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Erdmöbel im Interview

(Alle Fotos: Matthias Sandmann)

Erdmöbel sind trotz Lobpreisungen aus allen feuilletonistischen Ecken immer eher Geheimtipp als Hype gewesen, ein konstant wachsendes Mikrophänomen. Die neue Scheibe "Kung Fu Fighting" bietet erneut die gewohnte, nicht zu Kopf gestiegende Verkopftheit. Geplänkel durch Ton- und Taktarten über immer fühlbarer, poppiger Basis. Die Texte kommen einem fremd vor, wie aus einer anderen Sprache, von der man nur Schnipsel zu verstehen fähig ist. Wir haben den Sänger und Texter Markus Berges nebst Produzent und Bassist Ekki Maas getroffen. Ein langes, interessantes Gespräch über Sound, social media, Songwriting und die Loslösung von Idolen.

 

Ihr seid ganz in Pink, das Cover ist ja auch ganz in Pink. Steckt da etwas dahinter?

Maas: Dahinter steckt, dass das Cover pink ist. Ich hab das Cover mit meinem Handy fotografiert.

Berges: Wir haben das jetzt nicht weiter interpretiert. Wenn wir jetzt selber darüber nachgedacht haben, dann fanden wir es einfach interessant, auch für uns selber irgendwie fremd und neuartig und wir interpretieren unsere Musik ja nicht selber.  Insofern hatten wir einfach gedacht wir tun damit ein spannendes Assoziationsfeld auf, den Eindruck hatten wir selber für uns und das reichte dann auch schon. Und dass wir jetzt irgendwie Lust hatten, dass wir dann aus unseren bunten Anzügen steigen konnten vom letzten Mal und uns neue Klamotten kaufen konnten und auch noch welche, die recht schwierig zu besorgen sind, war dann einfach ein schöner Effekt und wir haben das dann einfach gemacht.

Maas:  Wir haben dann auch überlegt, wie schwer das ist in Köln auf der Straße aufzufallen, weil ja alle Leute irgendwie verkleidet sind, das ganze Jahr über. Man muss ja sagen, so haben wir‘s geschafft, selbst am Eigelstein, als wir da zu viert in rosa daher gelaufen sind, haben uns die Leute nachgeschaut. Die Frauen haben uns immer angelächelt, war auch ein komisches Gefühl, auch etwas unangenehm.

Und die Männer?

Berges: Die Männer auch, aber nur die gut Aussehenden! [lacht]

Ihr seid ja schon, wie soll ich sagen, alte Hasen im Geschäft. Und wenn wir über Eure neue Platte sprechen wollen, fällt mir ein: Habt ihr damals die ganze Vinylgeschichte eigentlich noch mitbekommen, die jetzt wieder aufkeimt?

Maas: Nein, also eigentlich sind wir angefangen als das mit dem Vinyl endgültig vom Tisch war. Gleichzeitig war das auch eine große Erleichterung, weil man ja immer diese Testpressung anhören musste und dann so maßlos enttäuscht war, wie schrecklich das klang. Und bei CD’s fiel das eben einfach komplett weg. Und diese Wahrnehmung hat sich komplett geändert, ich freu mich ja auf die Testpressung, die wir uns morgen anhören und ich freu mich auch auf die Veränderung, die dadurch eingetreten ist. Es wird einfach anders klingen, erstens wegen der Pressung und zweitens wegen des Plattenspielers, den ich habe. Und das wird sich verändern und ich bin auch sicher, dass es trotzdem gut klingen wird. So eine Varietät find ich eigentlich gut, ich freu mich drauf! Genauso wie ich mich freue, wie die Musik über Handylautsprecher oder einen Laptop klingt, jedes Mal ein neues Erlebnis, toll! Ich hab zuhause auch lauter so kaputte Anlagen stehen und hör das jedes Mal neu.

Ist das nicht eher schrecklich, wenn  man sich das über einen Laptop anhört?

