(Foto: Tom Oxley)

 

The Feeling, die britische Band um Sänger Dan Gillespie-Sells, blicken auf eine nervenaufreibende Geschichte zurück. Ihr Debüt landete in Großbritannien auf Platz zwei der Charts, getoppt vom Nummer 1-Album Join With Us im Jahr 2008. Doch wer hoch fliegt, kann auch tief fallen, mit dem dritten Album genau genommen auf Rang 22. Es folgt die Trennung vom Label und nur noch ein Gedanke: Jetzt alles anders machen, zurück zu den Wurzeln. Wie fühlt sich das eigentlich an? Wir treffen Sänger Dan und Bassist Richard in Berlin und sprechen über den Valentinstag, die Top 10 und hören die wohl schönste Ode an die Liebe des Jahres 2013. Kurz bevor wir beginnen wird den beiden noch eine Tasse Tee gebracht. Ob ich auch was trinken möchte? „Oh, danke, aber ich habe mir im Späti eben noch eine Mate geholt.“ (Für Nicht-Berliner: Club Mate, die. Koffein- und kohlensäurehaltiges Erfrischungsgetränk basierend auf Mate Tee. Schmeckt beim ersten Mal wie Spülmittel und macht ab dem zweiten Mal süchtig. Beliebt bei Hipstern. Ich bin natürlich keiner.)

 

Dan: Was trinkst du denn da?

Richard: Ja, was ist das?

 

motor.de: Club Mate. Das trinkt man hier irgendwie. Kaltes Getränk, basierend auf Mate Tee.

Dan: Ach, das ist dieses Hipster-Getränk?

 

motor.de: Genau so ist das. Ich wette, ihr hört andauernd Fragen über euren Wechsel von Island/Universal zu BMG. Nervt euch das nicht so langsam? Geht doch schließlich eher um die Musik.

Richard: Nein nein, das ist okay. Es ist ein sehr bedeutender Teil davon, wie wir dieses Album machen konnten und es auch getan haben. Also macht es uns nichts aus, darüber zu sprechen.

 

motor.de: Ihr denkt euch also nicht die ganze Zeit „oh jetzt hört doch endlich mal auf damit!“?

Dan: Nein. Das Besondere für uns war nicht der neue Vertrag bei BMG, sondern Universal zu verlassen. Wir haben begonnen wieder zu spielen und einige Songs zu schreiben, einfach Dinge auszuprobieren und bevor wir nach links und rechts schauen konnten, hatten wir ein neues Album. Es fühlte sich natürlich und wirklich gut an. So, wie es in der Zeit vor dem ersten Plattenvertrag gewesen ist.

Richard: Wir wollen Island jetzt auch nicht abwatschen, sie waren diejenigen die uns all diese Möglichkeiten gaben. Damals waren wir Kumpels, das Album war fertig, aber wir waren zu diesem Zeitpunkt nicht wie irgendeine andere Radio-Band, also war da auch kein Druck, es so klingen zu lassen. Wir waren einfach, wer wir waren und das hatte Erfolg. All das ist bei Island passiert und sie waren großartig, aber es hat dann eine sehr klischeehafte Wende genommen.

 

motor.de: Hat euch das denn überrascht, dass BMG das neue Album Boy Cried Wolf komplett ohne Anmerkungen so rausbringen wollte, wie es ist? Nicht gerade das, was man von Major Labels erwartet.

Richard: Es war irgendwie bizarr, anfangs.

Dan (lacht): Oh ja. Wir waren sehr, sehr positiv überrascht. Wir haben uns daran gewöhnt, dass wirklich dumme Sachen gesagt wurden. Wie „Sind da genug schnelle Songs drauf?“

Richard: „Kommt mal zum Refrain jetzt.“. „Schneidet die ersten 20 Sekunden raus.“.

