Dissen gehört zum Rap wie Kain zu Abel. Denn wer eigentlich als Bruder – zumindest im Geiste – gelten sollte, kann schnell durch ein falsches Wort zum absoluten Hassobjekt werden. Raptile kennt dieses Problem. Von den einen wird er als begabter Freestyler und deutscher Hoffnungsträger im Ausland gefeiert, von den anderen auf grund seiner englischen Reime, des bombastischen Sounds, der namhaften Feature-Gäste und des Erfolgs mit genau diesem Konzept verurteilt. Und obwohl er schon den Fuß in der Tür zu Amerika hat, ziehen ihn diese Anfeindungen immer wieder ein Stück zurück. Auch auf seinem neuen Album ‘Mozez’ kann er sich nicht ganz aus dieser Umklammerung befreien, wie die erste Single ‘Fight Back’ zeigt.
Denn darin sind Sätze enthalten, die international wohl nur die Wenigsten einordnen können, da sie sich auf deutsche Festivals und Künstler beziehen, z.B. “I don’t need Splash – HipHop-Open./ Rock a ski-mask and keep HipHop open.” und “Actin’ like they wanna meet in the streets./ I ain’t buyin’ it like Bushido-CDs.” Bushido hatte nämlich auf dem auch als Single ausgekoppelten Titeltrack seiner Scheibe ‘Electro Ghetto’ erklärt, dass neben einigen anderen auch Raptile zur Kategorie “Nervensäge” passt: “Ich bin ein Prototyp. Du kannst nicht werden wie ich./ Wenn ich eure Fressen sehen muss, nerven sie mich./ Ich bin ein Pitbull, Rap ist mein Kampfsport./ Du hörst erst Raptile, FlowinImmo, dann Torch.”
Womit löst Raptile solche Art von Kritik aus? Ein Grund könnten Sätze gewesen sein wie folgender, den er in ‘Da Unbeatables’ noch einmal wiederholt hat: “Now everybody’s so mad at me/ ’cause I said: German Rap is on low battery.” Zumindest für die Berliner Newcomerin She-Raw war das ein rotes Tuch. Auf ihrem Debüt ‘Beauty & The Beats’ hat sie deshalb gleich einen ganz Track lang mit ‘Shoot First’ ihrem Unmut Luft gemacht und natürlich auch eben diesen Satz kommentiert: “The only battery that’s low, is the one of your brain./ That must be the answer to why all your beats sound the same.” Dass bei Raptile alles scheinbar recht ähnlich klingt, ist ein Problem, das auch Maeckes mit den Sachen von ihm hat. Deshalb rappt er auf seiner Platte ‘Der Bessere Mateja Kezman’ im Stück ‘Realitaet’ die Zeile: “Na, ich denke grad, dass Raptiles ‘(We Will) Make Y’All Bounce’ und ‘Da Unbeatables’ der selbe Track war./ Egal!”
Diese Kritik kann Raptile sogar nachvollziehen, auch wenn er einer etwas anderen Meinung ist und darin keine Schwäche, sondern sogar eine wichtige Komponente seiner Arbeit sieht. “Natürlich ist bei den Stücken eine gewisse Ähnlichkeit vorhanden. Aber du darfst nicht vergessen, dass du als Künstler versuchst, einen Sound zu erschaffen, der für dich alleine steht. Wir haben einfach diese markanten Synthesizer-Melodien oder unsere Monstablokaz-Ansagen absichtlich so gemacht, um eine Basis zu schaffen. So kann es sein, dass die Leute diesen Synthesizer hören und direkt an Raptile denken. Bei den Deutschen ist es meiner Meinung nach so, dass sie in der Hinsicht zu technisch und analysiert denken und das als negativ sehen. Es ist ja nun auch nicht so, dass ich nichts anderes machen könnte. Aber ich habe mich weiterentwickelt und will meinen eigenen Sound etablieren.”
So gehen auch viele Songs auf ‘Mozez’ in diese Richtung. Um so auffälliger sind dann natürlich die Ausnahmen von der Regel. Schönstes Stück ist wohl genau deshalb das gefühlvolle ‘Barrio’, in dem Raptile über die Probleme der Menschen nachdenkt, die vom System unten gehalten werden. In den USA haben ihm schließlich seine Produzenten gezeigt, wie die Leute in ihren Gegenden wohnen. “Du verbringst dann da ja nicht nur zwei oder drei Stunden, sondern bist tagelang da. Es ist ja auch nicht so, dass ich darüber rappe, dass ICH da mit ‘ner Knarre rumrenne, sondern ich habe einfach meine Eindrücke verarbeitet. Ich habe das auch ein bisschen mit Deutschland verglichen. Die Kids hängen immer mehr auf der Straße rum, haben immer weniger zu tun und werden immer härter. Diese Erfahrungen habe ich in den Track gepackt.”
Was auch wieder für Aufregung sorgen könnte, ist natürlich der Name des Albums. Aber Raptile erklärt, dass er ihn aus sehr persönlichen Gründen gewählt hat. Mit bürgerlichen Namen heißt er nämlich Addis Mussa. “Mussa” ist arabisch und steht für “Moses”. Trotz diesen Bezugs war ihm allerdings klar, dass dieser Titel auch religiöse Menschen ansprechen könnte: “Leute sterben für ihren Glauben, deswegen musst du da auch aufpassen. Wir haben den Titel aus dem Grund auch lieber mit zwei Z geschrieben. Das Thema ist auch zu tiefgründig, um es einfach so marketing-technisch auszunutzen. Wenn mich allerdings jemand zu dem Thema befragt, unterhalte ich mich auch gern mit ihm darüber.”
Stück für Stück baut Raptile auch weiter seine Crew auf, um ihnen einen guten Start ins Musikgeschäft zu ebenen. Bei dem Remake von ‘Handzup’ hat er diesmal auch Da Lioness und Cronite ans Mic gebeten. Das Stück ist auch schon auf der ‘Fight Back’-Maxi enthalten, um möglichst viele Leute zu erreichen. Ein ganzes Album mit den Monstablokaz hielt er allerdings noch für zu verfrüht. “Ich war zwar schon in der Top Ten, aber um ehrlich zu sein, bräuchte ich noch ein bisschen mehr Erfolg, um andere Künstler etablieren zu können. Ich habe mir eine gute Fanbasis erarbeitet, aber auch vor der muss ich mich erst noch einmal bestätigen. Das ist für mich immer noch nicht so standfest, dass ich die Monstablokaz herausbringe und ihnen damit auch eine Spitzenposition sichere! Das ist z.B. anders bei ‘Aggro Berlin’, die jetzt auch Künstler herausbringen können, ohne dass diese sich das vorher so stark erarbeitet haben. So muss das dann auch sein. Ich bin eher so ein realistischer Typ und denke, dass es für mich noch zu früh ist, mit meinem Erfolg andere aufzubauen.”
Text: Holger Köhler
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