Grooveshark: beliebt, umstritten, verklagt – und jetzt ganz offiziell in Deutschland vom Netz. 

Mitteilung auf der Homepage von grooveshark.com. 

Manchmal – aber nur manchmal – tut einem die GEMA fast ein bisschen leid. Zumindest diejenigen, die bei der deutschen Verwertungsgesellschaft für Musik dafür zuständig sind, zu erklären, dass eigentlich alles immer ganz anders ist. Dass nicht die GEMA, sondern YouTube selbst alle diese Videos sperrt. Oder dass sie ganz bestimmt nicht daran Schuld trägt, dass seit dieser Woche der Musikstreaming-Dienst Grooveshark von Deutschland aus nicht mehr nutzbar ist. Zumindest nicht offiziell. “Aufgrund unverhältnismäßig hoher Betriebskosten stellt Grooveshark den Zugriff aus Deutschland ein”, vermeldet die Homepage und hat auch gleich einen Schwarzen Peter parat: “Wenn Sie die Betriebskosten für Anbieter wie Grooveshark herabsetzen wollen, können Sie eine höfliche Nachricht an die GEMA zu schicken.” (Fehler vom Original übernommen.) Ergänzt wird das von Postadresse und Telefonnummer der GEMA in Berlin – was man aber wissen muss, denn als GEMA ausgewiesen sind diese nicht. Wer also als verwunderter oder erboster Grooveshark-Nutzer einmal nachfragen möchte, landet unversehens in der Telefonzentrale der GEMA. Die ist natürlich angefressen. Und diesmal zu Recht.

Das Geschäftsmodell von Grooveshark ist mit “halbseiden” relativ positiv beschrieben. 15 Millionen Songs sollen es sein, die von Usern in die Datenbanken der Firma hochgeladen wurden. Anhören kann sie sich jeder. Prinzipiell immer, überall und umsonst. Klar, dass Grooveshark sehr schnell sehr beliebt bei der wachsenden Zahl der internetstreamenden Musikhörer wurde. Der Haken: Im Gegensatz zur Konkurrenz machte sich Grooveshark nicht die Mühe, in den einzelnen Ländern Verträge mit Rechteinhabern zu schließen. Weder die Urheber (in Deutschland ist dafür die GEMA zuständig) noch die Labels respektive Künstler wurden scheinbar von Grooveshark in irgendeiner Weise vergütet. Auch das vielbeschworene Community-Prinzip des “Musik von Fans für Fans”, immer noch bei vielen ein starkes Argument für den Dienst, steht im Zwielicht. Einen großen Anteil der Songs sollen nämlich die Betreiber selbst ins System gestellt haben. Gefragt, ob man bei Grooveshark präsent sein will, wurde ohnehin niemand: weder Labels noch Künstler.

Drei von vier Major-Plattenfirmen – Universal, Warner, EMI – verklagten Grooveshark denn auch kürzlich. Aber nicht nur die sind über dessen Geschäftspraxis sauer. Sowohl Google als auch Apple verbannten die Grooveshark-Anwendungen für Android und iPhone aus ihren App-Stores. Auch Konkurrenten im Musikstreaming-Geschäft wie Spotify, Deezer oder Rara dürften Grooveshark als alles andere als fairen Wettbewerber angesehen haben. Schließlich betreiben die einen erheblichen Aufwand, um reguläre Rechte für möglichst viel Musik zu erhalten. Denn vor allem die Vielfalt des verfügbaren Musikangebots ist entscheidendes Kriterium für die Attraktivität bei den Nutzern und potenziellen Kunden. Verträge mit den zuständigen Urheberrechtsgesellschaften sorgen für eine klare Rechtslage und kalkulier- sowie vergleichbare Rahmenbedingungen bei den Kosten.

Simfy muss sich plötzlich mit Konkurrenz abfinden.

In Deutschland geschah dies im Dezember, die GEMA einigte sich mit den Anbietern über die Kostenstruktur für werbefinanzierte und kostenpflichtige Dienste. Seitdem starteten mehrere Streamingservices auch hierzulande, weitere – unter anderem Spotify – werden in Kürze wohl hinzukommen. Der Trend geht dabei eindeutig zu kostenpflichtigen Diensten mit nur sehr wenig Freiraum für kostenlose Angebote – das ist bedingt durch die Preisstruktur der Streams, die eine Refinanzierung zum Beispiel nur durch Werbung praktisch unmöglich zu machen scheinen, auch wenn sie theoretisch durchaus erlaubt ist. Darüber wiederum nicht besonders glücklich zeigte sich prompt das Kölner Unternehmen Simfy. Die waren bis dato, wegen eines eigenen Vorabdeals mit der GEMA, Alleinanbieter in Deutschland, ein Status, der jetzt natürlich obsolet ist.

Was man zur Wiederverbesserung der Marktposition zu unternehmen gedachte, kann man jetzt vermuten: Grooveshark verweist nämlich nicht nur auf den vermeintlichen Bösen – die GEMA – sondern empfiehlt gleichzeitig einen “populären Musikservice” – nämlich Simfy. Die Kölner haben inzwischen bestätigt, dass sie einen Kooperationsvertrag mit den Grooveshark-Betreibern abgeschlossen haben, der dazu dienen soll, deren Nutzer zu Simfy umzuleiten. Spekuliert wird jetzt darüber, ob die Luft für Grooveshark inzwischen so dünn ist, dass eine Kapitalspritze aus Köln – also von Simfy – dringend nötig ist. Das würde auch erklären, warum ausgerechnet Deutschland zuerst vom Grooveshark-Stop betroffen ist. Nichtsdestotrotz schien auch Simfy selbst über den abrupten und rüden Abgang überrascht. Damit in enge Verbindung gebracht zu werden, dürfte zumindest längerfristig alles andere als imagefördernd sein.

Augsburg


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