Nee, ich hör die Mixe auch tatsächlich hinterher auf dem Laptop ab und gucke ob das da auch gut funktioniert. Man gewöhnt sich an schlechten Sound sehr, sehr schnell! Das Ohr ist anders als die sonstige Wahrnehmung, es gewöhnt sich daran und fügt die fehlenden Frequenzen dazu, als höre man den Bass irgendwie, obwohl es ihn gar nicht gibt. Schon verrückt, was das Ohr kann. Dadurch, dass die Mitten so betont sind, werden plötzlich ganz andere Sachen wichtig.

Ich finde es auch ganz interessant, wie damit wieder umgegangen wird. Dieser Sound und alles was dazu gehört, ich glaub früher ging es vielleicht viel mehr um das ganze Drumherum: Artwork, Image usw. Jetzt hört man vielleicht wieder mehr auf die Töne, wenn von der Musik nichts mehr bleibt als die Musik.

Berges: Aber als die CD erfunden wurde, war es genau umgekehrt. Alle Leute sagten: „Das klingt ja jetzt viel geiler“ Genau das was du gerade gesagt hast, haben eine Menge Leute gesagt, als die CD eingeführt wurde: „Jetzt endlich kann man hören, wie die Musik damals gedacht war, endlich haben wir nicht mehr diesen scheiß Vinylsound“ Und dann fingen die Produktionen an sich zu verändern, mehr Höhen kamen rein, nämlich genau das, was man heute gar nicht mehr hören kann und nicht ausstehen kann, das hat sich ja damals gerade vermittelt. Das hat sehr viel mit der psychischen Wahrnehmung zu tun und da ist auch nichts gegen einzuwenden. Ist auch schön, dass sich das so verändert. Aber das eine wie das andere ist jeweils nur ein Zugang dazu, und es gibt nicht den einen, wahren Zugang.

Maas:  Man muss ja auch überlegen, dieser Hi-Fi Gedanke, dass etwas naturgetreu wiedergegeben wird, das ist total absurd!. Da hängt schon ein Mikrofon vor dem Ding, wo das Mikro steht ist wichtig und Es funktioniert null wie die Ohren. Dann kommt es auf den Tonträger an. Es ist inzwischen digital, da verändert sich nicht wirklich was. Früher hat sich was verändert, wenn es aufs Band kam. Das fand man dann schön oder hat sich dran gewöhnt, inzwischen ist es aber so, dass diese Sachen sehr gut nachgemacht werden. Da merkt man dann, Scheiße, das ist es eigentlich doch nicht. Also wie gesagt, das ist alles ziemlich modisch und psychisch, was man hört. Und es ist definitiv eine andere Hörerfahrung, als mit Vinyl. Und man hat vielleicht in seiner Küche extra einen Plattenspieler stehen. Um es sich gemütlich zu machen legt man die eine Seite der Platte auf und die dauert nur 20 Minuten! Dieses Zelebrieren der Musik ist eine Sache, die kriegt man nur mit einer Vinylplatte auch hin und mit dem ganzen Drumherum. Vielleicht findet man auch das Knistern so gemütlich, wie das Knistern eines Lagerfeuers. Ich hab auch Aufnahmen gemacht, auf der ersten Platte, da haben wir hinter die Aufnahme leichtes Knistern gelegt und man hat den Eindruck es klingt besser. Das tut´s nicht immer aber bei dem Stück, das hatte viel Luft, ich glaub „Sommer ist vorbei“ war das. Da ist im Hintergrund immer so ein Papierknistern, ganz leise.

Und nehmt ihr jetzt digital auf?

Ja, volle Kanne! Das ist so viel Computer wie nur geht. Plus natürlich richtige Instrumente, keine Plug-Ins, die die Töne machen, sondern Plug-Ins, die das Mischpult ersetzen.

Achso, ich hatte schon vermutet, dass ihr möglichst analog aufnehmen würdet! Weil das neben dem Schallplattenboom ja auch wieder in Mode ist.

Maas:  Also ich find das kompliziert! Ich finde den Sound meiner 16-Spur ganz toll, hab aber ganz leicht Abschied genommen von der scheiß Kiste, wo die Bänder für eine halbe Stunde ein paar hundert Mark kosteten und ich dann auch nichts mehr verändern oder schneiden und zusammenfügen konnte.

