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Knisternde Melancholie und schillernder Wave – Future Islands über Inspiration, Freundschaft und ein Leben für Musik.
Romantisch und verzweifelt, düster und strahlend, 80er-verhaftet und jetztbezogen – für Future Islands scheinen sich in diesen Paaren keine Gegensätze aufzutun. Im Gespräch offenbarten sich die drei Gesichter hinter dem Namen als völlig unterschiedliche Köpfe, die ihre Synthie-basierte Musik auf gänzlich unprätentiöse Weise mit ihrem ganzen Sein erfüllen. Da ist Samuel T. Herring, der Sänger mit der gewaltigen, fauchenden Stimme, dessen Bühnenperformance von derartiger Intensität ist, dass sie Schauer über den Rücken jagt. Daneben Gerrit Welmers, der in seiner stillen Art einen ruhigen Pol verkörpert und William Cashion, der voll Herzlichkeit und Schalk sprüht. Da die drei am Abend zuvor in Köln sinnlose Provokation und Fremdenfeindlichkeit am eigenen Körper zu spüren bekamen, trafen wir sie auf dem Phono Pop-Festival in recht geschundenem Zustand an. Im Interview sprachen sie offen über ihre Freundschaft, die Verbindung zwischen Band und Fans jenseits von Twitter und co., das halt- und rastlose Tourleben und natürlich über ihr neues Album “On The Water”, das mit all diesem eine ganze Menge zu tun hat.
motor.de: Ihr seid im Augenblick auf Tour – wo seid ihr schon gewesen? Und was hat euch bisher besonders gefallen?
Samuel T. Herring: Mal sehen – wir waren in Kroatien, Slowenien, für eine ganze Menge Shows in Deutschland, in den Niederlanden, Amsterdam, London, Paris, Lyon, Wien in Österreich… so ungefähr. Die erste Show war auf dem Fusion-Festival. Es gab einige gute Konzerte. Kroatien war lustig, obwohl es seltsam war. Wir haben auf diesem Punk-Festival irgendwo in den Wäldern gespielt und es war kaum jemand da, weil es der erste Tag war, aber irgendwie hat es trotzdem Spaß gemacht.
William Cashion: Slowenien war auch schön. Das Publikum da war ganz enthusiastisch. Sie waren aufgeregt, weil wir gespielt haben, das hat sich toll angefühlt.
motor.de: Spielt ihr live schon Songs von eurem neuen Album “On The Water”?
Samuel: Ja, wir spielen vier oder fünf Stücke vom neuen Album und noch einen anderen brandneuen Song. Wenn wir in ein paar Tagen zurück nach Hause in die Staaten kommen, kriegen wir die ersten CD-Kopien. Es kommt dann im Oktober raus.
motor.de: Erzählt doch mal etwas darüber.
Samuel: Was mir wirklich wichtig ist: Ich bin sehr neugierig herauszufinden, was die Leute denken. Ich glaube, es ist eine sehr ehrliche Platte und ich glaube nicht, dass es eines dieser Alben ist, die man einfach hören und sich dabei verlieben, oder sie vollständig verstehen wird. Es ist wohl eher eine Platte, mit der sich die Leute hinsetzen müssen. Nicht, dass wir euch zwingen werden, darüber zu brüten, aber vielleicht werden die Leute es ja herausfinden wollen. Darin liegt eine gewisse Angst, weil so wie die Musikkultur heute ist, spielen die Leute einfach irgendeinen Song auf ihren iPod, hören ihn oder springen eben weiter. Deshalb könnte einiges verloren gehen – obwohl ich das Gefühl habe, dass alle Songs einzeln für sich stehen, muss man das Album als Ganzes hören um die volle Erfahrung zu machen, es organisch als das zu empfinden, was es ist.
motor.de: Nervt euch der Umgang mit Musik durch die modernen Medien?
Samuel: Ich würde nicht sagen, dass es nervt. Das ist nunmal der Stand der Dinge im Moment. Die Leute ticken eben so, es ist eigentlich nur eine Einsicht darüber. Ich glaube, Menschen lieben Musik und wenn sie erstmal aufgefallen ist, wollen die Leute auch etwas darüber herausfinden. Wir wollen gar keine Fans, die irgendwo im Internet über unsere Sachen stolpern und sich nie damit auseinander setzen. Das sind ja auch gar keine echten.
Future Islands – “Tin Man”
motor.de: Also akzeptiert ihr die Gegebenheiten und vertraut darauf, dass die Neugierde den Weg zu euch leitet?
Samuel: Vor allem muss man sich selbst vetrauen, Musik machen, die man ehrlich vertritt und in die man sein Herz legt. Wenn du das machst, dann weißt du, dass es keine Scheiße sein kann, weil es für dich selbst keine ist! Es ist etwas, an das du glaubst, dein Leben. Natürlich wird nicht jedem gefallen, was du machst.
motor.de: Wie steht es mit eurer Experimentierfreude in Bezug auf das neue Album?
Samuel: William hat diese neue E-Gitarre entdeckt, die er ‘Swimming Guitar’ nennt, das war ziemlich cool. Und ein Freund von uns hat Marimbaphon für ein paar Stücke gespielt – du weißt schon dieses große, große hölzerne Xylophon-Ding.
