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‘NUR’ ist ein Wort, das es in Fynn Kliemanns Wortschatz eigentlich nicht gitb. Bei ihm ist immer ALLES. Er selbst ist Youtuber, Unternehmer, Webdesigner und Musiker. ‘NUR’ ist seit dem 17. Dezember auf allen Streamingkanälen und als limitierte Vinyl erhältlich. Der Longplayer ist dabei eine Zusammenstellung seiner Lieblingstracks von den Vorgängeralben ‘NIE’ (2018) und ‘POP’ (2020) der besonderen Art: Auf der einen Seite haben sich einige Größen Fynns Tracks vorgenommen und zu völlig neuen Stücken geremixed: Doll und fast schon brutal. Auf der anderen Seite gibt es Pianoversionen von alten Liedern: verträumt und schön.
Wir haben Fynn getroffen. In diesen Zeiten leider online. Und weil Fynn Kliemann sich schwer nur mit einer Sache beschäftigen kann, haben wir über mehr als nur sein neues Album geredet.
motor.de: Hi Fynn, Na, wie geht’s? Du bist zu Hause?
Fynn: Ja, ich bin immer nur zu Hause. Entweder zu Hause, im Büro oder im Kliemannsland. Ich pendel seit ungefähr zehn Jahren zwischen diesen drei Orten und verlasse mein Landkreis vielleicht alle zwei Monate mal. Ich bin schon in Isolation, seitdem ich angefangen habe zu arbeiten.
motor.de: Ich habe mir ein Video angeschaut, wo du gesagt hast, dass du bis zum ersten zwölften NUR zwischen 9 und 19 Uhr arbeitest.
Fynn: Ja, hat sehr gut funktioniert. Ja. Nein, überhaupt nicht.
Ich habe jetzt mal ein bisschen analysiert, was das Problem war: Wenn du dein Leben verändern willst, dann machst du mal auf einen Schlag alles anders: Hörst du auf zu rauchen, isst kein Zucker mehr, machst den ganzen Tag Sport, willst früh ins Bett, irgendwelche Französisch Podcasts hören. Und das funktioniert nicht. Ich habe danach gehört, man darf maximal drei Dinge gleichzeitig verändern.
Sonst kollabiert irgendwann dein Leben, weil es zu viel Veränderungen sind. Das ist bei mir auch passiert. Ich habe dann von eigentlich gar nicht penn’ und nur Zucker essen und den ganzen Tag rauchen wie ein Schlot zu: ‘Okay, okay, jetzt geht es richtig los! Ich trinke jeden Tag 5 Liter Wasser und was man halt so macht!’. Und das ist da auch passiert und dann ist das kollabiert. Jetzt ist davon noch übrig geblieben, dass ich manchmal laufen gehe.
motor.de: Also ein Ding. Dann kannst du ja noch zwei ändern.
Fynn: Ja stimmt. Aber was davon ist das Wichtigste? Schlafen ist wahrscheinlich relativ wichtig.
Und vielleicht dieses Wasser-trinken-Ding.
motor.de: Es geht ja um dein neues Album. Bist du aufgeregt oder kennst du das gar nicht mehr?
Fynn: Wenn es ein richtiges Album wäre. Aber ein richtiges Album erfordert ja, dass alles neu ist. Du hast sozusagen eine Phase durchgemacht in deinem Leben, und die präsentierst du jetzt in lyrischer Form. Und das ist natürlich eine sehr schwierige Situation. Weil du hast ein Jahr in dich hineingeschrieben. Ich sitze dann ja auch nicht mit zehn Writern hier im Studio. Sondern ich bin immer alleine. Ich produziere alles alleine. Ich schreibe das alleine und dann nehme ich das auf und dann poste ich das. Du schreibst dann – weil du in einem geschützten Raum bist – alles auf. Alle noch so schlimmen Sachen für dich selbst. Geschützt durch Phrasierung und geschützt durch Metaphern und so. Aber am Ende ist es trotzdem super roh und super direkt. Und das ist ein Album für mich. Also etwas krass intimes in die Welt zu hauen.
Und das jetzt ist ein Projekt. Das ist eine Interpretation von bestehenden Sachen. Ich wollte für mich einmal hören, wie es klingt, wenn jemand das auf die Essenz zurück reduziert. Wenn ich Mucke mache, sitz’ ich am Klavierspiel, spiel irgendwas und das ist sozusagen der rohe Anfang. Den hört aber nie jemand. Dann fange ich an das zu überproduzieren. Dann muss ich Drums und noch ne Spur noch ein Instrument dazutun. Und dabei geht ganz oft – nix verloren – aber es wird so übertüncht von so ganz vielen Zutaten. Wie so ein Essen, wo du am Anfang megageil die Kartoffel schmeckst und später nur noch Soße und Fleisch den ganzen Scheiß da. Und das ist dann das, was in deinem Kopf bleibt und die Kartoffel ist weg. Und irgendwie habe ich das Gefühl, ich muss da einmal die Kartoffel wieder herausarbeiten, damit man die immer wieder schmeckt.
