(Foto: Sub Pop Records)
Recht scheu – deswegen aber keinesfalls unscheinbar – wirkt die Sängerin Dee Dee der Dum Dum Girls im ersten Moment. Die anfängliche Distanziertheit wird alsbald mit einer Tasse Kaffee und den ersten Fragen beseitigt. Mit ihrem dritten Studioalbum "Too True" scheint die Einunddreißigjährige endlich da angekommen zu sein, wo sie sich immer hinwünschte. Selbstsicher und vor allem überzeugt von ihrer eigenen Musik, erzählt die Wahl-New-Yorkerin von den Schwierigkeiten einer Musikerehe, ihrer Liebe zu Berlin und ihrer Faszination zu Coversongs.
motor.de: Wie gefällt dir Berlin? Hast du eine besondere Beziehung zu der Stadt?
Ja schon. Als ich studierte, habe ich ein Auslandsjahr in Göttingen gemacht. Ich war aber nicht viel auf der Uni, sondern habe mir ganz Deutschland angeschaut und auch sehr viel Zeit in Berlin verbracht. Mittlerweile habe ich auch einige sehr gute Freunde, die hier leben. Mein Mann und ich kommen auch mindestens ein Mal im Jahr hierher und mieten uns eine Wohnung. Wir wären auch schon längst hierher gezogen, wenn das alles ein wenig einfacher gewesen wäre.
motor.de: Was hat euch denn gehindert?
Ach das hatte viele verschieden Gründe. Ich meine, wir haben alleine über zweitausend Platten. Und dann die ganzen Bücher. Das wäre schon echt mühsam gewesen. Aber vor allem war es ein logistisches Problem. Wir beide sind einfach so viel unterwegs und mit unseren Bands auf Reisen. Das macht das alles recht schwierig. Wir haben eine tolle Wohnung in New York gefunden. Also ist das schon ok. Aber ich liebe Berlin und ich spreche sogar fließend Deutsch…
motor.de: Cool, dann können wir ja jetzt auf Deutsch weiter machen…
…wenn ich betrunken bin. (lacht)
motor.de: Ach so. Ok, na dann sollten wir was trinken.
(lacht) unbedingt. Das ist alles schon so lange her. In zwölf Jahren vergisst man so Einiges. Aber nochmal zu Berlin. Ich fühle mich in dieser Stadt einfach extrem wohl. Sie bietet mir alles, was ich mir von einer Stadt erwarte. Entspannte, nette Leute, künstlerisch, inspirierende Atmosphäre, gutes und vor allem gesundes Essen und das ganze auch noch zu normalen Preisen. Ich meine, ich liebe New York, aber was die Preise angeht, ist es einfach verrückt teuer. Es ist wie ein Vakuum, in das du alles, was du hast reinsteckst und hoffst, dass du irgendwas raus bekommst.
(Foto: Sub Pop Records)
motor.de: Ich hoffe die Frage ist jetzt nicht zu persönlich, aber wie läuft denn so eine Beziehung zwischen zwei Musikern. Ist das nicht wahnsinnig schwierig, wenn man sich so selten sieht?
Das ist schon nicht so einfach, klar. Aber es wäre vermutlich noch viel schwieriger, wenn einer von uns kein Musiker und nicht so viel unterwegs wäre. So wissen wir wenigstens, wie das ist und was wir da tun. Wir kennen die guten und schlechten Seiten dieses Jobs. Von außen mag das vielleicht glamourös aussehen, aber da ist auch viel Routine, Herumgesitze und Langeweile dabei. Wir sind jetzt seit sieben Jahren zusammen und waren in der Zeit ständig am Touren. Wir scherzen immer darüber und meinen, dass wir in dieser Zeit vermutlich nicht mal ein Jahr miteinander verbracht haben. Es ist hart, aber welche Beziehung ist das nicht? Und wir haben einfach keine Alternative, also leben wir damit. Wir versuchen einfach viel Urlaub zu machen. (lacht)
motor.de: Jetzt mal zu was ganz anderem. Die erste Singleauskopplung von deinem neuen Album war Teil des H&M Live Projekt. Wie kam es denn dazu?
Völlig unvorhergesehen eigentlich. Ich meine, ich habe schon bei H&M eingekauft und wusste, wer die waren, aber sonst gab es da keine Verbindung. Ich war auch sehr überrascht, als sie mich fragten, ob ich da mitmachen wollte.
motor.de: Sie haben also von sich aus gefragt?
