Musikindustrie in der Dauerkrise, veraltetes Urheberrecht, neue technische und wirtschaftliche Bedingungen, Kostenlos-Kultur, Digitalisierung, Globalisierung von Musikkonsum, eine neue Musikergeneration ohne Aussicht auf grenzenlosen Rockstarreichtum – und immer ist die GEMA mittendrin. Sie ist fast immer der Buhmann, wenn es um Vorwürfe wegen verkrusteter Strukturen, Monopolmissbrauch oder ungerechte Verteilung geht. Zum Auftakt des motor.de-Dossiers eine kleine Einführung in den Stand der Dinge.

Alltag bei YouTube. Leid tut es vor allem dem Musikfan. 

“Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar, da es Musik enthalten könnte, für die die GEMA die erforderlichen Musikrechte nicht eingeräumt hat.” Es ist ein Satz, den jeder kennen dürfte, der sich immer mal wieder ein Musikvideo auf YouTube anschauen möchte – und wer tut das nicht? Immer öfter scheint man darauf zu stoßen, es trifft die ganz großen Megastars ebenso wie junge Independent-Bands, Klassiker ebenso wie eben erst gedrehte Clips. Und Schuld hat – so steht es ja da – natürlich immer die GEMA. Das zumindest behauptet YouTube, das hierzulande beliebteste Videoportal und es ist ob des massiven Einsatzes, eine Art negativer Popularitäts-Höhepunkt in der Geschichte der GEMA. In der Beliebtheitsskala deutscher Institutionen rangiert die GEMA gleich neben der GEZ – ganz weit unten.

Die GEMA ist die wichtigste deutsche Verwertungsgesellschaft für Musik (Einige Basisinformationen dazu gibt es hier.). Wer in Deutschland öffentlich Musik abspielt, Konzerte veranstaltet, CDs produziert, USB-Sticks- oder CD-Rohlinge herstellt und wer die Warteschleife seiner Telefonanlage mit Musik bestückt, ist davon betroffen. Und muss zahlen. Oder wenigstens nachweisen, warum er nicht zahlen muss. Denn die GEMA hat eine gesetzlich untermauerte und höchstrichterlich bestätigte Vorrangstellung und besondere Rechte bei der Durchsetzung ihrer Interessen. Schon sind wir mitten drin im Dschungel um Ansprüche, Rechte, Lizensierungsformen und Tarife, der selbst Wohlmeinende gern in die Verzweiflung treibt. Dabei ist die Grundlage aller GEMA-Aktivitäten eigentlich sehr einfach: Diejenigen, die Musik machen, sollen dafür ihren mehr oder weniger gerechten Lohn erhalten. Über Jahrzehnte war dieser Anspruch relativ unumstritten. Grundlage dafür ist das Urheberrecht, das jedes Werk eines Komponisten oder Texter bis zu 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers schützt und für seine Verwendung eine Gebühr vorsieht. Das Urheberrecht an sich ist indes allein schon kompliziert genug und alles andere als unumstritten (Eine verständliche Einführung in Grundlagen und den Stand der Dinge gibt es hier). Verschärft hat sich der Streit vor allem, weil die neuen technischen Möglichkeiten die seit scheinbaren Ewigkeiten geltenden Spielregeln komplett verändert haben.

Die mit der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung ermöglichte drastische Vereinfachung der Kopierbarkeit von Musik, die für jedermann mögliche Verbreitung per Internet, neue globale Konstellationen von Informations-Konzernen und die mit all dem einhergehende sogenannte “Krise der Musikindustrie” haben die Verteilungskämpfe verschärft, machen viele bis dato funktionierende Regelungen obsolet. Vor allem aber reißen sie völlig neue Fronten quer durch die verschiedensten Interessengruppen auf und man muss schon genauer hinschauen, wer warum wofür eintritt, um ein halbwegs objektives Bild zu erhalten. Ein simples “Gut/Böse”-Schema funktioniert dabei nicht. Auch wenn die GEMA mit zielsicherer Tapsigkeit alles dafür zu tun scheint, sich als Buhmann zu qualifizieren.