Deswegen: So ein richtiges Album ist es nicht, sondern es ist eher so ein zurückarbeiten im Prozess. Und deswegen bin ich auch nicht so aufgeregt, weil ich sag nix Neues. Es klingt nur anders.
motor.de: Und wie kam die Arbeit mit den ganzen unterschiedlichen Produzenten zustande?
Fynn: Da waren ein paar Leute da, die haben sich mir angeboten. Und die andere Hälfte war tatsächlich genau so: ‘Guck mal, hier sind alle meine Songs. Ich liebe deine Arbeit. Hast du nicht Bock davon mal einen umzubauen? Mach was du willst, Hauptsache es ist auf die Fresse.’ Das war die Arbeitsanweisung. Und dem sind dann ein paar Leute gefolgt, die ich mega cool fand. Es gibt auch mehr. Wir haben da noch echt so fünf, sechs weitere Dinger gemacht, aber die haben nicht ins Gesamtkonzept gepasst.
Das ist ja fast schon so Ego-Beweihräuchern; Das Leuten zu schicken, die man so viel krasser findet als sich selber. Und dann sagen die so: ‘Jo, find ich geil, habe ich Bock, gucke ich mir an, mache ich mal’. Da denk ich schon so: okay, alles klar. Das war eigentlich alles, was ich wollte. Ich wollte von dir eigentlich nur mal hören, dass du das nicht scheiße findest.
motor.de: Und dann haben die sich jeweils einen rausgesucht?
Fynn: Genau, Sie konnten nehmen was sie wollten. Also das Ding ist ja bei so was auch; Das ist ja keine Auftragsarbeit. Hier ist es ja so: Du gibst den halt deine Songs, sagst: Check einfach, worauf du Bock hast und danach kommt ein Ergebnis bei raus. Und da habe ich jetzt ja auch nicht mehr viel dran rum zu fummeln.
Und das war ja eher so: ‘Okay, wenn du meinst, dass das richtig ist. Ich finde es geil, aber das hätte ich anders gemacht. Aber es ist wie sie es’. Und das nimmt man dann sozusagen aus Respekt vor diesen Person. Und vor allen Dingen darfst du die Vision nicht vergessen. Weil die war ja, dass jemand anders das macht und nicht ich.
motor.de: Und wie kam es zu den Piano Versionen? Das ist ja eine ganz andere Nummer…
Fynn: Das ist eine ganz andere Nummer, ja. Das war eine Insta-Story: Es liefen einfach so Stories durch, das Telefon lag da. Und auf einmal war da so eine Melodie und die fand ich richtig krass. Guck auf mein Telefon und sehe: das ist ein Cover von einem Song von mir. Und ich denke so; What, was, wie geil klingt das?! Und das hat Niklas Straus gespielt. Und damit ist die Idee geboren. Ich dachte; das will ich jetzt für alle hören. Ich möchte jetzt einmal bei jedem Song hören, wie richtig gute Pianisten, das spielen würden. Und das haben wir dann so gemacht. Meine Aufgabe war dann eigentlich nur noch so Dirigent.
Und jetzt ist es eine, wie ich finde, ganz runde Sache.
motor.de: Ich hab gehört, dass du gar keinen Bock mehr hast, Musik zu machen. Oder habe ich das falsch verstanden?
Fynn: Ja. Ich habe in den letzten Jahren voll viel Zeug gemacht. Und irgendwie habe ich gemerkt, das war für mich immer so voll der geile Ausflugsort; Musik. Da kommt erst mein ganzer Tag: der ganze Stress, der ganze Alltagsscheiß, irgendwelche E-Mails beantworten und zum Steuerberater latschen und so. Und jetzt ist endlich Feierabend: Jetzt mache ich Musik. Und jetzt habe ich halt irgendwie diese letzte Bastion meines Lebens, die das letzte bisschen Fitzelchen Freiheit nachts im Studio aufgegeben und habe dann angefangen, da auch noch zu arbeiten. Und jetzt habe ich gar nichts mehr.
Und jetzt mach ich auch keine Mucke mehr, weil ich habe keine Zeit und habe keine keine Ruhe und kann mich nicht mehr konzentrieren.
Da brauche ich so eine Art Reset von. Sonst werde ich nie wieder Mucke machen. Das heißt, meine Aufgabe für nächstes Jahr wird auf jeden Fall sein, klar zu kommen und wieder irgendwie zu entspannen.
