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Über Ingwertee im Tourbus, ihr neues Album und die traurige Geschichte ihres bislang größten Konzertes.
Die drei Jungs aus der niederbayerischen Provinz widmen sich seit 2006 elektronischer Musik mit knarzenden Bässen, schiebenden Rhythmen und kritischen Texten. Anfangs noch skeptisch als etwas spät gereifte Imitatoren der aufsteigenden Ravepunkbewegung abgetan, räumte ihr erst vor kurzem veröffentlichter Langspieler die letzten Zweifel endgültig aus dem Weg. Zusammen mit den Genrekollegen von Egotronic und Bratze sowie noch einigen anderen Musikern aus der zur Qualitätsinstanz gereiften Plattenschmiede Audiolith legen sie derzeit einen beeindruckenden Aufstieg an den Tag. So viele Fans wie noch nie versammeln sich momentan vor ihren Konzertbühnen und die Brötchen lassen sich auch endlich mit der Musik verdienen. Da uns auf dem Southside-Festival Stau und Securityschikanen das Gespräch mit den Jungs verwehrten, beantwortete Texter und Sänger Johnny Donowitz unsere Fragen während einer Konzertpause per Mail: Frittenbude über Veränderungen, alte Zeiten und das Piesacken für die Liebe vom Papi.
motor.de: Glückwunsch, ihr seid in letzter Zeit ja ganz schön nach vorn gegangen. Euer neues Album „Katzengold“ erfreut sich guter Kritiken (meiner eingeschlossen) und euer Tourplan ist auch recht gut gefüllt. Ihr seid zufrieden?
Johnny: Klar sind wir zufrieden! Erst dachten wir uns „Mmmh, das erste Album wurde von der Presse eher verrissen, aber von den Leuten geliebt. Werden jetzt, wo uns die Presse positiver gegenüber tritt, die Leute enttäuscht sein?“ Das hat sich aber zum Glück nicht bewahrheitet! Wir selbst hatten eh eigentlich ein gutes Gefühl, da wir das Album alle drei nicht so schlecht fanden…
motor.de: Apropos „Katzengold“. Was verbirgt sich hinter dem Namen? Er schlängelt sich quer durch das ganze Album, so richtig schlau jedoch bin ich daraus nicht geworden, es gibt viel Interpretationsspielraum. Für alle, denen es so geht wie mir, bitte ich um Aufklärung.
Johnny: Klar, Katzengold kann alles sein…
motor.de: Ihr habt früher mit Remixen begonnen, das war 2006. In der Deluxe-Edition von „Katzengold“ findet sich ja zusätzlich eine ganze Remixcollection. Neben Labelkollegen wart ihr auch zusammen mit den Sternen und anderen am Werk. Elf Songs finden sich auf „Plörre“ – wie ihr die Quasi-B-Seite genannt habt. Wie kam es zu den Tracks – Perlen, die schon lange irgendwo lagerten und jetzt erst ausgegraben wurden?
Johnny: Das ist auch so ein Gerücht, denn wir haben schon mit eigenen Songs angefangen! Von den Remixen kamen viele vor unserem Album raus, daher denken komischerweise einige Menschen, dass wir es erstmal lernen mussten, eigene Songs zu machen. Die Tracks sind, wie du ja sagst, seit 2006 entstanden und wir haben immer mal wieder den ein oder anderen Song geremixt, wobei es häufig eher eine Re-Interpretation des Originals ist – sei es textlich oder auch musikalisch. Bei manchen Songs wurde nahezu jede Aufnahme des Originals benutzt, bei anderen lediglich eine Snaredrum, ein Basslauf oder ein Wortfetzen… Also horteten wir diese Tracks auch nicht, denn sie waren ja alle bereits auf denn B-Seiten der Originalinterpreten vorhanden.
motor.de: Euer Albumzweitling ist tendenziell ein wenig ruhiger geworden als sein Vorgänger. Frittenbude im Vergleich zu „damals“ – wie seht ihr euch heute, was hat sich eurer Meinung nach am meisten verändert?