Ja. Wahnsinn oder? Ich konnte es kaum glauben. Irgendjemand muss da wohl ein Fan von uns sein. (lacht) Ich war noch dazu der erste Act, den sie vorstellten. Das coole war, dass sie einfach nur für das Video bezahlten und sonst waren da keinerlei Verpflichtungen damit verbunden. Bei dem Projekt geht es wirklich nur darum, kleine, unbekannte Indie Bands zu unterstützen. Für mich war das Ganze eine echt positive Erfahrung, auch wenn mir im letzten Interview vorgeworfen wurde, dass das moralisch und politisch unmöglich sei, mit denen zu arbeiten. Das mag auch stimmen, aber leider muss man irgendwann auch seine Rechnungen bezahlen. Und das ist als Musiker oft schon schwer genug.
motor.de: Ja, das stimmt wohl. Zu was anderem. Dein neues Album heißt „Too True“. Was ist denn für dich „Tue True“ momentan?
(Lacht) So viele Sachen. Der Titel stammt von dem Gedicht „Too good to be true“. Was ich damit aber eigentlich meinte, war, dass es auch Dinge gibt, die über diesem ganzen Schwarz-Weiß-Denken und vor allem außerhalb des eigenen Kosmos gibt. Manchmal laufen die Dinge gut und manchmal eben nicht. So ist das Leben. Und wenn dann mal was richtig Gutes passiert, dann sollte man das auch sehen, wertschätzen und genießen. Das meinte ich damit.
motor.de: Wie siehst du dein neues Album selbst?
Mhm…ich würde sagen, dass es bisher das Album ist, das sich am meisten von den anderen unterscheidet. Ich bin viel selbstbewusster geworden und fühle mich beim Musik machen richtig wohl. Ich finde, das hört man einfach.
motor.de: Woher kommt denn diese Unsicherheit?
Ach, keine Ahnung. Ich fühle mich manchmal, wie so ein kleiner Vogel, der gerade fliegen lernt. Es hat echt 31 Jahre meines Lebens gedauert, bis ich an diesen Punkt gelange und sagen kann, dass ich mich halbwegs selbstsicher fühle. Aber hey, jetzt hab ich das endlich erreicht und es fühlt sich gut an. (lacht)
motor.de: Du hast bereits einige Songs gecovert. Da waren unter anderem Songs von den Smiths oder The Jesus And The Mary Chain dabei. Findest du nicht, dass das extrem schwierig ist, an die Originale ran zu kommen und denen gerecht zu werden?
Ja absolut, das ist auch extrem schwierig. Ich veröffentliche Cover Songs so gut wie nie. Als Kind habe ich durch das Nachspielen von Songs, Gitarre spielen gelernt. Wenn ich heute ein Cover mache, dann deshalb, weil ich verstehen will, wie der Song funktioniert. Ich denke dabei nie, dass ich es besser könnte oder so. Außerdem hatten wir am Anfang ja noch gar nicht so viele eigene Songs. Mittlerweile mache ich meistens ein Cover pro Album. Deshalb habe ich vielleicht auch diesen Ruf. Naja, was soll ich sagen…Ich liebe es einfach, Musik, die mir gefällt, neu zu interpretieren und so einem Künstler meinen Respekt zu zollen. Das Cover von Prince’s Song „Nothing compares to you“ zum Beispiel. Die Version von Sinéad O’Conner ist vermutlich mein absolutes Lieblingslied. Es ist das perfekte Beispiel für ein perfektes Cover. Sie nimmt dieses Lied und macht daraus etwas ganz Anderes und Eigenes. Ich liebe Prince’s Song, aber ich beginne fast zu weinen, wenn ich ihre Version davon höre. Das sagt eigentlich alles.
motor.de: Siehst du die Dum Dum Girls als eine homogene Band oder bist das "nur" du, die mit einer Band auf Tour geht?
Das ist ein bisschen kompliziert. Es ist definitiv mein Projekt, aber im Grunde spiele ich seit jeher mit der gleichen Band. Es fühlt sich also schon sehr nach einer Band an. Es ist irgendwie beides. Auf der einen Seite schreibe ich all die Songs alleine und nehme sie auch alleine auf. Auf der anderen Seite könnte ich es mir ohne meine Band aber auch nicht vorstellen. Das ist eine eigenartige Sache.
(Mariella Gittler)
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