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Warum ihre gemeinsame Karriere einen zweiten Frühling erfährt, das neue Album “Plumb” ein Gegenentwurf zum Vorgänger geworden ist und wie ehrlich Geschwister zueinander sind, erklären Field Music im motor.de-Interview.
(Foto: Ian West)
Wie aus einem Ei gepellt, möchte man meinen: Wenn die beiden Köpfe der Band so vor einem stehen, bekommt man sofort das Gefühl, die junge Reinkarnation der Everly Brothers bei der Auferstehung zu beobachten – “Sehen wir denen wirklich so ähnlich?”, schießt es als Frage irritiert zurück und doch scheinen sich Field Music durchaus bewusst, dass man ihnen die Verwandtschaft ansehen kann: “Muss an den Nasen liegen”, lacht Peter Brewis und knufft seinen Burder David in die Seite. Ein schöner Moment, zeigt er doch, dass dem Duo im zweiten Anlauf ihrer Karriere der gemeinsame Humor nicht abhanden gekommen ist. Die selbstverordnete Pause liegt immerhin erst drei Jahre zurück und nicht wenige dachten zum damaligen Zeitpunkt, dass Field Music vielleicht nie mehr zurückfinden und die neuen Projekte den ehemaligen Kollegen mehr Spaß machen, als das eigentliche Tagesgeschäft.
Gegründet hatten sie sich bereits vor über zehn Jahren im beschaulichen Sunderland, galten von Anfang an als experimentell angelegte Popband, die nicht nur konventionelle Instrumente nutzt, sondern oft auf elektronische Kniffe zurückgreift und die Kritiker stets auf angenehme Weise verwirrt. Nach drei hochgelobten Alben erschien 2007 mit “Tones Of Town” ihr bis dahin letztes Album und während David Brewis die Gruppe School Of Language ins Leben rief, formierte sich Peter als The Week That Was. Anfang 2009 gab es dann wieder erste Annäherungsversuche und als im Juli selben Jahres das Onlineportal Stereogum die Reunion ausrief, bestätigten beide, dass es sich nicht um Gerüchte handle, sondern ihre Rückkehr ins Studio beschlossene Sache sei – wenig später folgte das Doppelalbum “Field Music (Measure)”.
Die Presse wundert sich nun allerdings trotz guter Reviews, dass die zweite Platte nach der erneuten Zusammenkunft das exakte Gegenteil vom Vorgänger geworden ist: “Plumb” betitelt, kommt es gerade einmal auf eine Spielzeit von 35 Minuten und ist auch weniger ein musikalisch anspruchsvoller Flickenteppich, sondern gleicht in seiner Machart einer kleinen Symphonie: Indiepop, Electronica, Akustik, vertrackter Rock und ambiente Flächen inklusive. Im motor.de-Interview erklären Field Music die Hintergründe.
motor.de: Erst einmal danke, dass ihr “Measure” recht schnell ein weiteres Werk habt folgen lassen – 100-prozentig sicher war das ja nicht, oder?
Peter Brewis: Das Vergnügen liegt ganz auf unserer Seite und klar, sicher waren wir uns 2010 nach der Veröffentlichung nicht, ob es möglich wäre sofort ein weiteres Album nachzuschieben – das Touren brachte jedoch so viel Spaß mit sich, dass David und ich zu Hause ankamen und sofort weitermachten.
David Brewis: Du musst wissen: Auf Tour bin ich unfähig, auch nur eine Zeile zu schreiben. Also mussten wir quasi warten bis die vorbei ist, um Genaueres sagen zu können.
motor.de: Gingen die ersten Anläufe leicht von der Hand? Immerhin gab es 2010 ein Doppelalbum.
David Brewis: Solche Fragen geistern einem ständig durch den Kopf: Was willst du den Leuten erzählen, was sie noch nicht von dir gehört haben?!
Peter Brewis: Am wichtigsten ist, dass du runterkommst und dich ein stückweit dir selbst verweigerst. Nach einer Tour, bei der du jeden Abend “ablieferst”, erreicht dein Kopf irgendwann einen Modus, der dir suggeriert, dass das normal ist.
Field Music – “(I Keep Thinking About) A New Thing”
motor.de: Und das wirkt sich im Anschluss wie auf euch aus?