Johnny: Ja absolut! Ich würde Katzengold sogar fast als melancholisches und sehr negatives Album bezeichnen… Warum das so ist? Frag das Leben! Außerdem wollten wir ganz bewusst keine zweite „Nachtigall“ machen… Was uns verändert hat, ist definitiv der Punkt, dass wir nun alle Drei von der Musik leben können und dass wir nonstop unterwegs sind und nie wirklich heimkommen. Und wir nehmen weniger Drogen als früher.
motor.de: „Bilder mit Katze“ – ein schöner Song, finde ich! Gibt’s da eine Story zu?
Johnny: Danke. Nein.
Frittenbude – “Bilder mit Katze”
motor.de: Ihr seid Teil der Audiolith-Familie und fühlt euch allen Anschein nach auch pudelwohl dort, oder? Man hat den Eindruck, im Elektropunkverband gibt es keine Konkurrenz sondern nur Musikerkollegen, oder trügt der Schein?
Johnny: Klar gibt es da auch Konkurrenz! Es wäre ja komisch, wenn es nicht so wäre. Aber im Großen und Ganzen hast du schon recht: wir sind eine Familie! Wir sind alle kleine Kinder, die sich um die Liebe von Papi/Lars Lewerenz (Labelchef von Audiolith; Anm. der Red.) bemühen und uns deswegen gegenseitig piesacken.
motor.de: Teilweise stempelt man euch als Kopie von Mediengruppe Telekommander und Deichkind ab. Das hört man als Künstler ja nicht gerade gern.
Johnny: Klar hört man so etwas nicht gern. Im Endeffekt brauchen aber die meisten Leute irgendwas, woran sie sich orientieren können. Wenn das dann der Punkt ist, meine Güte, sollen sie es halt tun… Die Medis und Deichkind sind gute Bands – also lieber ein Vergleich mit denen als mit anderen deutschen Bands. Lustig ist auch, dass die ja komplett unterschiedlich klingen. Wenn, dann wären wir ein Hybrid…
motor.de: Zusammen mit Bratze, Egotronic und einigen anderen „Musikerkollegen“ wart ihr ja auf „Audiolith Dorfdisko Tour“. Tolle Idee, finde ich. Wie kam es dazu, was steckt dahinter?
Johnny: Die Ideen dazu hatte unser Chef Lars (Lewerenz, Anm. der Red.) und unser Booker Artur, soweit ich weiß.. Es ging einfach darum, nicht mit allen Bands in die großen Medienstädte zu fahren, so wie es alle tun. Es ging darum, die verwöhnten Medienleute in einen Schulbus zu packen und mit ihnen auf’s Land raus zu fahren, in die kleinsten Käffer und ihnen dort zu zeigen, wie und wo das alles mal angefangen hat. Außerdem haben sie dann quasi als „Embedded-Journalist“ einen tollen Einblick in das langweilige Tourleben mit Ingwertee und Mensch-ärgere-dich-nicht..
motor.de: 2500 Kilometer unterwegs im großen, alten Reisebus – eine lustige Anekdote von dieser Tour bitte.
Johnny: Lustig war, als wir an einer Raststätte auf deutsche Soldaten trafen. Es waren ca. 50 Männer mit Maschinengewehren usw. Sie standen alle in einer sehr kleinen Filiale eines bekannteren Burgerbraters und versperrten uns den Weg in Richtung Ernährung. Deshalb verließen wir erstmal den Laden, um sie dann in fast kompletter Busbesetzung mit “USA!USA!USA!”-Rufen zu begrüßen. Lustig? Nein? Schade!
Audiolith Dorfdisko-Geiselfahrt bei Arte Tracks
motor.de: Außenstehende drängen euch gern in die politisch linksradikale Ecke. Wie positioniert ihr euch selbst?
Johnny: Wir sind drei unterschiedliche Jungs und teilen nicht alles, somit auch nicht die komplette politische Einstellung. Wir sind ganz klar links, das setzt schon unser Menschenverstand voraus, aber eben der Eine weiter und der Andere kürzer…
motor.de: Apropos politisch – wie haltet ihr das eigentlich mit den Festivals? Ich meine Southside/ Hurricane, Dockville, Melt! (alles auf eurem Tourplan) – dort hält der Kommerz ja schon ganz schön Einzug, oder seht ihr das nicht so eng?
