer neuen Chefin waren. Kleiner und viel zierlicher ist sie als man nach all den martialischen Raubtier-Auftritten mit Skunk Anansie denkt. Und, auch das hätte man nicht unbedingt gedacht, tatsächlich auch eine ziemliche Schönheit – wenn auch eine herbe. Überhaupt ist Skin ja die Art von Frau, die den meisten Männern eher Angst macht. Lesbisch, selbstbestimmt, extrem dominant. Aber eben auch sehr charmant und mitunter gar auf eine – mir nicht nur einmal – die Röte ins Gesicht treibende Art anzüglich und offensiv sexy. Es ist wohl diese extreme Selbstsicherheit, die Gordon Raphael, den Erfinder des Strokes-Sounds, kürzlich anerkennend sagen ließ, dass er nie zuvor mit einer so professionellen und zielgerichteten Person gearbeitet hätte wie mit Skin.

Durch die Kooperation mit diesem Mann klingt ‘Fake Chemical State’ nun wie geplant ziemlich rau. Auch wenn es natürlich trotzdem auch einige Halbballaden und melancholischere Stücke wie ‘Nothing But’ unter die Rocker geschummelt haben – schon zu Skunk Anansie-Zeiten stets Skins Paradedisziplin. Das Album enthält einige sehr gelungene Songs wie ‘Just Let The Sun’, ist aber in Teilen auch etwas zu konventionell geratener Standard-Neunziger-Alternative-Mainstream (Nein, das ist seit einigen Jahren kein Gegensatz mehr – schon mal Creed gehört?) Die erste Single ‘Alone In My Room’ vertreibt die von der Segenskraft des Mediums Internet für Musiker mehr als überzeugte Musikerin zunächst recht erfolgreich über das Internet, bzw. ihre sehr gut gepflegte Seite skinmusic.net – nun steht dieser Song zusammen mit neun anderen auch im Laden. Freunde von Skunk Anansie werden begeistert sein.

Übrigens: Wer öfter in Ibiza weilt, sollte im Club seines Vertrauens mal genauer auf die D-Jane achten. In ihrer Freizeit betätigt sich Skin, die auf der Insel ein Haus besitzt, mit Vorliebe als eine solche. Allerdings, alles andere hätte uns jetzt auch gewundert, spielt sie bei diesen Gelegenheiten nicht etwa den auf dem iberischen Party-Eilland so beliebten House und Techno, sondern “selbstverständlich nur Rock!”.

Text: Torsten Groß