Berges:  Ich glaube es hängt auch in bisschen davon ab, wie man als Band arbeitet. Ich denke für manche Bands kann das auch total reizvoll sein, gerade sich in der Beziehung noch mal zu reduzieren. Im Grunde musst du, wenn du nicht Jahre im Studio verbringen willst, auch viel live zusammen einspielen und das kann auch toll sein. Das ist immer so eine Traumvorstellung, back to the roots, so eine Phase hat jede Band und dafür ist es dann toll diese Reduzierung zu haben und dazu passt dann auch der Sound. Unser Arbeitsansatz ist aber insgesamt sehr viel theoretischer und experimenteller, auch wenn man das am Ende gar nicht so hört und es sich am Ende so anhört als würde eine Band spielen. Erfunden ist es am Computer!

Maas: Auch schon ab dem ersten Album, obwohl wir damals noch gezwungen waren die Sachen einzuüben, weil das noch auf Band aufgenommen wurde, aber arrangiert wurde es theoretisch. Bereits die zweite Platte war Hard Disc Recording. Zwar noch nicht über Computer, aber da fanden wir es halt toll, die einzelnen Teile aufzunehmen und danach zusammenzufügen. Dann kam ja auch tatsächlich eine elektronische Phase, in der ich richtig elektrisch gearbeitet habe, da sind wir aber ganz weg von. 

Wir erfinden die Sachen am Computer, dann muss der arme Pianist das tatsächlich am Stück spielen. Es wird erfunden, wir nehmen kleine Stücke auf, die wir zusammen setzen, wir achten schon darauf, dass er das auch spielen kann. Und anhören soll es sich dann wie jemand, der auch Klavier spielt. Da gibt es auch keinen Ersatz dafür. Wenn du die Töne samplest und am Computer zusammensetzt, dann klingt das anders. Das ist ein Sound den wir verabscheuen mittlerweile, trotzdem machen wir eigentlich elektronische Musik. Wir mögen diesen Zwiespalt. Wir erfinden die Sachen nicht während des Spielens. Wenn man so lange Musik macht wie wir, dann fällt einem auf: man spielt eigentlich immer nur das Gleiche. In den Fingern liegt einem immer das Selbe! Ein Gitarrist spielt immer dasselbe Scheißriff und der Rest der Band ist total genervt. Und das wollen wir vermeiden.

Das find ich wirklich interessant, könntet ihr noch kurz darauf eingehen? Also wie setzt ihr das dann zusammen?

Maas: Also ich bin ja der Produzent, ich hab den Song bekommen von Markus als Demo und der ist meistens schon so am PC gemacht, also dass er sich ein Playback gebastelt hat. Dann geht’s ein bisschen hin und her.

Also Du machst es nicht so Singer/Songwriter-mäßig, dass du den Text und die Akkorde mitbringst und darüber wird dann variiert?

Berges: Es ist unterschiedlich aber schon beim Komponieren geht’s darum, davon wegzukommen was mir so in den Fingern liegt und mir immer einfällt. Und das mach ich dann indem ich dann mit Samples arbeite. Insbesondere habe ich dieses Mal auch mit harmonischen Samples gearbeitet. Zum Beispiel Piano Samples, die unser Pianist gemacht hat. Die ich hab ich dann teilweise gekürzt, verändert oder gegen den Rhythmus als Loops laufen gelassen und solche Sachen, so dass ich dann auf andere harmonische Ideen gekommen bin und damit gearbeitet habe. Und dann ist meistens die erste Version des Songs fertig und dann dreht Ekki an der Idee, die er dann hat, sowohl rhythmischer als auch harmonischer Natur. Wobei meistens ist es eigentlich so, dass Melodien dazu kommen, die ich manchmal sogar als harmonisch abwegig empfinde, oder in der Bridge, dass dann an einer Stelle z.B. eine Akkordfolge geändert wird. Das ist dann für mich oft sehr gewöhnungsbedürftig, weil ich das nicht direkt verstehe und mir das einfach komplett anderes gedacht hatte. So geht es dann meistens so hin und her.

…ihr lasst das dann so laufen?