Werden auch gern zur Kasse gebeten: Kindergärten. 

Die Fettnäpfchen-Spur der GEMA ist lang und sie wird zuverlässig immer wieder neu bedient. Da werden Martinssänger mit Abgaben bedroht. Bundesweit wird allen Kindergärten eine GEMA-Pauschale für Kinderlieder abverlangt – ohne darauf hinzuweisen, dass es auch ohne diese machbar ist, “Alle meine Entchen” zu singen. Kaum ein Konzertveranstalter hat sich noch nicht über eine offensichtlich falsche GEMA-Abrechnung geärgert. Selbst Veranstalter, die ausdrücklich nur Musik abspielen, für die die GEMA gar nicht zuständig ist, erhalten eine Rechnung – mitunter sogar, wenn sie vermeintlich lückenlos nachweisen, dass sie nicht abgabepflichtig sind. Seit 2009 währen die Verhandlungen mit Google, dem Eigentümer von YouTube, über das Streaming von Videoclips, eine Einigung ist nicht in Sicht. Davon fühlte sich die Hacker-Gruppe Anonymous provoziert und legte in diesem Jahr zweimal die Homepage der GEMA lahm (motor.de berichtete). Sogar die Musikindustrie murrt inzwischen deutlich hörbar über die beinharte Linie. “Transparenz” ist dabei ein Fremdwort. Worum im Detail verhandelt wird, unterliegt einer Verschwiegenheitsklausel. Legendär ist auch die strikte Blockadepolitik der Pressestelle der GEMA gegenüber Journalisten. Immer wieder laufen pauschal unter Kritikvorbehalt gesehene Nachfragen ins Leere, werden gar nicht oder nur lapidar beantwortet.

Auch intern ist das System GEMA hoch umstritten. Von über 60.000 Mitgliedern des Vereins sind gerade mal gut 3.000 “ordentliche Mitglieder”. Sie sind nicht nur die dicken Fische im Teich, denen nach einem heftig diskutierten “Verteilungsplan” der übergroße Teil der Ausschüttungen zufällt, sie sind auch diejenigen, die allein entscheidungsberechtigt sind und an grundlegenden Änderungen naturgemäß wenig Interesse haben. Klar, dass der Vorwurf der “verkrusteten Strukturen” nahe liegt, vor allem auch, weil es vor allem die nicht stimmberechtigten “Kleinen” sind, die den neuen Gegebenheiten eher offen gegenüberstehen. Auch die Details der Rechtevertretung werden immer wieder kritisiert: das reicht von der Vertragslaufzeit bis zum Grundsätzlichen: Auf “einmal in der GEMA, immer in der GEMA” lässt sich das Dilemma vieler Künstler auf den Punkt bringen, die gern flexiblere Optionen hätten. Immer wieder gern angeprangert, wird auch der “Wasserkopf”, der wenig flexible Verwaltungsaufwand, den die GEMA mit ihren ca. 1.000 Mitarbeitern betreibt.

Der große Teil vom Kuchen geht an fünf Prozent der Mitglieder. (Quelle: GEMA Geschäftsbericht 2010)

Das Image der GEMA ist also nicht ohne Grund verheerend schlecht. Allerdings sollte man daraus nicht schließen, dass ihr niemand beisteht. Das betrifft vor allem die Künstler selbst. Niemand wird gezwungen, in die GEMA einzutreten und sich somit von ihr vertreten zu lassen. Aber am Ende zahlt die GEMA Erlöse aus. Geld, das sich kaum anderweitig eintreiben lässt, schon gar nicht mit den neuen Kostenloskultur-Modellen, die derzeit vor allem von Netzaktivisten gern propagiert werden. Die Mitgliederzahl der GEMA wächst.

Fortsetzung folgt.

Augsburg

motor.de hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Zukunft mit einem Dossier: GEMA das Thema speziell unter die Lupe zu nehmen, Player und ihre Interessen deutlich zu machen, Probleme zu analysieren, Meinungen zum komplexen Thema und zu den Perspektiven zu sammeln.

Hilfreiche Einführungen:

» Basisinformation zur GEMA 

» Urheberrecht