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Faithfull

Marianne Faithfull wurde am 29. Dezember 1946 in Hampstead, London, geboren. Ihr Vater, der englische Universitätsprofessor, Psychotherapeut und Spion in Diensten des britischen Geheimdienstes Glynn Faithfull, und ihre Mutter, Baronesse Erisso, eine Schauspielerin aus einer österreichisch-ungarischen Adelsfamilie, sandten ihre Tochter auf die Klosterschule St. Joseph Convent in Reading.

Doch diese Welt liess Marianne Faithfull bereits 1964 weit hinter sich. Der Produzent Andrew Loog-Oldham stellte die Siebzehnjährige seiner Erfolgsband, den Rolling Stones, bei einer Party in London vor. Die Klosterschülerin träumte damals von einer Karriere als Folksängerin. Im September 1964 erhielt sie von Loog-Oldham einen Plattenvertrag. Mit der Ballade “As Tears Go By” aus der Feder von Mick Jagger und Keith Richards landete sie sogleich einen Hit, der es in Grossbritannien bis auf #9, in den USA immerhin bis auf #22 schaffte. Im März 1965 folgte mit “Come Stay With Me”, von Jackie DeShannon geschrieben, ihr grösster kommerzieller Erfolg: in Grossbritannien #4. Im Mai desselben Jahres folgte ihr dritter Hit, “This Little Bird”, in Grossbritannien #6. Im selben Monat heiratete die schwangere Marianne Faithfull den Antiquitätenhändler John Dunbar. Im November kam ihr gemeinsamer Sohn Nicolas zur Welt, der später Astronomie und Mathematik studieren sollte.

Die Sängerin trennte sich von Loog-Oldham, hatte aber danach keinen Erfolg mehr. Ihre Remakes eines Beatles- und eines Ronettes-Songs fielen beim Publikum durch. Ihre Ehe mit Dunbar war bereits gescheitert, als sie der schockierten Öffentlichkeit mitteilte: “Ich habe mit drei von den Stones geschlafen und mich dann für Mick entschieden.” 1966 hatte sie “Blitzaffären” mit Brain Jones und Keith Richards, ehe sie die ständige Begleiterin von Mick Jagger wurde. Bis 1969 blieben die zwei das Traumpaar der britischen Boulevardpresse. Musikalisch sind in dieser Zeit nur ihr Mitwirken beim Chor von “All You Need Is Love” von den Beatles sowie ihre Decca-Single “Something Better”, die keine hohen Wellen warf, zu erwähnen.

1968 versuchte sie sich als Schauspielerin in Girl On A Motorcycle an der Seite von Alain Delon und wirkte bei der Fernsehdokumentation Rock And Roll Circus über die Rolling Stones mit. Bereits 1966 war sie in Jean-Luc Godards Made in USA sich selbst spielend zu sehen. Für mehr Wind im Blätterwald sorgten allerdings ihre Verhaftungen wegen Drogenbesitz und eine Fehlgeburt im November 1968.

1969 schrieb Marianne Faithfull Sister Morphine, doch der Song war in den Augen des Plattenlabels mit dem “Folk-Image” der Sängerin nicht vereinbar, weshalb er nur als B-Seite der Single “Something Better” veröffentlicht wurde. Die Rolling Stones brachten den Titel 1971 auf ihrem Album Sticky Fingers raus, mit der Autorenangabe “Jagger/Richards”.

Die Trennung von Mick Jagger erfolgte im Juli 1969, als das Paar für die Dreharbeiten zu Ned Kelly in Australien weilte. Marianne Faithfull fiel wegen einer Überdosis kurzzeitig ins Koma und wurde nach England zurückgebracht, wo sie sich in einem Krankhaus einer Entziehungskur unterzog. Marianne Faithfull war ein Heroin-Junkie, unternahm einen Selbstmordversuch und lebte zu Begin der 1970er Jahre als obdachlose Fixerin im Londoner Szene-Viertel Soho.

1970 wurde ihre Ehe mit Dunbar geschieden. Ihr künstlerisches Comeback gab sie auf der Theaterbühne als Shakespeare-Darstellerin, ebenso im Kino, wo sie als Ophelia in Tony Richardsons Hamlet-Verfilmung von 1969 mit Anthony Hopkins und Nicol Williamson zu sehen war. Im Theater spielte sie zudem Tschechows Drei Schwestern, zusammen mit Glenda Jackson. Marianne Faithfulls musikalisches Comeback kam erst im November 1975 mit “Dreaming My Dreams” von Waylon Jenning sowie dem gleichnamigen Folk-Album, das allerdings nur in Irland ein Erfolg wurde, worauf die Sängerin das Land bereiste, um es kennen zu lernen.