Wir machen das oft so, dass wir einfach Mp3’s hin und her schicken. Markus war oft gar nicht da im Studio, er hat aber parallel die Songs geschrieben. Dann krieg ich Kommentare zu dem was ich da gemacht habe und dann wird noch mal in andere Richtungen geschaut von allen Bandmitgliedern. Ich sitze da so wie jemand, der Noten schreibt, nur dass ich die Sachen direkt aufnehme und den restlichen Bandmitgliedern zeige und sie frage „Guck mal hier, wie würdest Du das spielen?“ Ich weiß oft ziemlich genau was ich will und beschreibe das dann, auch wenn das mit Worten nicht so exakt möglich ist. Sehr irrationale Sache, aber es läuft sehr über den Kopf, also Intuition. Nicht, dass man irgendwie jammt und über das Feeling geht und so… Aber Feeling will ich gar nicht so schlecht machen. Es ist oft auch die erste Idee, die mir in den Kopf kommt, das ist dann auch schon die endgültige Idee. Ich nehm ein Mikrofon, sing eine Melodie an der Stelle, wo ich denke, da muss was hin und dann bleibt es meist diese Idee. Ich hab nicht das Gefühl, dass es jetzt noch etwas komplizierter oder besser sein muss als die erste Idee, die ich da hatte. Und an den Stellen, an denen ich unsicher war hab ich vielleicht etwas Undefinierbares gesungen, da fällt mir dann ein, wenn ich mir das einhöre ein, was mir noch fehlt. Sehr irrationale Art zu arbeiten und dennoch eine sehr intellektuelle Arbeit. Das ist kein Soul, was wir machen.

Diese Arbeitsweise klingt sehr modern.

Berges: Ja, aber wir machen das nicht weil es modern ist. Früher haben wir auch noch mehr im Studio zusammen gesessen, es geht ja eher darum, was machbar ist. Wenn die Haltung stimmt, dann ist einfach vieles beflügelnd. Und darum geht’s eigentlich. Es geht wahrscheinlich bei jeder künstlerischen Zusammenarbeit darum, sich zu beflügeln.

Ihr seid in letzter Zeit sehr Social-Media-affin und posted sogar Fotos im Instagramstil.

Maas: Schon lange, ja. Weil wir drauf angewiesen sind Kontakt zu halten mit den Leuten, die uns gut finden, ist das eine ganz natürliche Sache. Früher haben wir immer Newsletter verschickt und so. Das ist sehr viel indirekter. Über Facebook kriegt man eben doch eine Art von Kontakt hin, die wir sehr schätzen. Die ist jetzt nicht besonders persönlich aber man kann immer wenn etwas passiert ohne zu nerven diese Informationen rüberbringen. Früher kriegte man sogar Protestbriefe zurück. Newsletter schicken wir schon seit 2000, daher ist das gar nicht so eine große Umstellung.

Berges: Außerdem ist es auch so, dass wir Sachen die wir machen ganz anders präsentieren können. Früher haben wir auch mit kleinem Budget ein Video gedreht und dann gab es diese beschissene Vorstellung bei MTV, eine Konferenz, das wussten wir dann von unserem Management: So heute ist der Tag wo bei der MTV Konferenz über unser Video entschieden wird. Und dann wurde entschieden, dass wir irgendwie 1BBB Rotation bekommen oder so.

Wann war das ungefähr?

So Ende der Neunziger Jahre, 2000 bis 2002. Zu der Zeit war es ja noch üblich Unsummen für Videos auszugeben, das konnten wir natürlich nicht, aber wir haben trotzdem ganz schöne Sachen gemacht. Und die wurden dann eben auch mal gesendet und das war für heutzutage so eine absurde Situation und gut, dass es diese Scheiße auch nicht mehr gibt. Wir machen jetzt unser Ding, wir können es online stellen und wer es sehen will kann es sehen und wir haben auch noch in der Hand selber ein bisschen Aufmerksamkeit dafür zu erzeugen.

Maas: Und wir kriegen Feedback! Wir haben jetzt gerade ein Video, was nicht jedem so leicht runter geht. Da gibt es ganz viele Männer, die das ganz ekelhaft finden.

Was? Die [Dame aus dem Video] ist doch hübsch?

