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Gegengerade – 20359 St. Pauli

Fußball, Prügel, Alk und Sex – so könnte man polemisch die Themen des St. Pauli-Dramas “Gegengerade” umreißen. Soundtrack-Tüftler Torsun hat uns mehr zu seiner Arbeit beim Film verraten.

Slime spielen in einem Berliner Nobelhotel, Anzugträger finden sich im pogenden Publikum wieder und gröhlen mit den Punkern „Deutschland muss sterben, damit wir leben können.“ Am nächsten Tag liest man im Polizeibericht von überschwemmten Toiletten, Randalen und einem Sachschaden von 10.000 Euro. So geschehen Mitte Februar bei der Premierenparty des neuen Tarek Ehlail-Filmes „Gegengerade”, der heute in die Kinos kommt. Man glaubt eine Umsetzung von „Hooligans“ oder „Football Factory“ auf dem Terrain der Republik und liegt damit gar nicht so falsch. Es geht um den Hamburger Fußballclub FC St. Pauli, den Aufstieg, das Herzblut und Polizeigewalt. Eines ist klar: Beim FC St. Pauli geht es nicht nur um das runde Leder: Politisches Statement gibt sozialem Engagement die Klinke in die Hand, Kiez-Liebe trifft lokale Musikgrößen, Kickerfuß trifft Fanherz.

„St. Pauli steigt auf – Ey WIR steigen auf, weil WIR sind fucking St. Pauli. Ich bin so froh, dass ich das mit euch erleben darf, weil ihr seid meine Familie, mann.“ heißt es im Intro des Soundtracks, der morgen die Plattenregale erreicht. Waren es noch The Libertines, The Streets und die Buzzcocks, die sich auf dem Soundtrack von „Football Factory“ befanden und auf auditiver Ebene die britische Szene widerspiegelten, kommt die Filmmusik von „Gegengerade“ nicht ohne den Hamburger Kiez-Sound aus. So finden sich auf der Platte Audiolith-Künstler, Punk-Legenden, Hip Hop von Lokalmatadoren und Fußballhymnen. Während die Kamera die Reeperbahn, den Fischmarkt, das Jolly Roger und das Stadion zeigt, sorgt Torsun, seines Zeichens Egotronic-Sänger, für eine akustisch passende Untermalung.

Zur Premieren-Party von “Gegengerade”


In den ersten Kritiken zum Film werden vor allem die Problematik von Klischees und die drastische Gewaltdarstellung von Fans und Polizisten thematisiert. Der Soundbastler Torsun nahm sich einige Minuten Zeit, um mit uns über St. Pauli, Fußball und Gewalt zu reden.

motor.de: Wie ist deine Beziehung zu Fußball, bzw. zum FC St. Pauli speziell?

Torsun: Ich habe ehrlich gesagt überhaupt keinen Bezug zum Fußball und der ganzen Fankultur. Endi ist bei Egotronic der Fußballfan. Mich hat das selbst als Kind nur am Rande interessiert.

motor.de: “Fußball ist unpolitisch” – dass es nicht so ist, wissen wir. Wie kam es dazu, dass gerade du, der ja politisch eine klare linke Position bezieht, einem Film über Fußball den Sound verleihst? Die Position hätte ja durchaus neutraler besetzt werden können.

Torsun: Tarek, der Regisseur, ist einfach ein geiler Typ und als er mich fragte, hab ich sofort zugesagt. Ich fand es extrem spannend, für einen Film Musik zu machen. Dass es im Film um Fußball geht, war für mich eher nebensächlich. Soundtechnisch geht es ja eher darum, allgemein Stimmungen rüberzubringen.

motor.de: Du hast einen Soundtrack für einen Film gebastelt, den du, während du an der Musik gearbeitet hast, noch nicht kanntest. Wie kommen am Ende Musik und Film zusammen und unter welchen Kriterien oder vielleicht Vorgaben hast du die Songs geschrieben?

Torsun: Tarek hat mir Stimmungen beschrieben, die ich dann vertonen sollte, und manchmal hatte er auch ganz konkrete Songideen, die ich dann umgesetzt habe. Das ging mit seinen Erklärungen ziemlich gut.

motor.de: Gegengerade Premierenparty mit Slime in einem Berliner Nobelhotel – dass sich Punkklientel einfindet, war klar, Ausschreitungen in gewisser Weise abzusehen – ein netter Marketinggag! Kannst du verstehen, dass Gewalt (gegen Sachen) auch für außenstehende Personen eine gewisse Faszination ausübt?

Torsun: Klar hat Gewalt gegen Sachen einen Reiz, denn wer hat noch nie Lust verspürt, mal etwas kaputt zu schlagen? Gewalt gegen Sachen kann außerdem ein probates Mittel sein, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen, aber auch Spaß machen.

Juri Gagarin (feat. Ashi) – “Flashgold”

motor.de: Die restriktiven Maßnahmen der Polizei bei Fußballspielen oder auch Demos fördern, beziehungsweise steigern den “Erlebnisfaktor” für Teilnehmer und provozieren eher Ausschreitungen, als sie zu unterbinden. Stimmst du zu, wie siehst du das?

Torsun: Ich war nur einmal auf einem Fußball und habe deshalb keine Ahnung, wie das da abläuft. Da ich somit nur mutmaßen kann, hülle ich mich lieber in Schweigen.

Julia Kindel

Label: Audiolith Records

VÖ:
01.04.2011

Tracklist:

1. Intro
2. Egotronic – Hamburg soll brennen
3. Misses next Match – Wer neu ist im Fight Club muß kämpfen
4. Slime – Gewinnen werden immer wir
5. Die Goldenen Zitronen – Lied der Medienpartner
6. Juri Gagarin – Flashgold (feat. Ashi)
7. Egotronic – Was soll’s
8. Stage Bottles – Power for revenge
9. Steakknife – Dance on your teeth
10. ULTRNX – She
11. Rummelsnuff – Salzig schmeckt der Wind
12. Pöbel & Gesocks – Zeckensong
13. Slime – Mittendrin
14. Juri Gagrin – Rabota
15. Egotronic feat. James Reindeer – Fists in the sky
16. Frittenbude – Jetzt ist der Moment
17. Nate57 – Waffenfreiezone
18. DPNK – Schicksalsspiel
19. ZK – Hahnenkampf
20. Slime – St. Pauli leuchtet nur hier
21. Sons Of Explosivos – Retter des Fußballs
22. Massick – We Love You
23. Julia Wachsmann – You’ll never walk alone
24. Outro

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