Prophetenbärte, Holzfällerhemden, eine stimmliche Organisation wie im Knabenchor: Die Fleet Foxes definieren mehrstimmigen Gesang neu – und lassen eine Sandwolke von musikalischen Erleuchtungserlebnissen hinter sich zurück.

Um mal von hinten anzufangen: Diese Band ist so gut, dass die hiesige Poppublizistik nur noch Erlösungspathos dafür übrig hat. Wo die Fleet Foxes sind, kommt nur noch Lallen raus, Jan Wigger hat den “hellsten Augenblick schierer Schönheit” erlebt, für Jens Balzer “löschen sie Lichter und lassen eine neue Sonne erstrahlen”.
Kein Wunder, diese fünf Männer Anfang zwanzig können einem sehr wohl wie messianische Erscheinungen vorkommen: Prophetenbärte, Holzfällerhemden, eine stimmliche Organisation wie im Knabenchor. Ihre Debütplatte “Fleet Foxes” beginnt wie ein Surf-Choral, und entwickelt in 30 Minuten Andacht-Pop eine Aktualisierung amerikanischen Folkgutes seit Crosby, Stills & Nash. Und das meinen sie sehr ernst.
Mit welch zölibatärer Hingabe die Fleet Foxes an Album und Tour gearbeitet haben, erhellt eine dämliche Rubrik-Frage für die Kategorie “Hobbys”. Keyboarder Casey fällt nichts ein, Bassist Christian erklärt: “Jetzt habe ich so lange darauf hingearbeitet, nur noch Musik machen zu können, da brauche ich keine anderen Beschäftigungen.” Es klingt geradezu gelangweilt, wie er ein paar Saiteninstrumente aufzählt, die bei den Aufnahmen zum Einsatz kamen: “Koto, Dulcimer, Mandoline, Banjo, also nicht allzu viel durchgeknalltes Zeug.”
Auf die Frage nach der Flora-Fauna-Motivik ihrer Musik, die sich zu leicht in die gängigen Pfadfinderweirdo-Indiebands von der Ostküste einreihen ließe, entgegnet Casey: “Wir kommen aus Seattle, einer sehr grünen Gegend, wo man sehr nah an Wasser und Wäldern ist. Aber wir interessieren uns für alles andere als fürs Wandern.” Und scharrt mit seinen Füßen im Sand des Berliner Tacheles-Innenhofs, wendet seinen Kopf vergeblich nach einer Skyline und zeigt dann unbestimmt Richtung Fernsehturm: “Sowas interessiert uns!”
Ungewöhnlich reif, und zwar eine Attribut der Reife ohne den Vorgeschmack des Verbrauchten, klingt ihr erstes Album auch, weil ihm eine einjährige, zähe, kostspielige Produktion vorausging. Dass sie zeitweise im Proberaum hausten und ohne Geld für ein Studio zuhause weitermachten, ist ihre persönliche Leidensgeschichte bis zur Veröffentlichung bei Seattles Traditionslabel Sub Pop. Unklar, was davon in Songs wie “Quiet House” noch nachhallt, oder wenn Frontmann Robin sein Klagen in “Tiger Mountain Peasant Song” auf der Gitarre begleitet. Aber das ohne Vokabular des Staunens zu formulieren, ist irgendwie unmöglich.

Philipp Kohl