Dan: Ironischerweise kam dann auch „Könnt ihr es ein bisschen mehr wie diesen Song klingen lassen?“ und ‚dieser Song’ war dann einer aus dem Radio, was auch immer in dieser Woche der Hit war. Also, du weißt was wir meinen, oder? Einfach sehr fantasielos und nervend. Wir sind so froh, diesen Mist nicht mehr zu hören.

Richard: Am Anfang haben wir uns über so etwas nie Gedanken gemacht. Mit der Zeit wurde die Latte höher gehängt, weil wir Geld gemacht haben, aber man muss sich immernoch selbst hinterfragen. Das ist diese fiese Sache, wenn man da einen kleinen Mann stehen hat, der immer wiederholt: „Wenn du das ein bisschen mehr so machst, dann wirst du Millionär.“ Oder: „Es wird dir zwar nicht gefallen, aber du wirst eine Menge Geld machen“. Wir haben Kompromisse gemacht, aber die haben nie funktioniert. Wir machen es lieber so wie jetzt und fahren es gegen die Wand. Wenn dieses neue Album nicht gut läuft, hatten wir trotzdem eine großartige Zeit und sind glücklich.

 

 

motor.de: Ihr seid also rundum zufrieden mit dem, was ihr ausprobiert und gemacht habt?

Dan: Auch der ganze Prozess, etwas zu promoten, von dem du weißt, dass es voller Kompromisse ist, ist ätzend. Das neue Album ist vollkommen kompromisslos. Es ist eine Vision von fünf Jungs, von dem, was uns als Album gefällt. Wir sind sehr stolz darauf und die Rückmeldungen sind super, aber dafür haben wir’s nicht gemacht.

Richard: Manche Journalisten haben gesagt, das letzte Album war echt scheiße, aber das hier finden wir toll. Doch das ist nur eine Belohnung. Du kannst Leute nicht dazu bringen, dich zu mögen oder nicht. Das ist total subjektiv. Aber wenn Leute verstehen, dass das, was man gemacht hat, ehrlich ist, ist das sehr schön.

 

motor.de: Das ganze Album dreht sich ja schon sehr viel um die Liebe. Ist es Zufall, dass es hier in Deutschland offiziell am Valentinstag 2014 rauskommt?

Dan: Echt? Das ist ja wohl das schlechteste Valentinstags-Album aller Zeiten. Es geht um eine gescheiterte Beziehung!

 

motor.de: Was haltet ihr denn so vom Valentinstag? Kommerzieller Mist?

Dan: Es ist doch eigentlich wirklich ein durch und durch negativer Tag. Also, wenn du in einer Beziehung bist, denkst du dir „och nee, Valentinstag. Wir müssen irgendwas machen“ und glaubst überhaupt nicht daran. Es ist einfach ein teureres Essen, das ist die Essenz. 

Richard: Du kannst nämlich auch nicht nichts machen.

Dan: Und das ist, wenn du in einer Beziehung bist! Wenn du nicht in einer Beziehung bist, stichst du dir mit einem Messer die Augen aus. Das ist der eine Tag, an dem du dich am wahrscheinlichsten umbringst. Oder? Also wessen Idee zur Hölle war das denn bitte? Das ist ein Tag, den Paare hassen und Singles noch viel mehr. Ernsthaft jetzt, wir sollten eine Anti-Valentinstags Kampagne starten!

Richard: „Boykottiert den Valentinstag, kauft unser Album!“

Dan: „Wenn du den Valentinstag so sehr hasst wie wir, kauf dieses Liebeskummer-Album!“

 

motor.de: Ich hab’s mir natürlich mal angehört. In einem der Songs wird nach jemandem gesucht, der einen aus der ganzen Liebeskummer-Misere retten kann. Aber geht das überhaupt? Können andere einen da herausholen?

Dan: Es geht garnicht um einen neuen Liebhaber, sondern um die Bitte an Freunde, für einen da zu sein. Man braucht Leute hinter sich. Wenn du eine große Trennung wie meine nach fünf Jahren Beziehung durchlebst, merkst du, wer deine echten Freunde sind. Darum geht es in dem Song mehr, als um alles andere, um Freundschaft.