Ich habe echt das Gefühl im ganzen Leben, wenn ich so zurück gucke, sind alle krassen Sachen, die ich jemals gemacht habe, dann entstanden, als mir langweilig war.
motor.de: Heißt das, Du machst jetzt Urlaub oder heißt es, du beschränkt sich auf – Kannst du dich überhaupt auf eine Sache fokussieren?
Fynn: Nee. Ja. Schwierig. Die Lösung wird sein, sich auf gar nichts mehr zu fokussieren für eine Zeit. Ich zieh für ein paar Monate nach Frankreich. Ich habe schon ne geile Bude gefunden. Und dann haue ich für ein paar Monate ab und dann komme ich hoffentlich wieder und mache in der ganzen Zeit gar nichts, außer Malen und Mucke.
motor.de: Ich wollt gerade sagen; ist das dann so eine Bruchbude, wo es auf jeden Fall ordentlich was zu tun gibt oder wird das wirklich entspannend?
Fynn: Ich habe eine echt schöne kleine Bude gefunden in dem schönsten Dorf der Welt. Ähm, klar, muss auch ein bisschen was gemacht werden. Aber es ist wirklich erträglich.
Dann muss ich ja gucken. So ganz einfach abhauen kann man ja nicht. Das heißt, ich arbeite jeden Tag so eine Stunde oder so, mache aber Limit und dann echt raus und irgendwas anderes tun.
Ich habe das Gefühl, ich mach voll viel, aber ich verwalte nur noch meinen eigenen Scheiß. Ich muss neue Sachen machen. Und solche Sachen wie jetzt die Platte ist ein cooler Ausbruch aus diesem Verwaltungsalltag und da hat man irgendwas mal wieder erschaffen, was man cool findet.
motor.de: Gibt es etwas, das du noch nicht gemacht hast und unbedingt noch machen musst?
Fynn: Ähm, ja: tausend Sachen. Bei mir war es jetzt so was wie; ich habe einen LKW Führerschein gemacht. Weil ich so einen LKW haben will mit so einem Grabbscher drauf, damit ich Autos einfach kaufen kann, ohne aussteigen zu müssen. Und ich war mal fliegen. Das war auf so einem Schnupperkurs. Mit einem Kumpel von mir. Der ist Pilot bei der Lufthansa und der hat uns beide verwechselt und dann musste ich halt selber fliegen. Ich war tot, weil er dachte ich wäre Pilot und weil ich halt die Sachen die er angesprochen hat kannte. Aus einem YouTube Video. Und danach hatte ich zum Beispiel mega Bock auf Fliegen und das habe ich bis jetzt noch nicht gemacht, weil das einfach so ein krasses Commitment ist. Du musst dann sehr viel fliegen usw. den Flugschein hast.
Solche Sachen. Super große und super kleine finde ich cool. Geh deine Lebens to do Liste durch, da sind bestimmt voll viele verrückte Sachen drauf, die ich auch machen möchte. Alles was ich nicht gemacht habe.
motor.de: Hast du einen Lieblingstrack von deiner neuen Platte?
Fynn: Ja, ich bin halt einfach der größte Farhotfan auf diesem Planeten. Ich finde alles was der jemals gemacht hat richtig geil. Und der Typ geht Remixe so anders an. Der macht das richtig kaputt. Und das war die Intention daran: So alles richtig Schrott zu machen und neu zusammenzubauen. Und es ist grenzenlos. Ich habe auch von Freunden von mir, die so viel EDM-Zeug machen, Remixe dafür erstellen lassen und die waren halt so gleich. Die nehmen den gleichen Song und machen einfach eine durchgehende Bassdrum darunter. So keine Ahnung. Echt nichts gegen die Mucke, aber so Felix Jähn Style halt. So, da verstehe ich, dass das auf Partys läuft und so. Aber das war nicht das, was ich wollte. Ich wollte halt, dass das komplett Schrott gemacht wird und dann neu gebaut. Und das hat er zum Beispiel gemacht. Das finde ich auf jeden Fall super geil.
Und von der Piano Version… Regen finde ich cool. Wenn du das nimmst und unter irgend eines deiner Videos machst, dann wirkt das immer schön. Sieht immer aus wie so ein Reiseblog.
motor.de: Was wäre ein Song, der dein Leben beschreiben würde? So ein Fynn Kliemann Soundtrack. Der Über-Soundtrack. Kann auch von dir sein, muss aber nicht.
Fynn: Boah. Jede Woche ist komplett anders und dann hast du einen komplett neuen Soundtrack. Das ist ja das geile an Mucke, dass du alle 10 Minuten einen neuen Lebens-Soundtrack findest im Internet.
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