Peter Hempel ist ein Sprecher der GEMA. Ein Interview in drei Teilen über das GEMA-Image, ihre Struktur, den “Wasserkopf”, YouTube, Spotify, natürlich Geld und das Problem mit der “freien” Musik. Teil 1 von 3.

(Bild: GEMA-Blog)

motor.de: Herr Hempel, wie reagieren Ihre Bekannten, wenn die erfahren, dass Sie bei der GEMA arbeiten?

Peter Hempel: Zu Beginn hat das in meinem Bekanntenkreis doch für einige Erheiterung gesorgt. Aber wenn ich erkläre, was konkret meine Arbeit ist und wen wir vertreten, ist eine sehr große Akzeptanz dabei. Ich werde jetzt auch oftmals vorab privat gefragt, wenn es darum geht, irgendwelche Veranstaltungen oder Musiknutzungen anzumelden. Das gibt sich also nichts im Vergleich zu anderen Berufen.

motor.de: Es ist aber schon so, dass das Image der GEMA nicht nur vergleichsweise, sondern sogar außerordentlich schlecht ist.

Hempel: Da ist natürlich viel in der Arbeit der GEMA begründet. Wenn man von Millionen Musikveranstaltern und -nutzern in Deutschland Geld verlangt, um das an über 64.000 Mitglieder zu verteilen, ist klar, dass sich viele erst einmal ungerecht behandelt fühlen. Von daher werden wir es nicht jedem Recht machen können. Wir können nur versuchen, so fair wie möglich einzunehmen und auszuschütten.

motor.de: Wird in den Gremien der GEMA über diese Image-Frage überhaupt geredet?

Hempel: Zu den Gremien kann ich leider keine Auskunft geben. Unsere Aufgabe ist natürlich der Dialog mit der Öffentlichkeit. Und da sind im nächsten Jahr weitere Maßnahmen geplant.

motor.de: Welche denn?

Hempel: Darüber kann ich Ihnen heute noch keine Auskunft geben, da die finalen Planungen noch nicht abgeschlossen sind.

motor.de: Es gibt also so etwas wie eine Strategie der Image-Verbesserung, die sich von der Strategie bis jetzt unterscheidet?

Hempel: Wir versuchen natürlich, uns stetig zu verbessern.

motor.de: Machen wir es doch mal konkret: Stimmt der Eindruck, dass Sie seit einiger Zeit so eine Art “schnelle Eingreifpolitik” betreiben, also sehr schnell auf Artikel oder Blogbeiträge reagieren?

Hempel: Wir nehmen “social media” als neue Säule der Kommunikation sehr ernst. Deswegen bieten wir auf allen Fronten gern den Dialog an. Gerade weil die Arbeit der GEMA unheimlich komplex ist, besteht ein massiver Aufklärungsbedarf, auch über wahre Hintergründe. Wir können diese Informationsvielfalt natürlich ganz gut überblicken oder wissen zumindest, wo man die richtigen Informationen auf unserer Website oder unserem Blog findet. Deshalb beantworten wir viele Fragen auch mit Links auf Informationen, die sich beispielsweise auf Unterseiten unserer Webseite befinden.

motor.de: Apropos “social media”, Ihre Facebook-Seite GEMADialog muss ja eigentlich immer nur eine einzige Frage beantworten: “Warum kann ich mein Video nicht bei YouTube sehen?” Nervt das nicht ein bisschen?

Hempel: (lacht) Wir sind um Gleichmut bemüht. Es kommt ja immer drauf an. Viele Fragen sind auch einfach nur zum Stänkern da und wir versuchen, uns nicht gleich provozieren zu lassen. Wenn konkrete Fragen zu konkreten Fällen kommen, bemühen wir uns, die möglichst schnell zu beantworten, auch, wenn es um YouTube geht. Da kommt natürlich oft auf die Standardfrage auch die Standardantwort. Mit dem, was wir trotz Geheimhaltungsklausel sagen können, versuchen wir, Rede und Antwort zu stehen.

Jeder kennt dieses Problem.

motor.de: Viele Leute sind mit den oft auftauchenden “Sprachregelungen” aber offensichtlich nicht zu befriedigen.

Hempel: Ja, natürlich, ich kann das auch gut verstehen. Es ist dann eben wirklich die zweihundertste Frage zum gleichen Thema. Wir können in einigen Fällen darüber hinaus aber einfach nichts Konkreteres sagen, zum Beispiel, wenn ein Gerichtsverfahren anhängig ist.

motor.de: Die Rahmenbedingungen für die Verbreitung von Musik haben sich in den letzten zehn Jahren dramatisch geändert. Der allgemeine öffentliche Eindruck von der GEMA ist, dass sie da hoffnungslos hinterherhinkt. Sie gilt als der Besitzstandswahrer der “alten Generation”.

Hempel: Dieser öffentliche Eindruck liegt unter anderem daran, dass wir mit all unseren Tätigkeiten an das Urheberrecht gebunden sind. Diese Bindung vor allem an das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz erleichtert die Verhandlungen mit manchen Partnern auch nicht gerade. Letztendlich sind wir aber verpflichtet, jedem, der Musik nutzen möchte, die Möglichkeit dazu einzuräumen. Zu welchen Konditionen, ist dann allerdings Verhandlungssache, wobei wir aufgrund des Wahrnehmungsgesetzes zur Gleichbehandlung aller Lizenznehmer verpflichtet sind.

motor.de: Es gibt 3.000 stimmberechtigte Mitglieder der GEMA und 60.000 nicht stimmberechtigte …

Hempel: Indirekt Stimmberechtigte!

motor.de: Warum ist das so?

