Sven Regener von Element Of Crime über die Band als No Hit Wonder, Egonasen und die Vermischung von Kunst und Politik.
Element Of Crime sind eine Institution der deutschen Musiklandschaft, die Band um Frontmann Sven Regener feiert 2010 ihr 25-jähriges Bestehen. Obwohl dies wohl eher von Fans als dem Quartett selbst gefeiert wird, wie der Sänger im Interview mittteilt. Auch sonst gibt sich Regener, der mit seiner Roman-Trilogie über den Kreuzberger Lebenskünstler Frank Lehmann auch als Autor überaus erfolgreich ist, angenehm unprätentiös und reflektiert. Nur bei politischer Musik kennt der Musiker kein Pardon.
motor.de: In Anbetracht des 25-jährigen Bandjubiläums: Gibt es für Sie einen definitiven Bandmoment, der beschreibt, was Element Of Crime ausmacht?
Regener: Nein. Das wäre bei so etwas Komplexem wie dieser Band auch komisch. Interessant ist in diesem Zusammenhang eher, dass wir die Jubiläumsgeschichte nicht ernst nehmen. Für mich ist die 25 genauso eine Zahl wie die 24 oder die 26. Ich bin „unmusikalisch“ auf diesem Gebiet. Einen definitiven Moment gibt es nicht. Man muss die Musik hören, das macht die Band aus. Wie wir uns sonst verhalten oder geben, kann changieren – wichtig ist, dass die Musik stimmt.
motor.de: Es gab also keinen Moment, wo Sie dachten: „Mit dieser Band ist alles richtig und das kann noch ewig so weitergehen“?
Regener: Doch, es gab viele solcher Momente, aber die hatten alle mit Musik zu tun. Es ist toll, dass wir uns auch sonst in vielen Dingen einig sind, was den Umgang mit der Band betrifft. Aber die Momente, wo man sagt: „Diese Band ist am Leben, und die bringt es auch“, das sind musikalische Momente – allerdings wie die Musik selber auch flüchtig. Das ist niemals eine Versicherung für die Zukunft. Es geht immer um das Jetzt. Es gibt keine Garantie, dass alles in fünf Jahren auch noch gut ist. Niemand von uns hat Interesse an einer Band, die ein Oldie-Phänomen wird. Element Of Crime ist nur dann am Leben, wenn wir in der Lage sind, neue Songs zu schreiben. Es macht keinen Spaß, zu einer Art Abspielmaschine der eigenen musikalischen Vergangenheit zu werden – obwohl wir die alten Lieder selbstverständlich wahnsinnig gerne spielen. Natürlich ist die Band ihr ganz eigenes Phänomen, aber das nützt einem nichts im Rock’n’Roll. Das ist Musik für das Hier und Jetzt.
motor.de: Wie Sie schon sagten, spielen Sie sowohl neue als auch alte Songs. Wie wählen Sie diese aus Ihrer umfangreichen Diskograhie aus?
Regener: Es ist meistens einfach das, worauf man gerade Lust hat. Es gibt natürlich ein paar Klassiker, die die Leute wahnsinnig gerne hören. Wir haben durchaus mal ein, zwei Tourneen ein Lied wie „Weißes Papier“ nicht gespielt, weil wir es eine Zeit lang einfach über hatten. Es gibt allerdings auch Songs, die man ewig nicht gespielt hat und für ein neues Programm wiederentdeckt. Teilweise sind diese zu ganz neuen Liedern geworden. Man versucht, nicht durch die Umstände getrieben zu sein. Insofern hatten wir auch Glück, dass wir nie Singlehits hatten, die die Leute anlocken. Die müssen wir dann auch nicht reproduzieren. Das Publikum ruft zwar nach Liedern, aber nach vielen verschiedenen. Deshalb sind wir in dieser Beziehung relativ frei. [grinst] Element Of Crime ist kein One-, eher ein No-Hit-Wonder. Die Leute haben natürlich ihre persönlichen Hits, aber die sind individuell sehr verschieden.
motor.de: Sie haben 2007 ihre erste Goldene Schallplatte bekommen. Bedeutet Ihnen nach der längeren Bandhistorie so eine Auszeichnung noch etwas?
