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Über Frontfrauen und christliche Klischees

Flyleaf kommen aus Arkansas und bestehen im Einzelnen aus Frontfrau Lacey Mosley, den Gitarristen Jared Hartmann und Sameer Bhattacharya, Schlagzeuger James Culpepper und Bassist Pat Seals. Ihre Musik könnte man im Plattenregal irgendwo zwischen Alternative Metal und Post-Grunge einordnen. In den acht Jahren ihres Bestehens tourten sie mit Bands wie Stone Sour, 3 Doors Down, Staind, Evanescence oder Saliva und begleiteten Korn und die Deftones wiederholt auf deren legendärer “Family Values” Tour. Vor ihrem Leipziger Konzert mit Korn sprachen wir mit Pat und Lacey.

Wenn man zum Thema Flyleaf recherchiert, fallen zuerst die wiederkehrenden Verweise auf euren christlichen Glauben auf. Das ist etwas eher Unübliches in Deutschland, wo – abgesehen von ein paar Ausnahmen – Künstler ihre Religion eher aus dem Rampenlicht fern halten.
Lacey: Ja, so sollte es auch sein. Außerdem muss man dabei unterscheiden, was wirklicher Glauben, und was einfach nur Teil des Marketing ist. Wenn du auf einmal auf einem christlichen Markt vertrieben wirst und sie anfangen, deine CD in einem christlichen Buchladen zu verkaufen, dann wird es langsam echt verrückt. Da verliert man schnell die Kontrolle. Unsere Musik ist halt was sie ist und wir versuchen einfach nur ehrlich zu sein. Wir sind eben Christen und versuchen, da einen Mittelweg zu finden.

Nervt das nicht irgendwann, als Band ständig auf dieses Christen-Rock-Etikett reduziert zu werden?
Lacey: Manchmal wird man schon zu einem Stereotyp gemacht. Aber selbst wenn du keine Band bist, sondern den Leuten – vor allem in Amerika – einfach nur sagst “Ich bin Christ”, dann lässt das viel Raum für Spekulation offen, was du damit meinst. Und manchmal kann das sogar zu einer Art Stigma werden.
Pat: Gerade in Amerika gibt es wirklich einen großen Markt dafür. Und wir müssen auch zugeben, dass uns dieser Markt anfangs durchaus geholfen hat. Aber deswegen zielen wir nicht darauf ab. Wenn wir sagen “Wir sind Christen”, dann heißt das, dass unser Glaube Teil unseres Lebens ist und keine kommerzielle Identität.
Lacey: Das soll auch nicht heißen, dass wir unser christliches Publikum nicht schätzen würden. Aber ein Teil davon kommt oft an und sagt “Hey, wenn ihr Christen seid, solltet ihr euch aber so und so verhalten!”

Zum Beispiel: „Ihr solltet nicht mit Korn auf Tour gehen!“?
Lacey: Ja, es gab sogar Proteste dagegen!
Pat: Oder auch “Ihr solltet nicht auf MTV spielen oder auf anderen ‘säkularen’ Sendern”!
Lacey: Oder “eure CD nicht bei Wal-Mart verkaufen” (lacht). Wenn wir dann aber einen Christen treffen, der zu uns oder auf ein Korn-Konzert kommt und sich einfach über uns und unsere Botschaft freut, dann fühlt sich das schon fast an, als würde man ein Familienmitglied wieder sehen.

Sprechen wir über eure Platte „Flyleaf“. Sie wurde von Mr. Howard Benson persönlich produziert. Eine ziemlich beeindruckende Referenz fürs erste Album. Wie kam es dazu?

Pat: Howard arbeitet gern mit Bands, die für eine bestimmte Botschaft stehen. Er hat My Chemical Romance, Blindside, P.O.D., Hoobastank und so viele andere heraus gebracht, ich glaube er steht einfach auf jede Art von leidenschaftlicher Musik. Es war uns eine Ehre, mit ihm zusammen zu arbeiten. Und auch wenn wir nicht immer derselben Meinung waren: Am Ende kam eine gute Platte raus.