Johnny: Die Frage ist immer, wo fängt der Kommerz an und wo hört er auf. Ich selbst freue mich immer tierisch, wenn ich auf so großen Festivals Bands wie Florence And The Machine, The XX, Massive Attack oder The Strokes sehen kann – rechts neben der Bühne, quasi noch vor der ersten Reihe. Gute Musik bleibt gute Musik – Kommerz hin, Kommerz her.
motor.de: Damals 2006 habt ihr die Gunst der Stunde genutzt und seid auf den fahrenden Zug aufgesprungen – Egotronic beispielsweise sind ja schon seit 2000 dabei. Sechs Jahre später war der deutsche Elektropunk ja bereits auf dem aufsteigenden Ast. Was hat euch damals dazu bewogen, diese Schiene einzuschlagen? Gab es bestimmte Musiker, die euch quasi eingeladen haben?
Johnny: Wir sind nie auf einen Zug aufgesprungen – da verwechselst du etwas, das waren die Atzen! Natürlich haben wir das Rad nicht neu erfunden, aber als wir damals anfingen, haben wir auch Gigs vor 7 Leuten oder so gespielt, für Spritgeld und eigentlich Konzerte lang nur draufgezahlt. Eingeladen hat uns auch niemand, Kitt Bang von der Zombocombo war der Erste, der uns für eine Show in der Münchener Registratur damals gebucht hat. Das war Ende 2006. Ab da haben wir uns dann hoch gebumst.
motor.de: Auch interessant – wie kamt ihr zu Audiolith? Ihr zu Lars, oder Lars zu euch?
Johnny: Zu Audiolith kamen wir über unseren Booker Artur und Torsun, den Sänger von Egotronic. Wir haben als Vorband der Egos in einem mickrigen JUZ (alternatives Jugendzentrum, Anm. der Red.) in Oberbayern gespielt – auch wieder so ein Konzert, bei dem wir für lau gespielt haben. Denen gefiel, was wir machten und wie wir mit den Leuten vor der Bühne umgingen. Die haben uns dann mehrmals an Lewe (Lars Lewerenz – Gründer von Audiolith, Anm. der Red.) empfohlen, welcher uns dann auch eingeladen hat, im Hafenklang (Hamburger Club, Anm. der Red.) einen Gig zu spielen. An dem Abend haben wir dann viel zu viel gesoffen, das fand er gut und hat uns per Handschlag gesigned.
Frittenbude – “Und täglich grüßt das Murmeltier”
motor.de: Wie geht es weiter mit Frittenbude und Audiolith, gibt es schon ein neues amüsantes Tourprojekt?
Johnny: Tour ja, amüsant nein… Wir touren noch bis September durch, mit einigen Abstechern auf diverse Festivals. Dann machen wir mal einen Monat Pause, gehen danach aber auf Herbsttour für zwei oder drei Wochen. Danach ist dann noch eine Tour zusammen mit Egotronic und einem Special Guest geplant und im Winter kaufen wir uns dann Kuba.
motor.de: Southside und Hurricane sind vorbei – beim Southside hattet ihr brechend volles Haus und beim Hurricane sogar noch mehr als das: ihr musstet euer Konzert abbrechen. Ziemlich unangenehme Situation für eine Band. Wie war das auf dem Hurricane und wie kann man das beschreiben, was einem in solchen Momenten durch den Kopf geht?
Johnny: Ja, da die Sicherheit der Leute nicht mehr gewährleistet werden konnte und sich einige Besucher, Polizisten und Ordner etwas daneben verhalten haben, wurde das Konzert erst für fünf und danach für weitere zehn Minuten unterbrochen. Irgendwann war dann klar, dass das nichts mehr wird. Ist natürlich schade
ohne Ende, weil das eigentlich, soweit ich mich nicht irre, von der Masse der Leute her unser bis dato größter Auftritt gewesen wäre! Da denkst du dir nur „Scheiße!“, mehr denkst du dir da nicht. Im Nachhinein bist du froh, dass keiner gestorben ist, trinkst ein bis zwei Bier mehr als sonst und kuckst dir Massive Attack an…
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