Die Bedeutung der Foals für die Popmusik, für uns und den Weltfrieden ist unermesslich. Nun erschien die Blu-Ray und DVD „Live At Royal Albert“, die gut zu verbinden ist mit einem Nachbericht über das Konzert im Berliner Huxleys am 17.10. .
Korrigiere: ein Foals Konzert ist kein Konzert, es ist ein Rave. Die Leute stehen nicht da und lassen sich berieseln, sondern tanzen oder pogen. Wie viel genreabgrenzende Klischees schon durch diese Tatsache über den Haufen geworfen werden sei nur am Rande erwähnt. Obwohl die Songs auch einzelne Songs bleiben, ohne technoid ineinander gemischt zu werden, hält diese eindringliche Atmosphäre Einzug, die man in dieser Form nur von DJ-Darbietungen kennt. Das Feeling steht immer über den einzelnen musikalischen Fragmenten. Das, was das Ganze aber so umwerfend werden lässt, ist dass selbst diese Fragmente – sprich die Gitarrenlines und Grooves – so genial sind, dass auch den Musiknazis im Publikum die Gründe zum Meckern ausgehen. Auf höchstem Niveau wird also das Beste aus beiden Welten zusammen gebracht. Die Inbrunst des Rock und die ekstatische Intensität der elektronischen Musik. Und das ist noch nicht alles! Diese Jungs aus Oxford schaffen es tatsächlich, brachiale Mitsing- und Ohrwurmrefrains einzuweben. Das funktioniert in der Indie-Disko genau wie am Ballermann, betonen möchte ich dabei nur noch einmal, dass jene Knallerrefrains in komplexe musikalische Strukturen eingebunden sind, nicht wie bei den Wombats und Konsorten… und zum Glück passiert das mit dem Ballermann natürlich nicht wirklich!
Zum Sound ist kein Wort zu verlieren. Die heilige Dreifaltigkeit aus Breite, Klarheit und Druck. Das Huxleys war nicht wie befürchtet zu groß, sondern bot genau den Raum, den dieser Sound brauchte, um sich aufzubauen. Oha, ist das jetzt etwa dieser Stadionrock, den ich hier lobe?
Um das (hierzulande evtl. unterschätzte? Mir egal! ) Phänomen Foals zu beschreiben, hilft ein Blick auf den pophistorischen Einfluss der Briten. Sie fingen als Mathrock Outfit an und machten mit ihren abgedämpften Salben eigentlich Musik für Musiker (oder halt Mathematiker), jetzt tanzt hier eine heterogene Masse aus Indie-Boys, Hip-Hop-Mädchen, Normalos, Druffis, Lachende, Liebende …
Die Konsequenz zu ziehen, dass Mathrock tanzbarer sein könnte, als jede Rockmusik zuvor, ist revolutionär, hatte diese verkopfte Musikrichtung doch alles getan, um nicht tanzbar zu sein. Man spiele im Prinzip einfach einen Off-Beat zu den Takt- und Tonleiterspielereien und fertig ist der New Rave. Die Klaxons und Vampire Weekend brachten die Indie-Welt, die sich in den abgefuckten Clubs abspielte, mit ihren Elektro- und Weltmusikanleihen schon gehörig ins Wanken. Das war –wenn wir ehrlich sind – vielleicht ein Schritt zu weit abgefrickelt. Die Foals brachten das wieder auf den Four-To-The-Flour-Punkt OHNE die gewiefte Komplexität einzubüßen. Und auf einmal konnte man sich auch in der Indie-Disko vernünftig bewegen!
Denn das ist die Wirkung, die auch zu uns Otto-Normal-Hipster durchdringt!
Vorher musste man die Bar leer trinken, um sich irgendwie zu den rotzigen Strokes und Bloc Party Tracks bewegen zu können, die einfach immer viel zu schnell oder langsam waren (Moment, vielleicht haben die Foals das Geschäftsmodell aller Indieclubs zerstört!? Nein, die Strokes und Bloc Party laufen ja immer noch). Man schüttete sich ja nicht zu, damit es dann nicht mehr peinlich aussieht, sondern damit es einem egal wird, wie lächerlich man eigentlich mit den Armen rumfuchtelt und von den Beinen wusste man nun erst recht nicht, was die da gerade tun. Danke Foals (und allen Nachfolgern)! Nun konnte man wieder minimalistisch einen Fuß vor den anderen setzen und einfach ein bisschen TANZEN.
2008 noch eine neue Spielart zu erfinden und sich zu eigen zu machen – die Strokes dagegen waren beispielsweise Teil der fucking dritten Garagerock Bewegung – wirft ganz nebenbei alles Retromania-Gequatsche über den Haufen. Und zu einer ganzen Band zu tanzen ist einfach geiler, als zu einem einzigen Typen hinter einem Pult, der Tracks von wieder anderen Typen aneinander klebt. Ja natürlich: das ist etwas ganz anderes. Das ist mir klar! Aber langsam verschwindet diese einst deutliche Grenze und bei einem Foalskonzert stehen da oben nun mal fünf DJ’s und gute Musiker gleichzeitig!
Dazu kommt, dass die Foals sich nie auf den bekannten Lorbeeren ausgeruht haben, sondern sich für jedes der drei Alben einen individuellen Stil erarbeiten konnten, so dass man fast jedem ihrer Tracks anhören könnte, von welcher LP er stammt. Der letzte Coup waren die 70er- und Stoner-Einflüsse auf „Holy Fire“, die in dieser Musikrichtung sicher keiner erwartet hatte.
Foals – Out Of The Woods on MUZU.TV.
Noch ein paar überzeugende Fakten gefällig? In England haben die Jungs längst Heldenstatus. Das Konzert in der Royal Albert Hall war in 15 Minuten ausverkauft. Sogar „The Times“ gab dem Auftritt im Nachbericht 5 von 5!! Ich kann mich da nur anschließen.
Das Problem an der ganzen Sache ist, dass keine silberne Scheibe dieses Feeling auch nur annähernd einfangen könnte. Da muss man seinen Arsch schon noch selber hinbewegen! Trotzdem ist der Konzertfilm, der mit Interviews vor und nach der Show unterfüttert ist, eine schöne, visuell einwandfrei eingefangene Erinnerung.
„Choir of furies in your head.“ (Spanish Sahara)
(Marc Augustat)
VÖ der DVD "Live At Royal Albert Hall": 25.10.2013
Label: Warner
Tracklist:
01 Credits
02 Prelude
03 Olympic Airways
04 My Number
05 Bad Habit
06 Milk & Black Spiders
07 Blue Blood
08 Late Night
09 Providence
10 Spanish Sahara
11 Red Socks Pugie
12 Electric Bloom
13 Moon
14 Inhaler
15 Two, Steps Twice
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