(Fotos: Beggars Germany)
Nach ihrem Über-Hit „Jungle Drum“ aus dem Jahr 2009 machte ich Emiliana Torrini erst einmal rar, anstatt sich überstürzt mit neuen Studio-Projekten zu beschäftigen. Die Gründe dafür waren seltsame Erlebnisse auf Kirmes-Veranstaltungen und lange Gespräche mit Hebammen und Kleinkindspielzeug-Vertretern. Aber lest selbst:
Wer aus Island stammt und in den vergangenen zwanzig Jahren versuchte, mit Hilfe melancholischer Pop-Klänge internationale Häfen anzusteuern, der musste seinen Kutter zwangsläufig mit der Yacht von Björk vergleichen lassen. Emiliana Torrini kann davon ein Lied singen – schließlich war die Sängerin aus Kópavogur, der zweitgrößten Stadt Islands, eine der ersten, die sich nach Björk auf den Weg in Richtung Festland machte: „Ich glaube, dass viele Menschen früher dachten, das Björk die einzige Isländerin wäre, die professionell Musik macht“, sagt die zierliche Bardin.
Mittlerweile habe sich ihre Heimat aber von der Alleinherrschaft der Grande Dame des Art-Pop weitestgehend befreien können, verrät uns Emiliana. Da kommt natürlich Freude auf: „Ich finde Björk auch toll. Sie ist eine wunderbare Künstlerin. Aber ich denke, dass die isländische Musiklandschaft noch viel mehr zu bieten hat. Ich bin jedenfalls froh, dass ich nur noch selten mit ihr in einen Topf geworfen werde.“
Emiliana Torrini ist eine ruhige Frau. Trotz ansteckendem Lächeln und elfenhaftem Charme, wirkt die brünette Sängerin mit dem betörenden Organ eher schüchtern: „Ich bin einfach ein sehr langsamer Mensch. Ich bewege mich langsam. Ich atme langsam. Ich rede langsam. Und manchmal brauche ich für eine Antwort auch etwas mehr Zeit. Das ist halt so. Und wenn dann jemand kommt, der auf die Schnelle etwas aus mir herausquetschen will, dann ärgert mich das“, verrät mir Emiliana.
Dazu will ich es natürlich unter keinen Umständen kommen lassen – also lehne ich mich zurück, atme tief durch und wühle etwas in der Vergangenheit. Da war doch dieser Hit namens „Jungle Dum“. Der hat nun schon vier Jahre auf dem Buckel. Warum sitzen wir aber erst jetzt hier und unterhalten uns über den Longplay-Studio-Nachfolger „Tookah“? Versucht man nicht gleich nachzulegen, wenn sich ein Song in die internationalen Hitlisten katapultiert? Emiliana klärt mich auf: „Der Song war vergleichbar mit einem verrückten Kind, das raus will und spielen. Und plötzlich waren da unzählige andere Kinder, die mitspielen wollten. Das war eine ganz verrückte Zeit für mich. Der langsamste Mensch der Welt wurde praktisch über Nacht mit Trubel und Hektik konfrontiert. Das konnte nicht gutgehen. Alle wollten mehr davon, aber es ging irgendwie nicht.“
Irgendwann wurde es gar skurril: „Eines Tages sah ich sogar eine Tuba-Band auf einer Kirmes, die „Jungle Drum“ spielte. Das war lustig, aber auch irgendwie bizarr“, erinnert sich Emiliana. Die Folge: Die Sängerin braucht Abstand. Das sieht auch ihr Lebenspartner so. Und so werden die beiden im Jahr 2010 Eltern und unterhalten sich in der Folge mehr mit Windel- und Mobile-Experten, als mit neugierigen Musikjournalisten und Fanclub-Vertretern. Der Sohnemann bringt Ruhe ins Leben der Torrinis. Es machen sich aber auch gänzlich neue Gefühle bei der frischgebackenen Mutter breit: „Für mich begann plötzlich ein völlig neues Leben. Da waren all diese Glücksgefühle, diese unbeschreiblichen Momente, wenn man sein eigenes Kind in den Armen hält. Ich hatte aber auch viel Angst. Ich war mir ganz oft unsicher, ob mein Kind in dieser Welt glücklich werden könnte. Das ist schwer zu beschreiben. Da war ganz viel Unsicherheit präsent. Aber ich war auch endlos glücklich. Dieses Hin und Her war eine große Herausforderung für mich“, so Emiliana.
All die neuen Erfahrungen und Stimmungen machen auch vor Emilianas Musik nicht halt. Und so präsentiere sich das in den vergangenen drei Jahren entstandene Album „Tookah“ wie ein Spiegelbild dessen, was die Künstlerin in der jüngeren Vergangenheit erlebt und erfahren habe. Wer besonders tief gräbt, werde auch fündig: „Das eigentlich Neue breitet sich im Inneren des Albums aus. Natürlich war ein neuer Sound auch wichtig. Ich wollte mich nicht wiederholen. Aber der eigentliche Unterschied zu älteren Werken, ist der Vibe unter der Oberfläche.“ Und wie nennt sich das Ganze jetzt? Wie wäre es denn mit Synthie-Folk? Emiliana lacht: „Yeah, das klingt doch cool. Warum nicht?“
Kai Butterweck
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