!doctype
Categories: Allgemein

Eine andere Art von Pop

“Bravo!” – man hätte meinen können, Daniel Johansson und Joakim Sveningsson alias Friska Viljor, wollten sich mit dem Titel ihres 2006er-Albumdebüts selber auf die Schultern klopfen. Wenn, dann taten sie es nicht zu unrecht. “Bravo!” jubilierte auch die Kritiker- und Hörerschaft angesichts des beschwingten Querfeldeinrittes durch Folk, Elektro, Balkan-Sound und Pop, den das bärtige Schweden-Duo da hinlegte. Nach gefeierten Auftritten im Vorprogramm von Eagle*Seagull, bei Festivals wie dem Immergut und Haldern sowie auf eigenen Clubtourneen nun also Album Nr. 2. Dessen Titel “Tour de Hearts” klingt irgendwie wieder nach Selbstreferenz und tatsächlich: “Als wir im letzten Jahr all diese Shows gespielt haben, bekamen wir vom Publikum sehr viel Liebe entgegengebracht”, meint Sänger und Gitarrist Daniel dazu.

Viel Liebe, das hatten die beiden Stockholmer zu Zeiten von “Bravo!” in der Tat nötig. Waren es doch ihre zeitgleich in die Brüche gegangenen Beziehungen, die die zwei Freunde 2005 nach einer durchgezechten Nacht erstmals zu kreativen Hochtouren auflaufen ließen. Friska Viljor waren geboren. Und damit auch das berüchtigte Friska Viljor-Dogma. Jenes erklärte einen gewissen Promillegehalt im Blut zum obligatorischen Bestandteil des Arbeitsprozesses. Wie haben sie es denn damit in der zweiten Runde gehalten? “Wir waren diesmal etwas netter uns selbst und unseren Körpern gegenüber. Das Versprechen, beim Schreiben der Songs betrunken zu sein, haben wir gehalten. Aber im Gegensatz zu ‚Bravo!’ waren wir bei ‚Tour de Hearts’ zumindest während der Aufnahme nüchtern.” Immerhin.

Unverändert dagegen auch diesmal die Friska Viljor’sche Maxime, sich stilistisch nicht einzuschränken. So wird dann auch auf dem aktuellen Werk in einen Topf geworfen, was die Inspiration her gibt, ohne dabei zerfahren zu wirken: Disco-Pop (“Sunday”) und eine Walzernummer (“Oh no”) ebenso wie getragener Folk (“Dear Old Dad”) oder straighter Rock mit Bläser-Verstärkung (“Old Man”). Dass die Schweden dank des Gebrauchs von Mandoline, Ukulele, Harmonika und ähnlichem Gerät gerne in die Folk-Ecke geschoben werden, findet Daniel “seltsam”. “Das passiert nur, weil wir einige klassische Folkinstrumente einsetzen, um einen interessanteren Sound zu kreieren. Gitarren allein sind uns einfach zu langweilig. Ich denke, was wir machen ist keineswegs Folk. Es ist einfach eine andere Art von Pop.”
Und davon wird es in Zukunft noch einiges zu hören geben, wenn man Daniel Glauben schenkt. Bei ihm und Joakim flutscht es derzeit in Sachen Ideen. Das dritte Album sei bereits für den Frühling 2009 in Planung. Ließe sich da nicht im Nachhinein fast schon sagen, das Beziehungsdesaster von vor einigen Jahren habe sich gelohnt? Daniel: “Sein Leben mit jemandem zu teilen lässt sich schwer mit Musikmachen und auf Tour gehen vergleichen. Aber es ist natürlich super, dass aus dem Schlechten etwas Gutes entstanden ist.” Das auf jeden Fall!

Nina Töllner

Recent Posts

There is a crack in everything, that’s how the light gets in

“There is a crack in everything, that's how the light gets in”, sang einst der…

2 Jahren ago

Zwischen Pop und Experiment

Seit September veröffentlichen Yule Post und Tom Gatza gemeinsame Singles. Mit BYE erscheint nun die…

2 Jahren ago

Never Mind Modus Mio, Here’s the »NEW SILK«

Spätherbst 2022. Deutschrap TikTok-tänzelt zur zweihundertsten lieblosen Drill-Attrappe. Es wird höchste Zeit für neuen Druck…

2 Jahren ago

No time for losers with toxic desires

Sofia Portanet veröffentlicht am 2. November 2022 ihre neue Single Unstoppable, die dritte Single aus…

2 Jahren ago

Eine Geschichte von der Spannung zwischen Freundschaft und der Sehnsucht nach Intimität, untermauert von euphorischem Techno

Mit ihrer neuen Single “Mess Me Up” erzählt die junge Berlinerin benzii eine Geschichte von…

2 Jahren ago

MS DOCKVILLE 2022 – FESTIVAL FÜR MUSIK & KUNST

Ein Festival ist mehr als nur viele Konzerte – ein Festival ist eine Einladung, sich…

2 Jahren ago