Regener: Es ist schon toll, dass eine Band wie Element Of Crime eine Goldene Schallplatte bekommt. Aber das ist toll für ein paar Tage, das verändert nicht mein Leben. Aber es wäre auch komisch, wenn man nach all den Jahren auf so einen Kram noch total scharf wäre. Man freut sich, es gab auch eine lustige Party, aber dann war auch wieder gut.
motor.de: Sie werden von vielen Leuten als Kumpeltyp gesehen – jemand, mit dem man gerne ein Bier trinken gehen würde. Nervt es Sie, von Fremden für eine Art Bekannten gehalten zu werden?
Regener: Es ist kein Problem, so lange es aus der Musik heraus kommt. Wir haben ja kein Promi-Ding am Laufen. Es ist nur das Fernsehen, das eine Form von Prominenz schafft, die völlig abgekoppelt ist von dem, was die Leute eigentlich tun. Natürlich wird in den Sänger einer Band, deren Songs einem etwas bedeuten, viel hinein gelesen. Wer allerdings seine fünf Sinne einigermaßen beisammen hat, ist sich im Klaren, dass dies nur Projektionen sind, die nicht notwendigerweise etwas mit der Realität zutun haben müssen. Wir haben auch eine gewisse Distanz zu den Leuten, das Kumpelige ist unsere Sache nicht. Ich mache keine großen Ansagen, weil ich den Abstand zwischen Bühne und Publikum mag. Rumkumpelei von jemandem, der auf der Bühne steht, hat auch etwas Seltsames. Wir sind eben nicht alle gleich, die Einen stehen auf der Bühne und die Anderen stehen unten und gucken es sich an. Warum soll man versuchen, diese Gräben zu überwinden? Ich halte auch nichts von diesen „Egonasen“, diesen Stegen, die ins Publikum hineinragen und wo man zum Händeschütteln hingeht. Wir sind eher zurückhaltende Typen, uns sieht man auch nicht im Fernsehen rumtalken. Ich als Literat mache das vielleicht einmal, aber nicht als Musiker. Wir gehen ins Fernsehen und spielen die Musik und das reicht dann. Ich will nicht, dass man das mit dem richtigen Leben verwechselt. Das ist in der Kunst immer ein Fehler und von Schaden für beide Seiten.
motor.de: Wie groß ist denn die Schnittmenge zwischen den Sven-Regener-Lesern und den Element-Of-Crime-Hörern?
Regener: Das ist kann ich nicht beurteilen, weil ich darüber nicht spekuliere. Die Größenordnungen sind natürlich andere, „Herr Lehmann“ hat sich mittlerweile über zwei Millionen Mal verkauft. Das ist ein Megabestseller. So einen Megahit hatten Element Of Crime nie – was für die Band glaube ich ein Glück war. Wenn wir früh so einen Hit gehabt hätten, würde es die Band schon lange nicht mehr geben. Ich mag es auch nicht, das Literarische und das Musikalische miteinander zu verquicken. Ich bin bei Element Of Crime, auch wenn es vielleicht anders wirkt, nur einer von drei, vier Leuten. Das ist nicht meine Band, nicht mein Soloprojekt. Ich bin nicht alleine dafür verantwortlich, im Gegensatz zu den Büchern. Man kann die Romane mögen und die Musik scheußlich finden und umgekehrt. Das ist aber kein Problem, da ist die Kritikfähigkeit noch voll vorhanden. Man kann die Leute nicht in Geiselhaft nehmen. Jeder weiß wie sehr Musik, aber auch Literatur, Geschmacksache sind. Es gibt keinen direkten Zusammenhang, und wenn man das weiß, ist man auch nicht versucht, in irgendeiner Weise Crossmarketing Promotion zu machen. Es ist immer klüger, das sauber zu trennen. Ob nicht einige Leute über die Bücher erst auf die Band aufmerksam geworden sind und dann begonnen haben, die Musik zu mögen, ist wieder eine andere Frage. Aber es gab keinen Mega-Popularitätsschub durch die Bücher.