William: Gerrit benutzt diesen Synthesizer-Sound namens ‘drop violin’. In den ganzen alten Disco-Songs wurde der viel benutzt. Klingt ungefähr wie ‘beeeew, beeeeew’. (lacht über die gescheiterte Demonstration) Er benutzt das in einem Stück und es klingt großartig. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass Future Islands ihn benutzt.
motor.de: Apropos 80er – gibt es eine bestimmte Zeitepoche oder ein bestimmtes Genre, das euch besonders beeinflusst?
Samuel: Das ist eine gute Frage.
William: Ich glaube, wir wurden vor allem von unseren letzten acht Jahren beeinflusst. Diese Platte beschäftigt sich mit so vielen Dingen aus dieser Zeit. Es handelt von uns als Gruppe – es ist eine mehr als acht Jahre alte Beziehung zwischen uns.
Samuel: Das ist sehr richtig. Wenn ich darüber nachdenke, was uns wirklich am meisten beeinflusst, dann sind das unsere Leben im Allgemeinen und die Art und Weise, wie wir unsere Beziehungen gestalten müssen. Wir sind, wer wir sind – Musiker on the road. Wir sind immer irgendwie weg vom… (überlegt) Leben! Ihr könnt euch das sicher vorstellen. Natürlich ist das unser Leben, aber es ist nicht gerade ein typisches. Es ist auf seine Weise merkwürdig und damit beschäftigt sich das neue Album auf jeden Fall. Genauso wie mit der Distanz die entsteht, weil wir einer Sache folgen, die wir lieben.
motor.de: Wie habt ihr euch eigentlich gefunden? Wie wurdet ihr eine Band?
William: Ich und Sam hatten auf dem College drei oder vier Kurse zusammen im ersten Semester. Er hatte diese großen albernen Koteletten…
Samuel: Die waren cool!
William: …und ich hatte diese große, alberne 80er-Sonnenbrille…
Samuel: Und die war auch cool! (lacht)
William: … und an einem Tag kam Sam an und meinte: Hey Mann, coole Sonnenbrille! Und ich antwortete: Hey, coole Koteletten!
Samuel: Ja, so sind wir Freunde geworden. Gerrit und ich kennen uns quasi schon immer, seit der sechsten oder siebten Klasse – obwohl wir damals noch nicht zusammen rumgehangen haben. Ich hab Gerrit in der achten Klasse mal im Basketball besiegt und daraufhin hat er ungefähr ein Jahr nicht mit mir geredet. Er war VIEL besser als ich, aber ich habe immer noch gewonnen! (grinst) Ab der Neunten waren wir dann eigentlich beste Freunde. Und als ich dann William traf, habe ich die beiden natürlich vorgestellt. Ich glaube, William dachte ziemlich lange, dass Gerrit ihn gar nicht mag.
William: Nur weil Gerrit still ist!
Samuel: Gerrit ist wirklich still.
Gerrit Welmers: …
(alle drei lachen)
William: Ich glaube, wir haben unsere Verbindung damals in elektronischer Musik gefunden.
Future Islands – “Before The Bridge”
motor.de: Hört ihr elektronische Musik auch privat?
William: Ja, wir hören viel elektronische Musik. Gerrit und ich mögen Aphex Twin sehr, ich glaube das war so unsere erste Schnittstelle, als wir uns kennenlernten. Aber wir hören wirklich alles Mögliche. Sam zum Beispiel ist verrückt nach Hip Hop und Jazz.
Samuel: Will fängt aber auch ein bisschen an, Jazz zu mögen, vor allem Free Jazz. Wir hören alle auch viel Ambient-Kram. Aber meine Wurzeln liegen wirklich im Hip Hop. Als ich angefangen habe, Musik zu machen, begann ich mit dem Rappen. Ich mache das immer noch manchmal, habe dieses kleine Projekt mit meinem Bruder. Wir performen immer mal zusammen, aber dann bin ich eher im Hintergrund. Das ist sein Ding und er ist noch ein wilderer Performer als ich.
William: Auf der Tour haben wir richtig viel Beach House gehört. Wir zeigten das auch unserem Fahrer, der kannte es noch nicht und mochte es sehr, also hat er es wirklich viel gespielt. Aber trotzdem sehr cool.
motor.de: Ihr habt vorhin gesagt, ihr seid gespannt darauf, was eure Fans vom neuen Album denken werden. Worin erkennt ihr Rückmeldungen?
Samuel: Twitter, Mann! (lacht) Nein, das ist es nicht. Damals als “In Evening Air” herauskam, waren wir wirklich stolz und überzeugt, dass es das reifste Album ist, das wir je gemacht haben. Und jetzt, wo “On The Water” erscheint, fühlen wir wieder so. Das ist ganz natürliches Wachstum. Und parallel dazu haben wir eine Evolution in unseren Shows gesehen. Auf einmal waren wir unterwegs und stellten fest: Wow, das Publikum singt unsere Songs mit! Und deshalb wussten wir, dass sie wirklich zuhören. Ich denke, das ist eine wichtige Art der Rückmeldung – zu spielen und zu sehen, wie Leute mitsingen, die Worte formen, oder versuchen mitzusingen, oder so tun, als würden sie mitsingen (lacht). Das fühlt sich gut an, weißt du, weil die Leute deine Musik dann fühlen und das ist wundervoll.
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