Mr. E ist zurück und doch nie weg gewesen. Eine allzu lange Pause nach seiner Albumtrilogie lag ihm nicht am Herzen und so schüttert er selbiges mit dem neuen Album „Wonderful, Glorious“ voller Wucht aus – motor.de traf den Journalistenschreck zum Interview.

Man wird gemeinhin gewarnt, bitte keine falschen Fragen zu stellen. Schon klar, Mark Oliver Everett gilt als wankelmütiger Gesprächspartner, der selbst vor laufender Kamera das Mikro beiseitelegt und schnell einen Abgang a la Frank Sinatra inszeniert. Vorsicht ist also geboten, ergreift man einmal die Chance zum Interview und erstaunlicherweise traf motor.de einen gut gelaunten, eloquent antwortenden Mr. E – der sich gerne den Fragen zur Band stellte und süffisante Antworten bot.

Zu besprechen gab es wahrlich eine Menge: Als einer der Vorreiter des Neunziger Jahre Post-Nirvana-Indiehypes, schossen Eels mit ihrem ersten Longplayer „Beautiful Freak“ (1996) genau in die Lücke, die Jahre zuvor der totgeglaubte Grunge aufriss und auf der anderen Seite bedienten ihre Songs das aufkommende Slackertum eines Beck, der vollkommen unprätentiös gestand ein Loser zu sein. Schlurfend und trotzdem hart am Rock gebaut waren die ersten Singles, ein wirr und verstörend dreinblickendes Mädel zierte das Cover und ebenso mysteriös schien der Macher den meisten zu sein – Mr. E als Ansprache reiche völlig aus, meinte dieser damals und bestimmte sein Image selbst.

Als Sohn eines Quantenphysikers untersuchte er die Welt und erforschte in den Songs, was sie im Inneren zusammenhält. Schell avancierten Eels zum Kritikerliebling und selbst heute, fast zwei Dekaden später, kann man in Checkerkreise immer noch punkten, erklärt man Eels zur eigenen Lieblingskapelle. Zuletzt übertrieb es Everett allerdings ein wenig: Holte drei Alben nacheinander aus dem Köcher, die sich am Verlauf einer Beziehung abarbeiteten und natürlich in einem Happy End mündeten, dass für viele gar keines ist: In der Trennung. Zynismus ist bei solchen Fallbeispielen allerdings ein schlechter Ratgeber, will man verstehen, warum der Mann selbst im gereiften Alter den Glauben an die endlose Liebe nicht entwickeln will. „Wonderful, Glorious“ ist ebenfalls kein vergnügtes Ringelreih der guten Laune, wirkt aber positiver als vieles, was Eels zuletzt auf den Markt brachten. Sogar der Neunziger-Jahre-Indie-Gedächtnis-Rock ist wieder mit von der Partie und schließt einen Kreis, der 1996 mit „Beautiful Freak“ begann.

Eels – “Peach Blossom”

Ob diese Behauptung jedoch auch der Wahrheit entspricht, Mr. E wirklich der Griesgram ist, für den die Presse ihn hält und weswegen er Indierock keinesfalls für tot erklärt, erfuhren wir im motor.de-Interview.

motor.de: Steigen wir direkt ein: Dokumentiert „Wonderful, Glorious“ den best-gelaunten E aller Zeiten?

Mr. E: Schwer zu sagen. (denkt nach) Ich selbst kann das kaum beurteilen.

motor.de: Deine allererste Single als Solokünstler trug 1992 den Namen „Hello Cruel World“. Jetzt steht „wundervoll“ und „fantastisch“ auf dem Cover – da stellen sich solche Fragen doch automatisch.

Mr. E: Ich kann mich sogar noch an einen der ersten Auftritte als Support-Act für Tori Amos erinnern. Damals begann das Set genau mit diesem Song und die Gesichter, als ich auf die Bühne kam und „Hello Cruel World“ sagte, werden niemals aus meinem Kopf verschwinden. (lacht) Aber „Wonderful, Glorious“ entstand anders: Wir waren im Studio recht offen, die Sachen wurden im Vorfeld kaum ausformuliert und idealerweise gingen sie genau deswegen leicht von der Hand. Es überraschte mich und ich dachte mir: „Herrlich, fantastisch!“ und so entstand der Titel.

motor.de: Demzufolge haben wir es in den Texten mit allerhand Ironie zu tun? Immerhin fordern die Songs den Zusammenhalt der Menschen, das Ende der Konflikte und generell eine bessere Welt.