Marianne Faithfull unterschrieb beim Independent-Label Nems Records einen neuen Vertrag. Erneut war es Loog-Oldham, der sie produzierte. Sein Plan, sie zur Punk-Lady aufzubauen, scheiterte jedoch. Beim Album Faithless wurde sie von der Grease Band begleitet. Ansonsten spielte sie mit der Gruppe Front, aus denen die Vibrators entstanden. Deren Bassist Ben Brierly wurde 1979 ihr zweiter Ehemann. Bereits im November desselben Jahres sorgte sie für negative Schlagzeilen, als sie am Osloer Flughafen wegen Besitz von Marihuana verhaftet wurde. Wer dachte, dass nun ein erneuter Absturz folgen würde, sah sich getäuscht.

Noch im selben Monat erschien ihr New Wave Album Broken English, das es in Deutschland bis auf #4 schaffte und auch von der Kritik begeistert aufgenommen wurde. Der Titelsong befasste sich mit dem Terror der Baader-Meinhof-Bande, der Song “Why D’Ya Do It” mit dem Thema Eifersucht. Highlights waren ihr Interpretation des Songs “The Ballad of Lucy Jordan” von Shel Silverstein, ursprünglich ein Dr. Hook Song, sowie “Working Class Hero” von John Lennon. Die anschliessende Tournee mit guten Musikern wie Steve York scheiterte, weil Marianne Faithfull die Stimmungen ihrer Lieder live nicht ins Publikum transportieren konnte.

Zwei Jahre später erschien Dangerous Acquaintances. Auf dem Album erzählte sie melancholisch von der Vergänglichkeit von Beziehungen und von den Kompromissen des Alltags. 1982 überzeugte sie damit auf einer kleinen Tournee. Danach arbeitete sie 18 Monate am Folgealbum, A Child’s Adventure von 1983, in dem sie von unterkühlter Erotik, “The Blue Millionaire” von Grace Jones, bis ausgelassener irischer Folkmusik, “Falling From Grace”, fast alles abdeckte.

1985 verlieh ihr der Dichter der Beat Generation, Alan Ginsberg, kurz vor seinem Tod den Titel einer Ehrenprofessorin der Poesie an der Jack Kerouac School of Disembodied Poetics in Boulder, Colorado.

Im Juli 1987, nach einer Entziehungskur, erschien Strange Weather. Den Titelsong steuerte Tom Waits bei. Marianne Faithfulls Bandbreite war erneut erstaunlich, von Blues bis Chansons, von “Boulevard of Broken Hearts” über “As Tears Go By” zu Billie Holidays “Yesterdays”.

1988 zog Marianne Faithfull nach Cambridge, Massachusetts. Ihr nächstes Album Blazing Away wurde live in einer Kirche in New York mitgeschnitten. Stereo bezeichnete das Album als “Revue eines wüsten, von Tragik umwitterten Lebens”. Dr. John sowie Mitglieder der Band und der Lounge Lizards begleiteten sie auf ihrer Reise durch Songs wie “As Tears Go By” und “Working Class Hero”.

1994 erschien ihre mit David Dalton geschriebene Autobiografie Faithfull (Paperback-Ausgabe bestellen bei Amazon.com oder Amazon.de). 1995 kam ihr Album A Secret Life auf den Markt. Der Einfluss von Kurt Weill und der Musik der Weimarer Republik wurde immer stärker und manifestierte sich 1997 im Album 20th Century Blues. 1998 erschien The Seven Deadly Sins, Kurt Weills Oper Die sieben Todsünden, die am Salzburg Festival zur Uraufführung gelangte. In diesem Zusammenhang stieg die CD in den Klassikcharts weltweit sehr hoch.

1999 folgte das Album Vagabond Ways, u.a. mit ihrer Version des Leonard Cohen Songs “Tower of Song”, dem neu von Elton John geschriebenen “For Wanting You” sowie dem unveröffentlichten Roger Waters Song von 1968, “Incarceration of a Flower Child”.

Im Jahr 2000 trat Marianne Faithfull erneut vor die Kamera und übernahm in Patrice Chéreaus Intimacy eine Rolle. Der Film wurde auf der Berlinale mit einem Goldenen Bären als Bester Film ausgezeichnet. Daneben spielte sie im Film Far From China von Regisseur Christian Leigh mit.

Mit der Veröffentlichung des Albums Kissin Time 2002 ging sie erstmals wieder auf Tournee (siehe die Konzertkritik rechts). Bereits damals plante sie ihr nächstes Album, Before the Poison von 2004, mit dem sie sich auf dem Niveau ihrer besten Tage bewegt (siehe die Album-Kritik auf dieser Seite). Marianne Faithfull lebt derzeit in Irland.

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