Hempel: Weil die stimmberechtigten Mitglieder einen sehr hohen Prozentsatz des Gesamtumsatzes ausmachen. Die GEMA ist ja ein wirtschaftlicher Verein und ist auch zu wirtschaftlichem Handeln gezwungen. Das heißt, die Mitglieder, die über die Belange der GEMA bestimmen, sollten auch ein gesteigertes Interesse an der wirtschaftlichen Arbeit der GEMA haben, sollten den Markt kennen.

motor.de: Wird das Grundprinzip dieser Stimmen-Gewichtung ab und an überprüft? Und durch wen?

Hempel: Das würde der Aufsicht des Patent- und Markenamtes unterliegen, wie alles was wir tun.

motor.de: Es ist sicher nicht falsch, anzunehmen, dass diese 3.000, die die höchsten GEMA-Einnahmen haben und fast allein stimmberechtigt sind, auch diejenigen sind, die das geringste Interesse an Änderungen haben.

Hempel: Das ist nicht gesagt. Auch diese wirtschaftlich erfolgreichen Mitglieder sind natürlich daran interessiert, an neuen wirtschaftlichen Entwicklungen zu partizipieren. Außerdem wäre es ja ein Umkehrschluss des GEMA Solidarsystems: verteilt wird an alle Mitglieder der GEMA gleich, unabhängig vom Mitgliedsstatus. Wir sind auch bei der Verteilung zur Gleichbehandlung verpflichtet.

motor.de: Diese Grundstruktur ließe sich auf Antrag eines dieser Mitglieder und einer Mehrheit in der Mitgliederversammlung ändern?

Hempel: Ja. Zu solch einem Antrag sind mindestens 10 Unterschriften von ordentlichen Mitgliedern oder den Delegierten erforderlich.

motor.de: Es gibt noch einige Standardvorwürfe an die GEMA: eine schwerfällige Bürokratie, unübersichtliche Tarifstrukturen, zum Teil auch noch willkürlich…

Hempel: Das beim besten Willen nicht, auch wenn es manchmal so aussehen mag. Es ist nichts willkürlich. Mit dem Insiderwissen sieht man oftmals besser die Struktur in diesen Bereichen. Bei den Tarifen für Veranstaltungen gibt es zum Beispiel den Unterschied, ob mit der Musik hauptsächlich die Umsätze generiert werden oder ob nur der Hintergrund bespielt wird. Es mag manchmal vielleicht unübersichtlich scheinen. Aber es ist fair.

motor.de: Wie wird denn so ein Tarif festgelegt?

Hempel: Unsere Fachleute arbeiten einen Tarif aus, der mit den Interessenverbänden der potenziellen Kunden verhandelt wird. Wenn man zu einer Einigung kommt, wird der Tarif veröffentlicht. Und wenn nicht, dann auch. Dann strebt man auf einen Schiedsstellen-Entscheid hin. Das heißt, der Tarif wird einseitig von der GEMA veröffentlicht, damit die Gegenseite ein Schiedsstellen-Verfahren anstrengen kann. Und schon während dieses Verfahrens ist die Musiknutzung legitim. Dafür zahlt der Nutzer praktisch seine Vorstellung an uns, während die Differenz zu unseren Vorstellungen auf einem Treuhandkonto hinterlegt wird.

motor.de: Nochmal zurück zum oft gehörten Vorwurf, die GEMA wäre ein “Wasserkopf”, hätte also eine aufgeblähte Verwaltung.

Hempel: Den Vorwurf möchte ich mit Zahlen widerlegen. Es arbeiten hier rund 1.000 Mitarbeiter, die sich um die Lizenzierung von mehreren Millionen Musiknutzungen in Deutschland, um die Beziehungen zu sämtlichen ausländischen Verwertungsgesellschaften und um die Ausschüttungen an 64.000 Mitglieder kümmern.

motor.de: Diese Verwaltungskosten sind mit 14 bis 15 Prozent über die Jahre relativ stabil. Die freie Wirtschaft kommt mit Verwaltungskosten von 3 bis 10 Prozent aus, Tendenz fallend.

Hempel: Richtig. Aber es gibt wenig Vergleichbares, was dem Verwaltungsaufwand entspricht. Wenn Sie sich vergleichbare Verwertungsgesellschaften international anschauen, sind die Verwaltungskosten auf dem gleichen Niveau.

motor.de: Selbst die teuersten Krankenkassen – immer gern als Paradebeispiel für irren Verwaltungsaufwand und hohe Verwaltungskosten genannt – überschreiten die 10 Prozent nicht.

Hempel: Der Krankenkassenvergleich hinkt: Denn eine Krankheit muss nicht zuerst bewertet werden. Ein musikalisches Werk schon. Es geht um viele verschiedene Schritte, die notwendig sind um die Nutzung eines Werkes im In- und Ausland zu lizenzieren und die Vergütung an die Mitglieder auszuschütten. Wie gesagt: Im internationalen Vergleich der Verwaltungskosten der Verwertungsgesellschaften ist die GEMA durchaus konkurrenzfähig.

Interview: Augsburg

Lest »hier den zweiten Teil des Interviews zum Thema YouTube-Problematik.

motor.de hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Zukunft mit einem Dossier: GEMA das Thema speziell unter die Lupe zu nehmen, Player und ihre Interessen deutlich zu machen, Probleme zu analysieren, Meinungen zum komplexen Thema und zu den Perspektiven zu sammeln.