(Fotos: Joachim Zunke)

Seit mittlerweile fast vier Jahren liegt der holsteinische Indie-Rock-Frachter Findus nun schon im Hamburger Hafen. Die Besatzung will jetzt endlich durchstarten. Für die hohe See sind die Mannen um Sänger Lüam bestens gerüstet. Mit ihrem dritten Album „Vis A Vis“ soll es endlich auf große Reise gehen. Wir schnappten uns den Kapitän des Fünfers und plauderten mit ihm über das neue Album, Entwicklungsprozesse und oberflächliche Großstädte. 

motor.de: Hi Lüam, wo bist du gerade?

Lüam: Ich sitze hier in Hamburg in unserem Proberaum. Wir tüddeln gerade an unserem Live-Set.

motor.de: Klingt spannend.

Lüam: Ja, ist es auch. Es ist immer wieder faszinierend und aufregend, wenn sich neue Ideen und Strukturen ins gemachte Nest setzen.

motor.de: Neue Strukturen mit alten Vibes, würde ich sagen. Viele eurer neuen Songs erinnern mich nämlich in punkto Atmosphäre und Gitarrenarbeit an alte The Clash-Klassiker.

Lüam: Ach, echt? Das ist doch eine tolle Referenz. The Clash finden wir natürlich alle geil. Aber es war jetzt nicht so, dass wir während des Songwritings deren Platten rauf und runter gehört haben.

motor.de: Wie war es denn dann?

Lüam: Wir sind diesmal ganz relaxt an die Aufnahmen gegangen. Ein Sound-Konzept gab es eigentlich nicht. Wir haben einfach losgelegt und den Dingen ihren Lauf gelassen. Dabei spielte es keine Rolle, ob einer mit ner Indierock- oder ner punkigen Idee um die Ecke kam. Wenn es am Ende gepasst hat und jeder glücklich war, dann haben wir ein Häkchen gesetzt. So ein Prozess dauert natürlich seine Zeit und hinterlässt auch Spuren. Wir hören ja privat alle total unterschiedliche Sachen. Ich stehe beispielsweise total auf alte 80s-Sachen wie Trio und Co. Andere in der Band stehen mehr auf klassischen Punk, und wieder andere fahren voll auf The National und Konsorten ab.

Da kommt’s hin und wieder natürlich auch zu kleinen Reibereien. Da fühlt der eine in einem Song eher was Tiefes und Bedrohliches, während der andere eher positive und beschwingte Stimmungen assoziiert. Da muss man dann natürlich gucken, dass am Ende auch jeder glücklich mit dem Gesamtergebnis ist. Das finde ich aber auch viel spannender, als von vornerein zu wissen, wie alles am Ende klingen wird.

motor.de: Ihr seid generell keine Band, die sich musikalisch leicht einordnen lässt. Soll das so sein? Oder befindet ihr euch noch auf der Suche?

Lüam: Wir sind total froh darüber, dass nur wenige Leute meinen, uns in eine Schublade stecken zu können. Ich finde es total langweilig, wenn sich Musik wiederholt. Das ist auch immer ein Punkt, der bei uns ganz oben auf der Liste steht, wenn es um das Schreiben neuer Songs geht.

motor.de: Entwicklung über alles?

Lüam: Exakt. Ich finde, es gibt gerade hierzulande so viele hochtalentierte Bands, die so viel Potential haben, aber sich irgendwie immer wieder an der selben Stelle festfahren. Das wollen wir auf jeden Fall vermeiden.

motor.de: Jetzt bin ich aber neugierig.

Lüam: Naja, nimm Zum Beispiel Element Of Crime. Das sind dermaßen begnadete Musiker, die aber, aus welchen Gründen auch immer, nie aus ihrer eigenen Nische herauskommen. Oder auch ne Band wie Turbostaat, mit denen wir schon auf Tour waren. Total nette Kerle. Die haben es technisch echt drauf. Ich finde aber, dass die noch ne Spur mutiger und extremer zu Werke gehen könnten.

motor.de: Hat diese musikalische Entwicklung auch was mit eurer Wahl-Heimat Hamburg zu tun?

Lüam: Teilweise schon. Das Leben in einer Großstadt wie Hamburg ist natürlich ein Anderes, wie das in einem kleinen Dorf in Holstein. In Hamburg werden wir auch heute noch jeden Tag wieder mit Neuem konfrontiert. Das beeinflusst natürlich auch den musikalischen Prozess, ganz klar. Wobei ich sagen muss, dass mich manchmal aber auch Heimweh plagt. Dass hat aber weniger mit Heimweh im klassischen Sinn zu tun, sondern eher mit der Sehnsucht nach Individualität.

motor: Das erinnert mich an eine S-Bahnfahrt neulich. Da saßen irgendwie zehn Kids mit verschiedenen Basecaps auf dem Kopf in der Bahn. Bei jedem stand zwar ne andere Firma drauf, aber schlussendlich waren es doch zehn Basecaps.

Lüam: Das ist es. Genau das meine ich. Diese vermeintliche Großstadt-Individualität, wo jeder meint, er wäre ein Original, ist eigentlich nur eine große Selbstverarsche. Jeder wirkt zwar irgendwie wie ein komplett eigenständiges Individuum, aber im Grunde folgen alle nur dem gleichen Strom. Das ist so ein ganz interessanter Widerspruch, wie ich finde.

Das nervt manchmal halt total und bringt einen auch dazu, sich eingeengt zu fühlen. Auf der anderen Seite ist es aber auch irgendwie faszinierend. Da muss man dann natürlich auch als Band aufpassen, dass man nicht irgendwann in so einen Kreislauf hineingerät, aus dem man irgendwann nicht mehr rauskommt.

motor.de: Glaubst du, dass vielleicht auch gerade deswegen viele Großstadt-Bands ihre Platten lieber irgendwo in der Einöde aufnehmen und produzieren?

Lüam: Absolut. Viele Bands aus Hamburg oder Berlin würden definitiv anders klingen, wenn sie ihre Platten vor der Haustür aufnehmen würden. Und ich bin davon überzeugt, dass nur die Wenigsten mit dem Ergebnis zufrieden wären. Andererseits gibt es aber auch Bands vom Lande, die erst in ner Großstadt so richtig aufblühen und ihr Potential komplett ausschöpfen. Würde aber ne Band wie Notwist auch in Berlin funktionieren?

motor.de: Ich glaube nicht.

Lüam: Ich auch nicht. Da würde das ganze Gebilde auseinander brechen.

motor.de: Was passiert, wenn eurer Gebilde plötzlich zusammenbrechen würde?

Lüam: Du meinst, wenn wir merken, dass wir kommerziell nicht weiter vorwärts kommen?

motor.de: Ja

Lüam: Natürlich würden wir uns freuen, wenn es auch weiterhin so gut läuft wie bisher. Wir würden uns auch nicht ärgern, wenn es noch weiter vorwärts gehen würde. Aber wir brauchen keine dicken Autos vor der Haustür oder nen roten Teppich im Proberaum. Es wäre halt nur schön, wenn sich weiterhin alles von selbst trägt. Den Anspruch haben wir mittlerweile schon. Ich denke, dass man als Band auch nur dann das Maximum aus sich herausholen kann, wenn man sich nicht auch noch um tausend andere Dinge nebenher kümmern muss.

Text: Kai Butterweck