Techno-Produzent Fritz Kalkbrenner über Genregrenzen, Inspirationen und sein aktuelles Album.
Nachdem er zusammen mit Paul Kalkbrenner die Erfolgssingle “Sky And Sand” produziert hat, tritt er mit seinem Debütalbum “Here Today Gone Tomorrow” endgültig aus dem Schatten seines Bruders. Die Scheibe ist prall gefüllt mit elektronisch-technoiden Songs, die gelegentlich auch ganz ungeniert dem Soul und Pop die Hand schütteln. Wir trafen den sympathischen Musiker vor seinem Gig in der Lounge eines Leipziger Hotels um über die Produktion seines Werkes, seine Ansicht über die Technoszene und seine Musikbegeisterung zu reden.
motor.de: Du bist ja ziemlich herumgekommen in den letzten Monaten. Wie wurden denn deine Gigs denn vom Publikum aufgenommen?
Fritz: Das weiss man ja nie, du bist ja immer gleich weg. Das sagt dir dann im Nachhinein der Veranstalter über die Agentur, wie das aufgenommen worden ist. So etwas wie eine Nachlese gibt es im Endeffekt nicht. Dafür ist es zu schnell, zu fraktal. Du bekommst direkt beim Spielen mit, ob du ankommst. Unterm Strich kann ich die Gigs aber schon als positiv bewerten. Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Mal ist ein Publikum schwerer aus der Reserve zu locken oder von der Grundanlage her nicht himmelhoch jauchzend. Aber abzüglich aller Schwankungsfaktoren waren die alle ganz gut.
motor.de: Die Musikrichtung Techno kommt zu einem Großteil komplett ohne Gesang aus…
Fritz: Ja, in der Sache des Erfinders ist es eigentlich eine instrumentale Musik.
motor.de: Die Songs deines Albums “Here Today Gone Tomorrow” bringen mit ihrem Gesang frischen Wind in dieses Genre. Wie wichtig ist dir denn Verbindung von Text und Musik?
Fritz: Das ist schon wichtig. Es gibt zwei Unterschiede zwischen dem was reingeht und dem was herauskommt: Zum einen fuße ich auf einen großen Erfahrungsschatz in Sachen musikalischen Einfluss. Auf der anderen Seite gibt es das, was aktiv rauskommt. Das versucht man in Einklang zu bringen, wie zwei Herzen die in einer Brust schlagen. Es geht schon um’s Versöhnen – natürlich ist das wichtig. Aber es ist auch wichtig, ein Auge darauf zu haben, dass die Vocal-Anteile nicht überhand nehmen. Damit meine ich nicht dass sie belanglos sein sollen – belanglose Clubtexte haben mir noch nie gefallen. Da wird die Stimme rein als Instrument degradiert und nur noch die Klangfarbe ausgenutzt. Es muss also vollwertig sein, da muss ein Inhalt bestehen, aber es darf auch nicht überhand nehmen. Ich singe ja in keiner A-Kapella-Band.
Fritz Kalkbrenner – “Facing The Sun”
motor.de: Worauf hast du bei der Produktion noch besonderen Wert gelegt?
Fritz: Die Gefahr, dass Technotracks all zu kalt erscheinen, besteht immer. Ich habe deshalb versucht, dass die Songs trotz der technisch abstrakten Herangehensweise doch noch eine gewisse Wärme verpasst bekommen, die ich quasi unter die Tür hindurchgeschmuggelt habe.
motor.de: Ist diese Wärme durch die Analogität der Gitarrenspuren entstanden, die du in einigen Tracks einspielen lassen hast?
Fritz: Ja, bei einigen Titeln sind Gitarren- und Bassmelodien eingespielt worden, aber der Rest in der Produktion ist dann mir überlassen worden. Ich habe diesen Studiomusiker bei drei, vier Nummern zu Rate gezogen, wo die Titel schon halb ausproduziert waren und wir uns noch überlegt haben, in welche Richtung es gehen soll.
Mit seinem Einwirken fielen dann natürlich wieder alte Sachen weg, wo man dann sagt “Das Neue ist viel besser!”. Unterm Strich ist da ein Studiomusiker, der Gitarrist und Bassist ist und mich auf drei, vier Nummern unterstützt hat. Der Rest ist alles meins.
motor.de: Nach diversen Releases auf unterschiedlichen Labels wie BPitch Control oder Baalsaal bist du mit deinem ersten Langspieler jetzt auf Suol gelandet. Du bist zufrieden jetzt?
Fritz: Ja klar, total. Das ist mein Heimathafen. Wenn man schon ein bisschen länger in der Labellandschaft ist – das geht ja für mich jetzt auch schon zehn Jahre so – dann ist das auch wichtig, vom Label verstanden zu werden. Klar, das klingt jetzt pathetisch und abgedroschen. Aber im Vorfeld, als ich noch ungesigned war, gab es auch Überlegungen, auf Angebote großer Labels einzugehen. Da stellte sich dann die Frage: Willst du jetzt als neuer Künstler auf dem Label wirklich auf Katalognummer 200 einsteigen? Willst du einer von 30 sein? Wenn du deinen Labelmanager alle drei Wochen mal siehst, ich weiss nicht, ob da der Kontakt so gut ist. Da habe ich mich bewusst dagegen entschieden und bin zu einem kleineren Label gegangen, das einen guten Geschäftsanspruch hat und bei dem die Leute mich auch verstehen.
