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“Wir haben keinen Plan B” – FM Belfast im motor.de-Interview

Konfetti, Spaß und FM Belfast sind das Geheimrezept einer guten Party. Dass die lustigen Isländer gar nicht aus Belfast kommen, dafür aber viel Humor haben, beweisen sie im motor.de-Interview.

Beim Gedanken an isländische Musik denkt der Großteil erst an melancholische Hymnen, Elfenklänge und Björk oder Sigur Rós. Dass die isländische Musikszene aber weitaus buntscheckiger ist, bewiesen FM Belfast mit ihrem Debütalbum “How To Make Friends” von FM Belfast klar. Mit ihrem Elektro-Dance-Pop bringen sie jede Konzert-Crowd zur mithopsenden Ektase. Wo am Anfang noch vier bis sechs Menschen auf der Bühne standen, sind es am Ende des Konzerts 30 bis 40. Anfänglich war sich die Band unsicher, ob die Zuschauer lieben tanzen oder einfach zuhören sollten. Mittlerweile sind sie eine absolute Party-Band und setzen jegliche Ideen – ob komisch oder wild – in die Tat um. Anfang Juni erschien ihr zweites Album “Don’t Want To Sleep” und nein, schlafen möchte bei dieser Musik wirklich niemand. Seitdem touren die Elektropopper durch ganz Europa. motor.de traf die verrückte Kombo vor ihrem Auftritt im Leipziger UT Connewitz, wo sie über die neue Platte, ihren Independentfilm und ihre Zukunftspläne sprachen.


motor.de: Auf dem Cover eures neuen Albums sieht man ein rundes Stück Rasen mit Hornbrille und Gebiss, das nicht zu Bett gehen will? Ist das eine Assoziation zum Gute-Laune-Album oder euer Drummer Örvar in unrasierter Version?

Loá: Unser Drummer trägt diese Brille. Zwei Freunde von uns haben das Cover mit uns zusammen gestaltet. Wir füllten den Raum mit Ramschzeug und verbrachten drei Tage damit, verschiedene Masken anzufertigen. Wir machten immer wieder Fotos davon. Und am Ende kam Örvar der zweite heraus.

Árni: Das ist ein Typ mit Gras statt Haut. Er heißt Laufdal. Das heißt so viel wie Blattmensch.
 

motor.de: Euer neues Album heißt “Don’t Want To Sleep”. Inwiefern stehen die Songs des neuen Albums in Verbindung mit dem Albumtitel?

Árni:
Es ist manchmal schwer schlafen zu gehen, wenn man noch so viele lustige Dinge machen könnte. Es gibt sicherlich mehrere Gründe wach zu bleiben, als schlafen zu gehen. “Don’t Want To Sleep” ist hauptsächlich im Tourbus entstanden. Immer dann, wenn wir Lust hatten und oft noch nicht schlafen wollten, nahmen wir neue Songs auf. Aus einer fantasievollen Phase wurde ein Partysong. Bei fröhlicher Party-Musik geht man eben nicht gerne schlafen.
motor.de: Was ist der Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Album?
Árni: Schwer zu sagen. Es ist schneller.

Loá: Wir haben genauso viele Lieder auf dem ersten, wie auf dem zweiten Album.

Árni: Wir sind wahrscheinlich die Falschen, die das beantworten können. Wir sind zu eng mit dem Album verbunden. Das zweite Album ist irgendwie der große, ältere Bruder vom ersten Album. Er kam zurück in die Stadt, mit neuen Erfahrungen und Grundkenntnissen in Deutsch (lacht).
 

motor.de: Wie würdet ihr mit fünf Worten euren Sound beschreiben?
Árni: Fröhlich, dramatisch, sorglos.

Loá: Lebhaft.

Árni: Leicht trauriger Dance-Pop.

motor.de: Wenn ihr nicht gerade Musik im Tourbus macht oder auf der Bühne steht, welche Musik hört ihr dann?

Loá:
Indie-Bands, die ihre Blütezeit in den 90ern hatten. Also alles, was unter diesen Hut passt, das hören wir, wenn wir auf andere Gedanken kommen wollen oder Inspiration suchen. Und Árni hört einfach alles.

motor.de: Im Sommer habt ihr auf vielen Festivals gespielt. Mit welchen Bands würdet ihr selber gerne mal zusammenspielen?

Árni: Gute Frage. Wir haben in der Schweiz ein paar coole Jungs aus der Band LaFayette kennengelernt und es war echt cool mit denen abzuhängen. Sie machen wirklich großartige Musik und es sind außergewöhnliche Leute. Und mit MEN würden wir gerne noch einmal zusammenspielen. In Paris hatten wir schon einmal das Vergnügen und wir hätten es gerne noch ein zweites Mal.