Peter Brewis: Dass du sofort das Gefühl bekommt, du seist faul, wenn nach einer Tour nicht jeden Tag ein neuer Song entsteht. Irgendwann frustriert dich das nur noch. So verweigere ich mich regelmäßig und empfinde es als unheimlich heilende Kraft.
motor.de: Irgendwie passt die Herangehensweise zu Field Music – ihr wirkt trotz zugänglicher Alben immer etwas verkopft.
David Brewis: Das nehme ich jetzt mal als Kompliment. (beide lachen) Du liegst mit deiner Einschätzung aber falsch, denn wir sind nicht verkopft, sondern vielmehr verspielt.
Peter Brewis: Man darf nicht vergessen: Wenn zwei Brüder zusammen eine Band haben, bedeutet das zugleich, dass sie seit Kindertagen Zeit miteinander verbringen und was wir damals beim Spielen im Sandkasten mit Förmchen ausprobierten, versuchen wir heute mit Sounds.
motor.de: Das ist etwas, worum euch viele Geschwister sicher beneiden: Ihr zofft euch nicht, sondern habt eine gemeinsame Band.
David Brewis: (schaut seinen Bruder an) Manchmal könnte ich den Typen hier schon auf den Mond schießen, aber das ist ja das Tolle daran: Zu einem Familienmitglied bist du in aller Regel ehrlich und deswegen gibt es manchmal mehr Streits miteinander. Bei einem Freund schluckst du deinen Frust runter, aber wenn Peter etwas nervt, versucht er erst gar nicht diplomatisch zu sein, sondern sagt mir, wie dämlich er diesen oder jenen Text findet.
motor.de: Gutes Stichwort – wie schaut es eigentlich mit der Rollenverteilung in Sachen Songwriting bei Field Music aktuell aus?
David Brewis: Durch unsere Nebenprojekte haben wir sehr viel über uns selbst gelernt. Als ich Peters Projekt The Week That Was zum ersten Mal hörte, dachte ich sofort: Verdammt, der hat doch tatsächlich in meiner Abwesenheit seine besten Songs aufgenommen – und als es dann an “Measure” ging, habe ich ihn mehr denn je herausgefordert.
Peter Brewis: Ähnlich lief es auch mit “Plumb”: Ich würde sagen, das ist inzwischen eine 50/50-Geschichte im Studio, allerdings zeichnen die Songs der neuen Platte ein kohärenteres Bild, als viele vom Vorgänger.
Field Music – “A New Town”
motor.de: Würdet ihr “Plumb” als “einen Song” beschreiben, als kleine Symphonie? Ähnlich wie die B-Seite von “Abbey Road”?
Peter Brewis: Du vergleichst uns mit den Beatles, nett von dir (lächelt). Es war nie so konzipiert, aber durch die eh schon sehr abwechslungsreichen Tracks und deren kurze Spiellänge, haben wir irgendwann die Übergänge harmonisch gestaltet – so, dass der Hörer nach zehn Minuten auf seinen iPod schaut und sich fragt, wann kommt eigentlich der nächste Song?
motor.de: Ihr seid also regelmäßig ins Studio, habt komplett andere Songs aufgenommen und am Ende alles zusammengefügt?
Peter Brewis: Nein, es sind zwar sehr konkrete Ideen gewesen und jeder wusste auch, wie die Sachen am Ende klingen sollen, aber experimentiert haben wir schon.
David Brewis: Ich muss hier kurz unterbrechen: Field Music werden gerne als Duo beschrieben, es handelt sich aber um mehr als zwei Leute, die tatkräftig mitwirken.
motor.de: Ist es für die anderen nicht schwer gegen die Brewis-Brüder anzukommen?
David Brewis: Müsstest du eigentlich sie fragen, aber ich würde mal behauten, es macht ihnen viel Spaß mit uns im Studio und auf Tour – Peter und ich sind keine Diktatoren oder ähnliches, sondern diskutieren viel untereinander.
motor.de: Eure Nebenprojekte haben weiterhin Bestand und wurden nie ad atca gelegt – was kommt als Nächstes: Eine neue Field Music oder doch ein weiterer Alleingang?
David Brewis: Das entscheiden wir nach der Tour. Momentan fühlt es sich gut an, aber genauso Lust habe ich, meine Kollegen von School Of Language zu besuchen. Die sitzen in der Zwischenzeit ja nicht tatenlos rum.
Peter Brewis: (lächelnd) Mit ein bisschen Mühe werden wir beides hinbekommen. Brüder raufen sich zusammen und teilen stets ihr Spielzeug.
Marcus Willfroth
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