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Es tut nicht mehr weh: MTV wird Bezahlsender. Die Geschichte wiederholt sich als Farce.
MTV, you’re dismissed!
„MTV nur noch verschlüsselt? Nein, unmöglich, falsch, muss verhindert werden!“ Als bekannt wurde, dass MTV sich nur noch gegen Gebühr empfangen lassen würde, war das Entsetzen groß. Und die Alternative war das pickelig-dämliche VIVA mit all den pausenlos kichernden, frisch von der Straße gecasteten Moderatoren-Imitatoren in den sogar schäbig aussehenden Kulissen. 1995 war die Musikfernsehwelt noch in Ordnung. Auf MTV liefen die sensationell chaotische „Ray Cokes’ Most Wanted“-Show oder die eine ganze Indiegeneration prägenden Alternative-Clips auf „120 Minutes“. Das Verschwinden des visuell umwerfenden und musikalisch dominanten Senders hinter die Bezahlschranke war ein herber kultureller Verlust in einer noch sehr überschaubaren deutschen Medienlandschaft, lange vor den Möglichkeiten des Internets. Für Fernsehen bezahlen wollte damals niemand, die reumütige Rückkehr kam prompt – aber zu spät und mit den falschen Mitteln. Denn MTV wurde regional, tauschte die weltweite Hegemonie über Fernsehästhetik und Musikgeschmack gegen regionale Spezialisierung und einen Sturz in die Abwärtsspirale eines Quotenwettkampfes mit der hiesigen Billigkonkurrenz.
Donnerstag, 17.30 Uhr: Desaster TV.
2011 soll MTV wieder zum Bezahlfernsehen werden und die Reaktion ist vor allem eine: hämische Erleichterung. Der „Klingeltonsender“ solle doch bitteschön schnellstens verschwinden; so lässt sich sicher halbwegs repräsentativ zusammenfassen, was in den immerhin zahlreichen Kommentaren zur Meldung steht. Niemand braucht MTV, niemand möchte MTV, niemand schaut MTV. Unter zwei Prozent sollen die Einschaltquoten in der sogenannten jugendlichen Zielgruppe liegen. Aufmerksamkeit heischt der Sender nur noch, wenn der Mutterkonzern mal wieder eine glamouröse Award-Show springen lässt, in der sich ein paar Stars zu „provokativen“ Posen überzeugen lassen. Das Tagesgeschäft ist deprimierend. 197 Shows verzeichnet der Sender auf seiner Homepage. 22 davon sind als „Music“ ausgewiesen. 83 sind Reality- und Dating-Shows, gegen die sogar der neueste Daniela-Katzenberger-Trash bei VOX noch anspruchsvoll erscheint. Konsequenterweise wurde noch Anfang des Jahres die Entfernung des Schriftzugs „Music Television“ aus dem Logo verkündet.
Schon in den Neunzigern zeichnete sich schnell ab, dass mit Musikvideos keine Quote zu machen war, was sicher vor allem auch dem Umstand geschuldet ist, wie in Deutschland Einschaltquoten an der Kernzielgruppe vorbei bestimmt werden (den Begriff „gemessen“ vermeiden wir in diesem Zusammenhang lieber). Aus diesem Dilemma herauszukommen, ohne die Substanz – den Ruf als führendes Medium in allen Belangen von Mainstream-Jugendkultur – einfach über Bord zu werfen, hat im Medienkonzern Viacom offensichtlich niemanden interessiert. MTV wurde stattdessen zum Musterbeispiel für systematisches Herunterwirtschaften, bedenkenlos agierendes Management ohne Rücksicht auf Kunden- (also Zuschauer-)Interessen und den rücksichtslosen Totalausverkauf aller bemerkenswerten Inhalte zu Gunsten einer oberflächlichen Kosten-Nutzen-Rechnung, die so natürlich niemals aufgehen konnte. Schon gar nicht im YouTube-Zeitalter.
Sonntag, 19 Uhr: Harte Zeiten für MTV-Zuschauer.
Der Rückzug in irgendein Bezahlfernseh-Paket (kein Mensch wird einen der MTV-Channels extra abonnieren) ist nur konsequent. Vielleicht wird ja das als reiner Musikchannel angekündigte „MTV brand new“ sogar wirklich anschaubar, so zum Zwischendurch-kurz-hängenbleiben beim Zappen durch die Kanäle. Falls nicht –auch egal. MTV wird sowieso immer nur noch einer von inzwischen etlichen Musikclip-Kanälen sein. Und wer sich wirklich noch für Popmusik im klassischen Fernsehformat interessiert, schaut sowieso GoTV, neben dem legendären Radiosender FM4 die zweite Wiener Lufthoheit in Sachen Musikentertainment. Der immer noch schäbige Rest im freien TV – VIVA, deklariert zum „Schaufenster zur MTV-Networks-Programmwelt“ – kann dann endgültig auf eine hohe zweistellige Fernbedienungsnummer. Irgendwo zwischen Homeshopping und Bibel-TV.
Augsburg
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