Mr. E: (denkt nach) Ja und nein. Erst einmal bin und war ich nie ein Zyniker. Manchmal vielleicht sarkastisch – und zweitens, was viel entscheidender ist um die Inhalte einzuordnen, man muss in der Lage sein, Dinge hin und wieder überspitzt zu formulieren. Daher dürfte all das, was „Wonderful, Glorious“ aussagt, kaum jemanden überraschen.

motor.de: Wenn man überlegt, dass du jahrelang ausgedehnte Tournee ablehntest und als Emerit bezeichnet wurdest, ist es schon überraschend, dass du in den Texten offen auf deinen Nächsten zugehst.

Mr. E: Ich liebe Konzerte und packe dafür gerne meine Koffer. Allerdings hasse ich die restlichen 22 ½ Stunden am Tag, die abseits der Bühne stattfinden – dieses Rumreisen, Einpacken, Auspacken und dann ist man kaum vor Ort, muss man schon wieder weiter. Anfänglich mag das aufregend sein, irgendwann bemerkt man aber, dass es nervt. Ist halt kein Urlaub.

motor.de: Wie sieht es mit dem Vorurteil aus, du wärst kein angenehmer Zeitgenosse für Journalisten – willst du das gleich mit aus dem Weg räumen?

Mr. E: Ein sehr deutsches Phänomen, weil viele Typen, mit denen ich hier rede, gerne Widerspruch einlegen – man erklärt irgendwas und die meinen dann mit „Aber!“ antworten zu müssen. Es gibt allerdings kein „Aber!“ zu meinen Ausführungen, da ich weiß, was ich sage und mich nicht festnageln lasse.

motor.de: Indierock hat inzwischen einen leicht altbackenen Ruf und wirkt im Vergleich zu elektronischer Musik nicht ganz so hip – woran liegt das deiner Meinung nach?

Mr. E: Es ist wie mit jedem Genre: Leute begründen es, ohne zu wissen, dass es Indierock ist und andere kommen nach. Einige von denen machen das dann nur der Welle wegen und nicht, weil sie es unbedingt wollen. So Richtung: „Super, das geht gerade voll ab, lass mal mitmachen!“ Die Typen sind es dann, die in das Element der Ehrlichkeit etwas Abgebrühtes hineintragen.

Eels – “New Alphabet”


motor.de: Wenn du dir deine ehemaligen Kollegen anschaust, was geht dir durch den Kopf?

Mr. E: (überlegt lange) Kann ich dir nicht sagen. Meine Beschäftigung mit Musik besteht nicht in Vergleiche Richtung: „Was macht der, was macht die gerade?“ Wahrscheinlich würden mich viele als selbstreferenziell beschreiben, aber irgendwelche Trends bzw. Bands bewusst zu verfolgen, bringt mich künstlerisch nicht voran. Was die Eels machen, machen die Eels, weil sie es wollen und nicht, weil es jemand herausfordert.

motor.de: So experimentell wie manch B-Seite auf deiner Sammlung „Useless Trinkets: 1996–2006“ ausfiel, könnte man meinen, dass ein Ausflug in die Elektronik von dir durchaus denkbar wäre.

Mr. E: Da darf niemand vergessen, dass das meist aus Sessions heraus entstand, die eigentlich für einen Albumtrack angesetzt waren. Da experimentiere ich gerne rum und manchmal ergibt sich so etwas wie ein zweiter Song, der selten auf der jeweiligen Platte landet, aber als B-Seite eine interessante Studie sein kann. Würde mich aber jemand hinter ein Mischpult setzen und sagen „Leg los!“, würde es wohl danebengehen.

motor.de: Die vorangegangenen Platten erschienen thematisch als Trilogie. Solche Gedanken schweben dir mit „Wonderful, Glorious“ nicht vor Augen, oder?

Mr. E: Wir haben es extra so spontan aufgenommen, damit niemand mit irgendwelchen Welt-umspannenden Gedanken um die Ecke kommen kann. Die Songs als solches sind ziemlich geschlossen, hier anzusetzen wie im Falle der Vorgänger, wäre aus meiner Sicht nicht möglich. Will ich auch nicht, eine Trilogie reicht erst mal.

Text + Interview: Marcus Willfroth

Eels – Live 2013:

07.04.12 Hamburg – Grosse Freiheit
08.04.12 Berlin – Astra
22.04.12 München – Muffathalle