Dennoch! Wir wussten, dass das auf gemischte Gefühle stoßen würde, aber die Frauen fanden es gut! Die haben auch eher ein positives Verhältnis zu Küssen und Kinder finden das auch nicht so gut.

Berges:  Also die Tatsache, dass man jetzt alles selber in der Hand hätte dadurch ist natürlich erst mal Propaganda, aber da ist auch was Wahres dran. Tatsächlich sorgt es ja nicht dafür, dass man komplett frei wird aber es ist auch nicht so, dass es nicht auch echte Möglichkeiten geben würde und Möglichkeiten der Selbstbestimmung. Und für eine Band, die da steht wo wir stehen, auch mit einem eigenen Label, bietet das jetzt tatsächlich Möglichkeiten die andere sind, als noch Ende der Neunziger. Und das ist schön. Das sieht für eine Band, die ganz am Anfang steht noch ganz anders aus und da ist es oft reine Rhetorik wenn da erzählt wird „Ey macht doch einfach, ihr habt doch alle Möglichkeiten! Ihr könnt doch alles selber machen!“ Aber es bringt tatsächlich auch Freiheiten mit sich und das ist total schön.

Maas: Zum Beispiel die Freiheit, dass wir jetzt gesagt haben, wir brauchen keine Plattenfirma, wir sind selber die Plattenfirma. Das ist kein Nachteil, das hat uns Freiheiten geschenkt. Die Leute, die für uns arbeiten sind ja größtenteils dieselben. Nur, dass wir es eben selber finanzieren und die Streitereien jeden Tag mit dem Produktmanager wegfallen. Wir hatten noch mal ein Angebot bei dem wir fast weich geworden wären, ich bin froh, dass das nicht geklappt hat. Wir fühlen uns so viel besser.

Hängt da nicht auch viel mehr Arbeit dran?

Ja, die Arbeit, die da dran hängt haben wir auch sowieso immer selber gemacht. Die ganzen Ideen, die wir dafür haben, dass wir ein bisschen Aufmerksamkeit bekommen, stammen von uns. Also wir haben eins, zwei Male den Fehler gemacht, dass wir gedacht haben: „So, jetzt arbeiten wir mit Profis zusammen, bei einer großen Plattenfirma, die wissen schon was sie tun“ und dann kam nix! Da kamen nur Sachen, die man nicht so gerne machen wollte und die peinlich waren. Insofern ist das für uns jetzt der Idealzustand.

Berges: Wir sind auch immer sehr eigensinnig gewesen. Wir waren da auch nicht immer die unkompliziertesten Partner weil wir zum Teil auch ziemlich genaue Vorstellungen hatten und uns nicht einlassen wollten auf Sachen.

Maas: Als wir noch bei Sony waren haben wir auch Sachen mitgemacht aus Witz, obwohl wir eigentlich dachten das wär Quatsch. Zum Beispiel haben wir im ZDF Fernsehgarten gespielt. Und das war auch totaler Quatsch. Kein Mensch, der das geguckt hat ist hinterher auf unserer Homepage gewesen, das können wir beweisen anhand der Zahl. Also wir haben da eine super beliebte Fernsehsendung mitgemacht und da stimmte einfach die Zielgruppe sowas von überhaupt nicht, wir haben uns nur zwei Tage lang in so einen Container sperren lassen mit Michael Holm bei Wasser und Brot! Da gab es nämlich nichts.

Echt? Aber es war wenigstens witzig?

Berges: Aber das war super, einer der schönsten Tage des Jahres. Es war sehr witzig…

Maas: Also wir haben da jetzt nicht so die Berührungsängste aber wir wissen, dass uns manches halt nichts bringt.


Erdmöbel – Aus meinem Kopf (Can't Get You Out Of My Head) on MUZU.TV.

Aber ihr habt jetzt ja nur die positiven Aspekte der Digitalität aufgezählt, dass man was das Produzieren angeht viel billiger da steht und dass sofort…

Maas: Aber es ist ja auch umgekehrt: billiger muss es ja sein, weil kein Geld da ist. Und von der Plattenfirma kriegt man auch kein Geld für ein Video. Das war immer so viel, dass man gerade eben die Unkosten bezahlen konnte und alle Leute, die dafür arbeiteten -wenn man's vernünftig machen wollte- das umsonst machen mussten. Und das war Scheiße und da muss man sich drauf einstellen, dass das so ist. Da kann man sagen durch Youtube ist es möglich geworden, dass man auch Videos macht, die sagen wir mal Fernsehansprüchen nicht genügen. Das muss jetzt auch nicht schlechter sein.