 

motor.de: Und dachtest du wirklich, es wäre nicht so schwer, Liebe zu finden? Das ist doch eines der schwersten Dinge überhaupt im Leben.

Dan: Ja, also ich denke schon. Dieses Lied habe ich an einigen für mich sehr fürchterlichen Tagen geschrieben. Nach der Trennung von meinem Ex-Freund hatte ich einige andere Leute getroffen, aber immer nur für kürzere Zeit und das hat alles nicht funktioniert. Und dann dachte ich mir okay, es wird also nicht so einfach, wie es vorher war. Nach einer so langen Beziehung ist man verwundbarer und vorsichtiger und es ist wirklich schwerer, Liebe zu finden, ja. Man wird älter.

 

motor.de: Du hast dich mit dem Album also ein bisschen selbst therapiert?

Dan: Auf jeden Fall. Schreiben ist immer eine gute Quelle. Und es ist alles sehr persönlich.

Richard: Dan schreibt eindeutig am besten, wenn es um seine persönlichen Erfahrungen geht. Viele Künstler schreiben brilliante Songs über Geschichten, die mit ihnen absolut nichts zu tun haben, aber die machen das clever genug. Das funktioniert für uns einfach nicht.

 

motor.de: Und es geht ja schon auch sehr viel um Liebe, in dem Album..

Dan: Der Grund, dass es einfach ist und richtig erscheint, über Liebe zu schreiben, ist, dass es die stärkste menschliche Emotion ist. Love is the only thing worth giving a shit about. Am Ende des Tages, wenn du auf dem Totenbett liegst und ein ganzes verdammtes Leben gelebt hast, driften alle kleinen Details einfach weg und was übrig bleibt, ist Liebe und die Beziehungen, die du zu anderen Menschen hattest. Obwohl es langweilig scheinen mag, immer über Liebe zu singen, gibt es einen Grund dafür, dass fast alle Lieder sich um Liebe drehen. Das liegt nicht an Faulheit oder mangelnder Vorstellungskraft. Der Grund ist, dass eigentlich, wenn alles andere verschwindet, Liebe die einzige Sache ist, die verdammt nochmal zählt.

 

motor.de: Ich lese in Interviews immer wieder Fragen wie, „Wird es nicht langweilig, Lieder über Liede zu schreiben?“ und denke dann, „warum sollte es?“.

Dan: Ganz genau, warum sollte es! Und das Tolle am Songwriter sein ist die Herausforderung, das selbe Thema immer und immer wieder auf verschiedene Arten und Weisen zu adressieren und es aus unterschiedlichen Winkeln zu betrachten. Es ist endlos und wird immer fruchtbar sein. Es wird immer noch neue, andere Nuancen geben, weil wir Liebe brauchen und das ist einfach die universelle Wahrheit des Lebens.

 

 

motor.de: Ist das schlau, so ein persönliches Album fast komplett über Liebe zu schreiben? Interessiert euch das überhaupt, ob es schlau ist, was ihr da tut?

Dan: Nein. Ehrlichkeit ist die beste Option. Ich glaube nicht wirklich an Privatssphäre. Ich glaube nicht, dass das heutzutage irgendjemand tut.

Richard: Und es gehört eine gehörige Portion Eier dazu, sich erstmal da raus zu stellen und sich der Welt zu zeigen.  

 

motor.de: Werdet ihr eigentlich oft mit klassischen Stereotypen über Homosexualität konfrontiert? Als ich mir Boy Cried Wolf angehört habe, fand ich es sehr schön, dass ich mich komplett in die Songs hineinversetzen konnte. Das zeigt, wie egal sexuelle Ausrichtungen im Endeffekt sind.

Dan: Ich weiß nicht, ob irgendetwas anders wäre, wenn ich hetero wäre.

Richard: Ich denke, emotional ganz sicher nicht.