motor.de: Waren Sie nach dem Lehmann-Hype und der Fokussierung auf Sie froh, sich wieder in die Band zurückziehen zu können, wo alles auf mehrere Schultern verteilt ist?
Regener: Das kann man so nicht sagen. Ich konnte nicht ahnen, dass die Bücher so ein Erfolg werden. Aber ich wusste, wie es in der Kulturindustrie läuft, insofern war ich als Literat relativ gut vorbereitet. Ich habe in keiner Hinsicht gelitten, auch wenn ich sehr viel für die Bücher getan habe. Allerdings war ich froh darüber, dass wir wieder Musik gemacht haben. Das ist unser Leben. Es macht aber keinen Sinn, alle zwei Jahre eine Element-Of-Crime-Platte zu machen, die wären zu ähnlich. Für mich ist wichtig, dass man alles nacheinander macht. Wenn ich an einem Buch schrieb, schrieb ich niemals Songtexte.
motor.de: Zwei von drei Lehmann-Romanen spielen in Berlin, Sie selbst wohnen auch dort. Brauchen Sie die Großstadt, um kreativ zu sein?
Regener: Das weiß ich nicht genau. Mit dem ersten Lehmann-Buch habe ich angefangen, als ich noch in Hamburg gewohnt habe. Man entwickelt ja eine Geschichte aus der Vorstellungskraft heraus. Es genügt als Künstler nicht, einfach abzupinseln, was man sieht. Das wäre total langweilig. Es geht darum, etwas Neues zu schaffen, und das macht man aus seinen Gedanken heraus. Man trägt die ganze Welt in seinem Kopf. Natürlich kann ich keinen Roman in Berlin spielen lassen, wenn ich keine Ahnung von der Stadt habe. Das würde nerven. Ich kenne nur drei Städte, Berlin, Hamburg und Bremen. Deshalb kann ich kein Buch in Paris spielen lassen. Bei meiner Art von Romanen geht das nicht, weil man sich sonst nicht in die Figuren hinein denken kann, die einen gewissen Realismus brauchen. Ich bin als Typ ein Stadtmensch, aber das wäre ich auch, wenn ich keine Kunst machen würde.
motor.de: Angesichts von aktuellen Themen wie Afghanistan-Krieg und Finanzkrise: Inwieweit kann und sollte Popmusik politisch sein?
Regener: Da könnte man auch die Gegenfrage stellen: Wie musikalisch sollte Politik sein? Wollen wir die Aufklärung in der Politik, Formen wie Diskussion, Abstimmung, oder wollen wir das, was in der Kunst gilt? Kunst und Politik sind zwei gleichberechtigte Überbau-Phänomene. Beides zu vermischen, ergibt nur schlechte Kunst und schlechte Politik. Würde man ernsthaft denjenigen wählen, der am besten singt? Kunst ist Geschmackssache, in der Politik geht es um Vernunft. Wenn jemand seine Musik mit einer bestimmten politischen Haltung verquickt, muss er damit rechnen, dass ich seine Aussage nicht mag, weil ich seine Musik nicht mag. Die Kunst ist ein schlechtes Medium für Politik. Die singenden Staatsoberhäupter dieser Welt sind die Berlusconis. Und diesen verwirkten Amateuren von Rockmusikern würde ich meine Stimme auch nicht geben. Das sind verantwortungslose Quatschköpfe. Ich lasse mir nicht von Bono die Welt erklären.
Interview: Eric Bauer
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