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!!!-Frontmann Nic Offer über David Bowie, Berliner Bürgersteige, die Macht der Drum Machines und die ganz spezielle Verbindung zwischen Publikum und Band.
Mit ihrem vierten Album „Strange Weather Isn’t It“ wagten sich Chkchkchk in diesem Sommer ein Stück weiter vor in electronische Gefilde. Grund dafür war neben unzähligen Besetzungswechseln ein halbjähriger Aufenthalt in der Club-Metropole Berlin, der die Band um Nic Offer nicht unwesentlich beeinflusst hat. motor.de traf Frontmann Offer vor der ausverkauften Show im Berliner Festsaal Kreuzberg und forderte ihn auf, während des Interviews zu malen, wie die neue Platte auf Acid funktioniert. Übermütig zeichnet Offer mit vier Stiften gleichzeitig, ärgert sich zwischendurch ständig über die Farbwahl und meint, seine Zeichnung sehe nach einem schlechten Trip aus. Das Ergebnis ist ihm so peinlich, dass er es behält, bleibt also Geheimnis der Redaktion. Ohnehin gibt sich Offer merkwürdig bodenständig an diesem Abend und fragt uns sogar, ob es schlimm sei, wenn man mal nicht am Berghain-Türsteher vorbeikommt. Ein ganz normaler Mensch bleibt Offer allerdings nur, bis die Show beginnt. Sobald die Scheinwerfer auf ihn gerichtet sind, schmeißt er, gemeinsam mit seiner teilweise neu besetzten Band, eine 60-minütige Party auf und vor der Bühne, schwitzend, halbnackt und immer ganz nah an der feiernden Menge.
motor.de: Ihr habt Teile eures aktuellen Albums hier in Berlin aufgenommen. Was waren die Gründe, die Platte gerade in dieser Stadt aufzunehmen?
Nic Offer: Vor allem waren es erstmal ganz einfach logistische Gründe.Tyler [Tyler Pope, Gitarrist von !!!; Anm. der Redaktion] lebt hier in Berlin und wir wohnen alle an unterschiedlichen Orten. Also müssen wir ständig einen Platz aussuchen, an dem wir uns zusammenfinden können um Musik zu machen. Das war unsere Chance an einem spannenden Ort wie Berlin zu leben. Natürlich kam auch die Romantik eines Berlin-Albums und die aufregende Clubszene dazu. Das wollten wir einfach mal erleben.
motor.de: Inwiefern hat die Stadt den Arbeitsprozess und die Platte insgesamt beeinflusst?
Nic Offer: Ich glaube nicht, dass hier in Berlin irgendetwas Magisches mit uns passiert ist, aber nach einem Tag, an dem man ununterbrochen Musik gemacht hat, in einen dieser Berliner-Clubs zu gehen, ist unglaublich inspirierend. Es war einfach Leben in einer neuen, merkwürdigen Stadt. Alles hat sich irgendwie frisch angefühlt. Für mich waren das beste Umstände um jeden Tag zu proben. Man fühlt sich einfach lebendiger, weil schon die Bürgersteige und Gebäude, die man täglich sieht, ganz anders aussehen, als man es gewohnt ist. Das war das wirklich Spannende für mich.
motor.de: Viele Musiker sind nach Berlin gezogen, um hier eine Platte auzunehmen. Was ist dein liebstes „Berlin-Album“?
Nic Offer: Ich denke, mein Lieblingsalbum ist „The Idiot“. Für mich ist das sowohl das beste Berlin-Album als auch die beste Bowie-Platte aller Zeiten. Ich bin in Berlin geboren worden, habe aber nur ein Jahr hier gelebt und kam nicht zurück in diese Stadt, bis ich zwanzig war. Das erste Mal war ich dann wieder mit Tyler hier und kurz danach war ich in Italien und dort hat mir jemand diese Platte vorgespielt. Irgendwie habe ich da eine Verbindung gespürt. Bowie war an einem komischen Ort als er diese Lieder schrieb. Außerdem hatte er gerade seine Band verlassen. Bei mir war das zu diesem Zeitpunkt ganz genauso. Ich habe mich wirklich sehr, sehr verbunden gefühlt mit Bowie und eben genau dieser Platte.