motor.de: Wo siehst du denn die gegenwärtige deutsche Technoszene? Künstler wie Efdemin oder Pantha Du Prince erregen ja auch außerhalb dieser Szene Aufmerksamkeit…
Fritz: Wo ich Technoszene sehe…also zuerst einmal im Club! Ich glaube, es diversifiziert sich mal wieder. Die Spezialisierung geht in allen Dingen voran. Da gibt es diese – ohne das jetzt negativ klingen zu lassen – intellektualisierteren Themen wie Efdemin, Pantha Du Prince und so, wo nicht mehr der Club das Ziel ist, aber man weiß welches Geistes Kind die sind. Auf der anderen Seite gibt es auch Acts wie Tiefschwarz, Booka Shade die immer noch vollends auf den Club abzielen. Dann gibt’s auch Sachen wie Moonbootica und so weiter, die auch auf den Club abzielen, aber – auch das ist nicht negativ gemeint – auf eine stumpfere Weise. Wo noch einfacher ungeklärte Bedürfnisse ausgesprochen werden und dem Affen Zucker gegeben wird. Die Szene expandiert noch und nöcher. Jedes Wochenende sind 300 Kollegen gleichzeitig unterwegs und das sieht kein Ende. Technodeutschland ist schon fast ein Wirtschaftsfaktor.
motor.de: Welche Releases aus diesem Jahr würdest du uns denn besonders ans Herz legen?
Fritz: Also Junip fand ich ganz toll. Bill Callahan kennen sicherlich die Wenigsten von euch. Na, vielleicht doch, der eine oder andere. Aber sehr schönes Album! Folk at it‘s best. Die neue Slum Village ist nicht schlecht, das ist Detroiter Hip Hop. Wir gehen hier ganz schwer quer Beet.
motor.de: Das ist ja eine ganz schöne Bandbreite. Spiegelt sich dieses gesamte Spektrum auch in der Produktion deiner Tracks wider?
Fritz: Das ist so ein ganz großer Fundus, der durch alle Bandbreiten geht. Es gibt nur Musik, die ich mag und Musik, die ich nicht mag. Alle anderen Barrieren sind dann einfach nicht mehr gültig. Genres spielen überhaupt keine Rolle – warum auch? Natürlich kann man sich davon inspirieren lassen, wie Folk-Künstler XY seine Gitarren aufnimmt, solche Sachen können natürlich interessant sein. Das ist jetzt aber erstmal das Fachliche. Da gibt es noch den ganzen emotionalen Impetus, den kann man gar nicht beschreiben, das passiert einfach. Das alles verbindet sich zu einem dicken Knäuel, dass wird dann so ein erdschweres Paket, was in den Gedärmen herunter sackt. Das alles übersetzt man dann. Und dann kommt natürlich mein Leben, meine Erfahrungen. Dieses Paket ist dann die Farbe und mein Leben ist der Pinsel. So ungefähr würde ich das beschreiben.
motor.de: Gönnst du dir nach der monatelangen Tour auch mal eine Auszeit oder bist du eher der Typ “Rastloser Workaholic”?
Fritz: Ich werde jetzt noch die Clubtour spielen, natürlich auch noch ein paar Deutschlandtermine. Danach lege ich im Juni auf jeden Fall erstmal die Beine hoch – und dann wird die Festivalsaison bespielt. Da gucken wir, was für uns interessant ist: Melt!, Sonne Mond Sterne, solche Geschichten…wo man sich natürlich auch gut positioniert sieht. Ansonsten basteln wir gerade an der zweiten Single und gucken, wer der Remixer dafür sein kann, haben sogar schon ein paar Illustre gefunden. Aber darüber darf ich noch nichts erzählen Dann haben wir noch eine Videoproduktion im Auge.
motor.de: Apropos Remixe: Die Remixkultur ist ja auch ein großer Bestandteil der elektronischen Musikszene. Gibt es einen Grund, wieso es von dir bisher keine Remixes aufgetaucht sind? Darf man in Zukunft welche von dir erwarten?
Fritz: Ich habe tatsächlich nur selten Remixe gemacht. In den letzten beiden Jahren, wo mir dann immer mehr Leute hinterhergerannt sind…wenn ich dir erzählen würde, welche Leute mir Remixe angeboten haben… Also ich bin selten so ein Angeber, aber da fällst du vom Stuhl. Ich hab mich bisher immer zurückgehalten. Vor anderthalb Jahren haben wir gesagt: Bevor du auf irgendwas aufspringst, warten wir lieber, bis etwas richtig Tolles kommt. Und die kommen ganz bestimmt…ich hoffe es (lacht). Remixe wird es erstmal keine von mir geben. Ich hab da schon ein Auge drauf. Wie so ein Panther auf der Lauer warte ich aber auf den richtigen Künstler, der von mir einen Remix haben möchte. Und wenn es soweit ist, wird zugeschnappt. Aber bei der Auswahl bin ich echt wählerisch.
motor.de: Also bist du schon eher ein Eigenbrötler was das Musikmachen angeht?
Fritz: Also Featurings können beispielsweise auch schön sein, aber es ist immer mit Vorsicht zu genießen. Wenn man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass man gewisse Nachlässigkeiten in der Fähigkeit damit ausbügeln möchte, dann ist es nichts so gut. Du hast auf der Platte zwanzig Features – ja wieso? Weil du alleine keinen Song hinkriegst? Also per se spricht nichts gegen ein Feature, außer bei der Produktion selber. Da wird die Tür zugemacht und da kommt auch keiner rein.
Interview: Danilo Rößger
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