FM Belfast – “Vertigo”

motor.de: In eurem neuen Video “Vertigo” sieht man zwei Mädchen beim ausgelassenen Spielen und Tanzen. Hattet ihr es satt, selbst in euren Videos aufzutreten?

Loá: Wahrscheinlich schon. Die Geschichte ist aber eine andere: Die Tochter meiner Schwester hörte sich gemeinsam mit ihrer Freundin unser neues Album an. Danach luden sie uns zu sich nach Hause ein und zeigten uns im Hinterhof, wie sie zum Song “Vertigo” tanzen. Das sah wirklich witzig aus. Deswegen entschieden wir uns, sie in unserem Video die Hauptrollen spielen zu lassen. Sie verhielten sich wie Profis. Wir bezahlten sie dafür, gaben ihnen Essen und einen riesigen Haufen Sticker. Die beiden sind neun und haben schon eine eigene Band: The Fox. Die eine spielt Klavier und die andere Schlagzeug. Sie machen sehr dramatische Musik.
 
motor.de: Ihr habt einen DIY Film herausgebracht, mit dem Titel “Backyard”. In diesem wurden ein paar isländische Bands, coole Freunde und ein Kameramann in einen Hinterhof gesteckt und heraus kam die Dokumentation eines tollen Events und der kreativen, isländischen Musikszene. Árni, du hattest die Idee dazu. Wie kamst du darauf?

Árni: Ich bin sozusagen der Veranstalter des Films, aber wir haben ihn alle gemeinsam gemacht. Jede Woche trat im staatlichen Fernsehen eine Band live im Studio auf. Aber mit der Krise kamen die Kürzungen und die Sendung wurde abgesetzt. Deswegen konnten viele, gute Künstler nicht für sich auf diesem Wege werben und wurden nicht aufgezeichnet – wirklich tolle Bands wie Múm, Borko oder Sin Fang. Eigentlich wollte ich nur Audioaufnahmen der Bands machen, die bei mir im Hinterhof spielen sollten, aber dann fragte ich einen Freund, ob er vielleicht einen Film dazu machen könnte und er sagte mir zu. Zuerst sollten nur die Konzerte aufgenommen werden. Aber dann war ich schon überrascht als ich den Film sah.

motor.de: Warum?

Árni: Ich war auf dem Cover des Films und alle Szenen, bei denen er mir sagte, das wäre nur Extra-Material, waren im Film integriert. Das heißt Szenen, in denen ich zum Beispiel den Nachbarn eine Einladung gebe, damit sie zum Konzert kommen, wie wir alles vorbereiten, aber auch die Interviews mit den Bands über die Musikszene. Ich wollte eigentlich nur die Person im Hintergrund sein.

Loá: Sehr witzig ist auch noch, dass man bei der Szenen- oder Sprachauswahl im Menü immer auf seinen Kopf klickt.

Backyard (Trailer)
motor.de: Und was sagten die Nachbarn zu eurem Konzert?

Árni: Der Großteil kam zum Konzert. Am Ende war der Hinterhof voll bis auf den letzten Meter und es waren hunderte von betrunkenen Teenagern da. Zur selben Zeit war Kulturnacht in Reykjavík. Da sind die Straßen voller Menschen und lauter Konzerte. Deswegen waren die Nachbarn sehr relaxt was den Lärm anging.

motor.de: Die isländischen Bands sind alle sehr eng miteinander verbunden. Örvar spielt bei FM Belfast und bei Múm. Wie kommt es zu diesen Verstrickungen?

Árni: Wir sind eine Gruppe von Freunden. Wir kennen uns nicht, weil wir ähnliche Musik machen, sondern weil wir Freunde sind, gerne Musik machen und am Ende ähnliche Stile herauskommen.

Loá: Es wäre wirklich interessant, dass alles einmal auf einer Karte zu sehen. Der Gitarrist von Sin Fang, Borko und Múm ist derselbe. Vieles kommt auch zustande, da der Großteil der Jungs gemeinsam Fußball spielt.

motor.de: Was kann man von euch auf der Bühne erwarten?

Árni: Wir geben immer unser Bestes und versuchen uns gegenseitig und das Publikum zu animieren. Aber es ist schwer zu überzeugen, wenn man zu viele Erwartungen hat. Deswegen sollte niemand etwas erwarten, einfach hinkommen zur Party und mitfeiern.

motor.de: Was sind eure Zukunftspläne?


Loá:
Gestern sprach ich mit meiner Freundin. Wir vereinbarten, dass wir einen Partyservice für ältere Männer in New York eröffnen wollen, wenn wir keine Lust mehr auf Musik machen haben (lacht).

Interview: Maria-Teresa Rölke

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