Heimathafen. Nomen est omen. Dieser neobarocke-jugendstilistische Traum der Gründerzeit zwingt einen geradezu, sich wohlig-heimelig zu fühlen. Da nun auch noch die Jahreszeit der Verpaarung ist („Auch mal kuscheln“), schien das Ambiente sowie die Musik der spielenden Band zusammenzupassen, wie die Faust aufs Auge. Zum Glück machten Deerhunter die Vorstellungen der Bürgerpaare, die den Schreiber dieser Zeilen haufenweise umgaben, teilweise einen Strich durch die gefühlsduselige Rechnung.
Auf dem letztveröffentlichten Album „Fading Frontier“ kehren Deerhunter teilweise zu dem künstlerischen Ansatz ihres („Durchbruch“-) Albums „Halycon Digest“ zurück, welches die Band endgültig im (ein vom Schreiber tendenziell abgelehnter Begriff) „Dreampop“ ankommen ließ. Während für die meisten anderen Vertretern dieses „Genre“ der Begriff gar nicht zutreffend ist (keine Namen, aber *hust* „Beach House“ *hust*), da ihre Musik gerade nicht traumhaft ist, sondern nur als Muzak zum entspannten Post-MDMA-Sonntagsbrunch, Loungebesuch, Handyvertragswerbespot oder ganz direkt als Einschlafhilfe genutzt werden kann. Das alles evoziert aber nur Langeweile, zu der der Traum im direkten Gegenteil steht. Im Traum passieren Dinge, die (nicht nur im Alptraum) verstören oder zumindest irritieren. Diese Irritation ist es, die Deerhunter Live noch besser erzeugen können, als auf „Fading Frontier“ oder „Halycon Digest“, auf denen ein gewisses Unbehagen eher über Text-Sound-Scheren bewirkt wird.
Im Konzert wird die traumhafte Wirkung dadurch verstärkt, in dem die einlullenden, krautigen Rhythmuselemente enorm druckvoll gespielt und abgemischt werden (Drummer Moses Archeluta drischt feinfühlig auf die Drums ein, während Bassist Josh McKay stoisch die repetitiven Bassmuster spielt). In dieses Bett aus pulsierendem Rhythmus können die beiden Gitarristen Brandon Cox und Josh Pundt immer wieder mal kleinere, mal größere Variationen der ursprünglichen Gitarrenläufe legen. Oder (und das war an diesem Abend die Aufgabe Cox‘) mit Crescendo, Feedbacks und anderen fiepende und brummende Sounds den Fluss zu zerhacken. Diese Momente waren jene, in denen dem Besucher bewusst wurde, dass hier was nicht stimmt, das etwas stört, das unter der wohligen Melodie etwas Unheimliches schlummern könnte. Wie im Traum also, wenn man bemerkt, dass irgendetwas nicht real sein kann (z.B. dass ein Auto anfängt zu fliegen, Alienaugen aus dem Unterholz blicken, man sich selbst gleichzeitig aus der dritten und ersten Person betrachtet, etc.pp.), man es aber trotzdem als Realität hinnimmt. Und so versank der Schreiber immer wieder in den Songs um dann irgendwann zu merken: „Wow, bin doch ohrenbetäubend wach“.
So ging es wohl auch den vielen, niedlichen Pärchen, die eigentlich nur in Ruhe in ihren Gefühlen schunkeln wollten, dies aber durch den oben beschriebenen Effekt der Musik nicht recht konnten und vor allem in den letzten 2 – 3 ausufernden Liedern ihr Heil eher vor dem Konzertsaal suchten. Vielleicht lag dies aber auch daran, dass, und hier nun das wirklich negative des Abends, die Akustik des Heimathafen alles andere als ausdifferenziert ist und vor allem bei den ruhigeren Stücken alles irgendwie recht matschig erschien.
Deswegen war es eine wirklich gute Entscheidung der Band auf Lautstärke zu setzen und die Gefühligkeit der Menschen und des Raums in wahrhaftige Träume zu verwandeln.
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