Hattet ihr keine Angst, dass euch eine Koryphäe wie er „Kraft seines Amtes“ in euren Sound rein reden würde?
Pat: Klar, und ob! Und du denkst auch oft “Hey, das ist Howard Benson – der wird schon wissen was er tut” und trotzdem willst du bestimmte Sachen anders haben als er. Da kam es oft auf Kompromisse an, gerade weil wir ja auch eine kleine Nummer waren – im Vergleich zu ihm. Und oft hatte er eben auch einfach recht. Howard sagte uns, wenn wir eine Platte wollen, die im Radio läuft, die auch Musiker gut finden und die unsere Botschaft an möglichst viele Leute bringen kann, dann muss es halt so und so klingen. Mit dem letzten Punkt hat er uns rum gekriegt und wir haben über kleine Meinungsverschiedenheiten eher hinweg gesehen. Wir haben definitiv einiges gelernt von ihm. Aber ich wollte eigentlich trotzdem immer nur eine Platte machen, die nur Musiker gut finden (lacht).

Flyleaf: I’m So Sick (live)

Betrachtet man Flyleaf auf der Bühne und vor allem eure Außenwirkung in der Musikpresse und Promo, entsteht manchmal schon der Eindruck, als wäre für euch der Name „Lacey Mosley & the Flyleafband“ vielleicht treffender. Du wirst als Sängerin und Frontfrau ziemlich zentralisiert…
Lacey: Findest du? Also was die Bühne betrifft, höre ich das zum ersten Mal. In einer Band braucht es jedenfalls Leidenschaft an jedem Instrument. Ich singe halt nun mal, aber die Sache würde nichts werden, ohne zum Beispiel eben Pats Leidenschaft an seinem Instrument. Wenn ich im Proberaum mit etwas ankomme, das den anderen nicht passt, wird es auch kein Flyleaf-Song. Wir haben jedenfalls alle denselben Anteil an den Songs. Außer vielleicht Jared, dem ist vieles egal. Aber dieses Gemeinsame ist doch gerade das Gute an einer Band.
Pat: Es bringt auch gar nichts, sich nur am eigenen Instrument festzuhalten, sondern man muss auch mal den anderen reinreden, wenn einem der Sound nicht gefällt.

Ich wollte euch ja auch nicht zu nahe treten. Aber wenn man sich euer Promomaterial oder einfach nur den Wikipedia-Eintrag zu Flyleaf durchliest, wird schon der Eindruck vermittelt, als sei Flyleaf lediglich die Band rund um die Lacey mit der schweren Kindheit und ihren ergreifenden Songs…
Lacey: Ja, das stimmt, da hast du recht. Und es geht mir auch ziemlich auf die Nerven auf Fotoshootings oder zu Videodrehs immer in der Mitte zu stehen. Artikel über Flyleaf in Musikmagazinen handeln auch meistens nur von mir allein. Ich meine, es ist ja okay, wenn sie ihre Geschichte schreiben über was ich vielleicht mal durchgemacht habe. Als Sängerin bin ich eben nun mal diejenige, die dem Publikum die Texte überbringt. Auch wenn diese manchmal gar nicht von mir, sondern von Sameer kommen. Trotzdem geht es in diesem Augenblick des Auftritts immer um einen echten und realen Schmerz, den wir gemeinsam versuchen rüberzubringen. Unabhängig von der Perspektive.
Pat: Bei Musik ist es halt meistens der Gesang, der hängen bleibt und der Frontmann, der die Aufmerksamkeit abbekommt. Ich meine, man kann halt auch nicht nur mit einer Gitarre zum Publikum sprechen. Okay, vielleicht konnte Dimebag Darrell das. Aber ich will eigentlich auch gar nicht der Gitarrist sein, der sich andauernd beschwert: „Hey ihr müsst mich schon auch angucken, nicht immer nur Lacey!“

Zum Schluss: Was hört ihr selbst gerade?
Pat: Da hab ich jetzt leider keine besonders coole Antwort drauf. Aber wir waren neulich mit Blindside in Schweden und deren Gitarrist Simon hat mir die Stadt gezeigt und mich und Sameer in die Plattenläden geschleift. Er hat mir Khoma empfohlen – wirklich eine hervorragende Band.
Lacey: Es gibt da so einen Songwriter namens Phil Wickham – der erinnert mich ein bisschen an Jeff Buckley. Den mag ich. Außerdem noch Demon Hunter.

Hey, das ist jetzt aber wieder Klischee!
Lacey: Ja stimmt. Aber ich höre auch gerne alte Jazz-Sängerinnen. Ella Fitzgerald und so weiter.
Pat: Ich mag Ace of Base.
Lacey: Tut er wirklich!

Ich glaube die touren wieder, oder?
Pat: Echt? Ich sollte mal nachsehen, vielleicht kreuzen wir uns ja irgendwo (lacht).

Interview: Samuel Jackisch

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