Dan: Wenn ich mich nie geoutet hätte, das wäre dann anders. Dann wären wir wahrscheinlich eine härtere Rock-Band und total frustriert. Die Ästhetik der Songs wäre anders. Ich bin schwul, aber wir sind auch alle moderne Männer, die keine Angst haben, schöne Musik voller Anmut zu machen. Wäre ich ein Macho-Typ, wäre alles wahrscheinlich ein bisschen kantiger aufgezogen worden, ein paar Harmonien würden weggenommen, alles wäre schwerer. Aber das hätte für uns nie funktioniert, das ist nicht, wer wir sind. Dadurch, dass ich offen damit umgehe, schwul zu sein und wir generell offen mit uns selbst als Menschen umgehen, machen wir auch die Musik, die zu uns passt. Jeder, der eine Lüge lebt wird früher oder später scheitern. Das ist schlimm und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich schon immer zu mir selbst stand. Und ich versuche geschlechtsspezifische Pronomen wie „he“ oder „she“ zu vermeiden, vor allem, wenn es um Liebe geht. Auf dem ganzen Album singe ich nur einmal von „he“.

 

motor.de: Ja, das macht Sinn. Ihr habt in einem Interview mal gesagt, dass ihr keine Musik hört, die nach 1983 herausgekommen ist. Das stimmt nicht echt, oder?

Richard: Wir haben übertrieben. Wir haben total übertrieben und es wurde ein bisschen aus dem Kontext genommen. Manchmal werden wir gebeten, Covers von aktuellen Top 10- Songs zu spielen. Dann schaust du dir das an und findest die Black Eyed Peas, da gibt es buchstäblich einfach nichts … also, wo kommen wir da denn hin? Aber da draußen ist immer so viel wunderbare, inspirierende Musik und es liegt etwas so spannendes in neuen Talenten, wir haben selbst mit jungen Künstlern gearbeitet. Es gibt immer viel tolle Musik, moderne Musik. Wir mögen Musik, wirklich.

Dan: Wir müssen an dem Tag wohl ein bisschen brummig gewesen sein.

 

motor.de: Und was hört ihr dann so, im Tourbus zum Beispiel?

Richard: Ich mag das Vampire Weekend-Album sehr gerne. Die sind total clever, ohne das überhaupt zu versuchen, einfach sehr talentiert. Großartige Lieder, toller Gesang. Interessant und trotzdem zugänglich, immernoch Pop, aber ungewöhnlich. Und das zweite Album von Bon Iver! Ich habe die live gesehen, unglaublich. Ich war im letzten Jahr wirklich auf vielen Konzerten, Coldplay im Stadion zum Beispiel und das war eine tolle Show, aber da war so viel Hall und Backing etc. Man kann hören, dass das nicht live ist. Aber Bon Iver in einer Arena spielen zu sehen (gemeint ist die Londoner Wembley Arena gegenüber des Stadions, Anm. d. Red.) und jedes Instrument wird von diesen unfassbaren Musikern gespielt… Das war echt und genau deswegen war es so dynamisch. Das Album ist einfach sehr erfrischend.

 

motor.de: Amen! Könnt ihr uns denn zum Abschluss noch eine lustige Geschwister-Geschichte von Gitarrist Kevin und Keyboarder Ciaran erzählen?

Richard: Oh ja, Kevin hat Ciaran mal in einer Matratze zusammengefaltet und ist dann die ganze Zeit dagegen gesprungen.

Dan: Kev als älterer Bruder hat Ciaran schon ganz schön gefoltert. Aber inzwischen fühlt er sich schuldig und jetzt sind die beiden richtig süß zusammen.

Richard: Sie sind jeweils der Trauzeuge des anderen gewesen. Ich meine, sie sind in einer Band, arbeiten zusammen und sehen sich andauernd. Sie sind wirklich sehr eng befreundet.

 

motor.de: Das klingt doch nach Harmonie. Wunderbar! Vielen Dank euch, es war sehr schön!

 

(Valerie Marouche)