ChkChkChk – “Jamie, My Intentions Are Bass”
motor.de: „Strange Weather, Isn’t It“ ist sehr minimal-lastig. !!! klingen 2010 ein bisschen electronischer als auf den alten Alben. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Nic Offer: Auf unserem ersten Album haben wir nur einen einzigen Synthie in einem einzigen Song benutzt. Drum Machines hatten wir damals keine, allerdings haben wir immer viel electronische Musik gehört und versuchten meist diese Sounds mit unseren Gitarren zu imitieren. Das war eine erfrischende Sache für eine kurze Zeit, aber dann wollten wir noch ein Stück weitergehen. Das Spannende am Electro ist ja gerade, dass er so langsam in fast alle Musikrichtungen eindringt. Man sieht es ja an allen möglichen Bands, dass sie mit Gitarre und Schlagzeug anfangen und dann langsam immer electronischer werden. Am Ende arbeiten sie fast nur noch mir Synthies und Drum Machines. Das ist die typische Rock’n’Roll-Story.
motor.de: Eure neuen Stücke klingen ein ganzes Stück strukturierter. Fühlt ihr euch in der Hinsicht ebenfalls vom Techno beeinflusst?
Nic Offer: Nicht wirklich, das kommt eher daher, dass ich nun schon eine ganze Weile Songs schreibe und versuche, die Sache so gut zu erledigen wie es geht.
motor.de: Habt ihr euch fest vorgenommen, mit mehr electronischen Sounds zu arbeiten oder ist das einfach passiert als ihr nach Berlin gekommen seid und die Techno und Partykultur hier kennengelernt habt?
Nic Offer: Ich denke, das Leben in Berlin hat diese Entwicklung nur noch mehr in die Electro-Richtung gedrängt. Synthies und Drum Machines waren sowieso ein immer größerer Teil von !!! geworden und das Leben in Berlin hat diese Entwicklung dann ganz einfach noch begünstigt.
Chkchkchk live: Nic Offer in seinem Element
motor.de: Eure aktuelle Platte nennt sich „Strange Weather Isn’t It?“. Für mich ist das ein Satz, den man nur zu langweiligen Menschen sagt, die man kaum kennt. Wieso habt ihr euch gerade diesen Titel ausgesucht?
Nic Offer: Es ist vor allem interessant, dass wir ihn ausgewählt haben. Ich habe gemerkt, dass alle Menschen diesen Titel genauso interpretieren wie du. Allerdings ist das nicht, was wir meinen. Der Titel kommt aus einem vollkommen anderen Kontext. Und zwar aus einem Film namens „In The Mood For Love“. Die Situation ist folgende: Alles hat sich geändert zwischen Hauptdarsteller und der Hauptdarstellerin, sie können sich nicht mal mehr normal ansehen. Als sie sich dann auf der Straße entgegenkommen, ist das erste, was einer von beiden sagt „Strange Weather Isn’t It?“. Das ist eine sehr unangenehme Situation und keiner von beiden weiß, wo er bzw. sie anfangen soll. Das ist, was der Titel für mich bedeutet. Wir fanden, dass die neue Platte ziemlich „bitter“ ist und wussten nicht genau, wie wir damit umgehen sollten, also wollten wir einfach nur das Thema wechseln.
motor.de: Hängt das auch mit den ganzen Veränderungen innerhalb der Band zusammen? Drei Mitglieder haben !!! im letzten Jahr verlassen. Ihr seid also quasi eine komplett neue Band, klingt aber dennoch irgendwie nach !!!. Haben die ehemaligen Mitglieder „Strange Weather Isn’t It?“ trotzdem noch beeinflusst?
Nic Offer: Wir haben immer versucht, unsere Alben aus der Konstellation heraus entstehen zu lassen, so wie sie eben gerade war. Wenn die Gruppe sich geändert hat, wurde natürlich auch das Statement ein anderes und dann muss man sich wieder neu zusammenfinden. Die neuen Mitglieder beeinflussen die Platte natürlich auch irgendwie und sind Teil von !!!. So entsteht ein völlig neuer Sound.
motor.de: Schlussfrage: Wie wichtig ist es, dass die Leute zu eurer Musik tanzen?
Nic Offer: Es ist sehr, sehr wichtig, dass die Menschen im Publikum sich bewegen. Wenn wir spielen und sie nicht tanzen, fühlt es sich an, als würde ein schweres Gewicht auf uns liegen, aber wenn sie tanzen, heben wir ab. Für mich ist es fast essentiell, dass die Menschen auf unseren Konzerten ausrasten. Auf einer Show in diesem Jahr haben die Leute sich fast gar nicht bewegt. Das war wirklich hart für uns. Wir sind abhängig vom Publikum und während unseren Konzerten geschieht etwas einzigartiges zwischen den Leuten vor der Bühne und der Band selbst. Band und Publikum beeinflussen sich gegenseitig total und funktionieren nur miteinander richtig gut.
Interview: Lydia Meyer
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