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Apples’ Musik-Social-Dienst Ping steht vor dem Aus. Weh tut das eigentlich niemandem.
Ping — das einstige Steve Jobs-Projekt liegt am Boden.
Das Ende ist einigermaßen unspektakulär: Die Kundschaft hätte sich entschieden, dass sie nicht viel mit Ping anfangen wollte. Das zumindest ließ Apple-Chef Tim Cook zuletzt etwas kurz angebunden verlauten. Gefragt hatte “All Things Digital” — eines der renommiertesten und gewöhnlich am besten informierten amerikanischen Tech-Blogs, das jetzt die Information nachschob, Ping würde demnächst tatsächlich eingestellt.
Ping – dass man erklären muss, was das überhaupt ist, reicht als Begründung für das Scheitern eigentlich schon aus – war 2010 mit dem üblichen Apple-Showcase-Brimborium rund um Steve Jobs gestartet. Es sollte das soziale Netzwerk von Apple sein – genau genommen von Apples’ iTunes-Nutzern, also jenen, die Musik per Apple-Software kaufen und hören. Über Ping, so der Gedanke, ließe sich dann komfortabel mitteilen, welche Musik man gut findet. Umgesetzt war das eher schlicht, am Ende ließen sich nicht mal eingeschworene Apple- und iTunes-Nutzer davon überzeugen, dass Ping etwas anderes war als ein Tool zur Abgabe von Kaufempfehlungen und lückenlosen Erhebung von Nutzungsdaten. Fehlende Anbindungen an “richtige” soziale Netzwerke, die Beschränkung auf den Gebrauch von iTunes – keine Selbstverständlichkeit in der immer noch dominierenden Windows-Welt – und dessen begrenzte Hörproben, das extrem schwierige Auffinden von Bekannten und das überwiegende Desinteresse von Musikern, nun auch noch einen Ping-Artist-Account substanziell zu befüttern, waren vom Start weg die Kritikpunkte. Gewohnt intuitiv zu bedienen ist Ping obendrein nicht. Irgendeine Entwicklung schien nicht stattzufinden. Den Dienst zu beerdigen, ist die logische Konsequenz. Ebenso logisch scheint, stattdessen auf eine starke Anbindung zu Facebook zu setzen, was noch in der Planungsphase zu Ping durchaus vorgesehen war, allerdings nie zustande kam, auch wenn Steve Jobs damals Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sogar zum Dinner nach Hause einlud, um Einzelheiten zu besprechen.
Dabei war die Idee, seine Musikvorlieben direkt mit Freunden zu teilen, nicht ohne Reiz, gerade für Menschen, die sich immer noch zu wichtigen Teilen über ihren Musikgeschmack definieren und über den Fakt, dass man nicht irgendein dahergelaufener MP3-Festplattenfüller sei, sondern ein bewusster Musikhörer und vor allem -käufer – ein zwar durchaus bedenkenswertes, allerdings heutzutage rasant an Grundlage verlierendes Distinktionsmerkmal. Denn die Zukunft gehört natürlich den Streaming-Diensten à la Spotify, die Musikbesitz außerhalb von audiophilen und Sammler-Kreisen oder professionellem Bedarf wie bei DJs immer mehr obsolet machen. Das Teilen und Mitteilen haben indes so ziemlich alle anderen Anbieter besser gelöst als Apple. Der ungehinderte Zugriff auf freigegebene Hörprofile oder die eigenen Playlisten sind integraler Bestandteil bei zum Beispiel Spotify – und das, ohne den Quasi-Zwang zum Kauf. Was Bekannte gerade hören, läuft dank Facebook-Verbindung permanent in einer Spalte mit. Die sinnliche Qualität einer herkömmlichen Plattensammlung erreicht das natürlich nicht und sowieso natürlich nicht ihre Funktion als Nachweis der ernstgemeinten, weil kostenintensiven Beschäftigung mit Musik. Ob man den Verzicht auf das Statussymbol Musikbesitz dabei gut oder schlecht finden mag, ist jedoch angesichts der Macht des Faktischen eine rein rhetorische Diskussion.
Für die schnelle “Hier-hört-mal-was-ich-entdeckt-habe!”-Meldung sind sogar die angestammten Musikdienste zu schwerfällig und unpraktikabel, selbst, wenn die Facebook-Anbindung integriert ist. Dazu dient immer noch vorzugsweise der simple YouTube-Link auf Facebook, für den es bei allen Querelen mit der GEMA oder den Bedenken wegen der Google-“Abzocke” schlicht kaum eine brauchbare Alternative gibt. Der damit verbundene Doppelzwang, beide Dienste auf jeden Fall nutzen zu müssen, um auf dem Laufenden zu bleiben oder eigenes Material halbwegs effektiv zu verbreiten, bereitet offensichtlich den Wenigsten Bauchschmerzen. Es ist eine Art Monopol, dessen Akzeptanz sich Apple nun auch kaum noch entziehen kann. Das Ende von Ping lässt sich darum auch ziemlich schmerzlos wegstecken. Apples eigentliche Innovation im Tagesgeschäft des Musikhörens – oder um es mal von der anderen Seite zu betrachten: der Musikverwertung – kam eh erst ein Jahr nach Ping.
Das nicht ganz zu Unrecht als Legalisierungsmaschine für illegal erworbene MP3-Tracks gehandelte “iTunes Match” hat sich mehr oder weniger unbeachtet von größerer Aufmerksamkeit nämlich überzeugend durchgesetzt. Der Effekt des Abgleichs aller vorhandenen Tracks auf dem eigenen Computer mit Apples’ iTunes-Datenbank sorgt nicht nur auf Nutzerseite für Zufriedenheit. Für einen jährlichen Beitrag von 25 Euro synchronisiert der Dienst die Endgeräte per “Cloud” und tauscht ungeachtet ihrer Herkunft auch qualitativ schlechtere Versionen eines Songs automatisch in eine – nun auch legalisierte – bessere Version um. Ein Teil des Abo-Erlöses wird wiederum an die Musiker und Urheber ausgeschüttet. Im Klartext: Das Hören jedes bei “iTunes Match” registrierten Songs bedeutet die Verteilung zusätzlicher Lizenzgebühren, die es so vorher nicht gab, selbst wenn man ganz genau die gleiche Musik gehört hat. “Magic money”, das Apple praktisch aus Luft gemacht hätte, nannte das in seinem Blog der sichtlich verblüffte Chef des Musikvertriebs TuneCore nach Eingang der ersten Zahlungen im Februar. Innovation und der Hauch von Zauberei gehen also auch bei Apple noch. Ping allerdings war von “magic” ganz weit weg. Fort mit Schaden!
Jörg Augsburg
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