Berges: An welche schlechten Aspekte denkst du denn?

Na es kann ja jetzt quasi jeder Musik machen! Alles ist relativ günstig, jeder hält sich für einen großen Musiker und lädt sein Video zu Youtube hoch. Die Selektion der Labels, die vielleicht nicht immer gerechtfertigt war und nur entprechend kommerziellen Interessen funktionierte, stellte ja dennoch irgendwo eine Vorauswahl für denjenigen Hörer her, der sich vielleicht nicht so viel mit Musik beschäftigt hat.

Maas: Du meinst das Angebot ist jetzt viel zu groß?

Genau, ich werde überschwemmt von tausenden, neuen, gleichklingenden Bands.

Maas: Aber das ist eine Realität, der entflieht man überhaupt nicht dadurch, dass man bei einer Plattenfirma ist. Diese Realität ist einfach da. Ich glaub dem Kunden ist das auch einfach egal, ob da eine Plattenfirma da ist, oder nicht.

Aber die Plattenfirmen hatten zumindest eine Auswahl getroffen!

Maas: Also keine gute! Zumindest nicht in Deutschland! Muss man wirklich sagen… Das was wir hören wollten hat mir nicht gereicht.

Berges: Das Einzige was ich dazu sagen kann ist, dass als es das Internet noch nicht gab, hatte ich für mich selber immer den Eindruck, ich hätte  eine Band, die unbedingt einen fetten Plattenvertrag verdient hätte, aber wenn ich mich umgesehen hatte, hatte ich auch nicht das Gefühl, ich wäre von tausenden Bands umstellt, die auch einen verdient hätten. Will sagen: Ich hab das vorher auch nicht so wahrgenommen, als wenn das jetzt so gewesen wäre, dass es vorher einen Unterschied gegeben hätte. Ich musste mir selber ein Bild machen, auch damals. Ich hab nicht das Gefühl, dass sich dadurch so viel verändert hat. Aus Hörerperspektive finde ich nicht, dass es schwerer geworden ist, gute Musik zu finden, also mich stört es nicht

Maas: Also ehrlich gesagt, es liegt an vielen Sachen, aber ich hab den Eindruck, dass es jetzt doch einige Bands gibt, die ankommen und mir gefallen. Das ist noch nicht lange so, sondern auch ein Effekt des Internets, dass eben Leute nicht ganz so schnell aufgeben müssen.

Berges: Dazu kommt natürlich auch noch der Aspekt, dass es auch Sachen zu entdecken gibt, die für dich persönlich richtig sind, die aber nicht erfolgreich sind. Von denen kann man Fan sein, hätte sie aber ansonsten gar nicht entdeckt. Oder nur so als Kenner, was ich nicht bin. Ich bin kein Nerd, der tausende Bands kennt. Ich bin aber in letzter Zeit Fan geworden von Sachen, die eigentlich nicht so bekannt sind. Eigentlich müsste man Nerd sein, um die zu kennen, ich bin aber einfach nur so auf die gestoßen. Ohne große Plattenfirmen…

Maas: Und dass es Sachen wie Facebook gibt trägt dazu bei, dass- wenn wir jemand aufgefallen sind- auch ein bisschen die Runde machen, zumindest bei seinen Freunden. Und da alle viel zu viele Freunde haben, gibt es da schon eine kleine Welle. Darwin Deez wäre ohne Internet nicht berühmt geworden und wird auch niemals ein ganz Großer werden. Aber die Leute kennen ihn halt, durch Facebook! Der macht tolle Videos, die werden weiter gepostet.

Habt ihr den schon mal live gesehen?

Ja, wunderbar

Der Wahnsinn, oder?

Berges: Zur ersten Tour sind wir zusammen gegangen, das letzte Konzert habe ich leider verpasst. Einer der bittersten Tage meines Lebens.

Welche Bands interessieren Euch gerade sonst noch so?

Maas: Was ich zurzeit gut finde ist Die Höchste Eisenbahn, das ist der Sänger von Tele und noch so ein anderer Freak. Eine sehr gute Band. Die sind nicht sonderlich bekannt, aber die sind toll, haben gerade eine EP gemacht oder so… und ohne Internet hätte ich nie etwas von denen gehört.

Berges: Aber im Allgemeinen ist es so, dass aktuelle Musik, oder überhaupt das Gespräch über Musik für uns als Band eigentlich fast komplett unbedeutend ist. Also wir empfehlen uns schon gelegentlich mal etwas, aber oft ist es auch so, dass wir unterschiedliche Vorlieben haben, also dass wir wirklich gemeinsam von etwas begeistert sind, das ist doch eher selten der Fall. Und für die aktuelle Arbeit spielt es dann schon gar keine Rolle, dass wir jetzt denken „Okay, das hat uns jetzt da gefallen, lass uns doch sowas ähnliches versuchen“ was ich auch vollkommen legitim fände…

Maas: Wir hatten auch überlegt, ob wir auch so tanzen sollten auf der Bühne. Wie Darwin! Aber dann haben wir auch gedacht: „Nee, das sieht nicht aus!“ Wir haben nicht mehr das Problem, das junge Musiker haben, dass man irgendwie Idolen nacheifert. Wir haben ja keine Idole mehr.

Ihr habt keine Idole mehr?

Klar hab ich Idole, aber keine, denen ich nacheifere.

Keine aktuellen?

Nee, auch keine Alten! Also ich war mein ganzes Leben lang ein Bob Dylan Fan, hab auch eine Zeit lang wirklich diese Songs gesungen, aber das spielt keine Rolle für mein Musikerdasein. Ich find den Typen als Person extrem merkwürdig und ich denke gern mal über ihn nach, wieso er so ist, aber das war’s auch schon.

Berges: Das geht mir ganz genau so. Idole sind für mich immer total wichtig gewesen, aber irgendwann kann für mich einfach der Punkt, an dem ich das Gefühl hatte, ich konnte für mich und meine eigene Arbeit nichts mehr lernen. Und gleichzeitig hab ich auch verstanden, was die denn machten. Das heißt jetzt nicht, dass die Musik ihren Reiz verloren hat für mich- aber ich hab verstanden was sie machten und dieses Rätsel – wie macht man das, sowohl in musikalischer Hinsicht bei Gitarristen –wie spielt der das?- aber vor allen Dingen auch als Songwriter, ich kann das nicht, ich verstehe das auch nicht, warum gefällt es mir so gut? Diese Dinge, die für mich total lange wichtig waren und dann auch dazu geführt haben, dass ich imitiert habe, dass ich Sachen nachgemacht habe. Das ist total wichtig gewesen und auch total lehrreich, aber in dem Moment, in dem du es dann geschnallt hast und erfolgreich nachgemacht hast, ist die Sache natürlich gegessen. Irgendwann hatte ich auch alles nachgemacht und dann muss ja auch das Neue woanders herkommen. Und deswegen es ist nicht so, dass die Vorbilder bedeutungslos werden, aber ich hab nicht das Gefühl, dass ich da noch so wahnsinnig viel lernen könnte. Ein Idol ist ja jemand, dem man nacheifern möchte und es würde mein Leben total bereichern, wenn ich den mal kennenlernen könnte um ihm ein paar Fragen zu stellen. Das spielt für mich auch keine Rolle mehr.

Maas: Aber für mich ist ein Idol jemand, den ich nie kennen lernen möchte.

Berges: Oder vielleicht sollte

Maas: Aber ein Idol ist ja schon jemand, der so eine idealisierte Person ist. Und wenn du dann siehst wie langweilig dein Idol dann in Wirklichkeit ist, dann hast du da nichts von. So bescheuert. Ich kann mir gut vorstellen, dass die abends beim Fernsehen genau so langweilig sind, wie wenn ich das tue.

Berges: [lachend] Meine Idole gucken kein Fernsehen!

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