Geheimnisse sind im Kino durchaus mit Vorsicht zu genießen: bis zu einem gewissen Grad braucht man sie, damit das Interesse des Publikums auch wirklich 90 und mehr Minuten anhält, doch allzu viel Rätselhaftes führt wiederum schnell zum Verdruss. Das richtige Maß ist also gefragt – und die in dieser Woche neu anlaufenden Filme können davon durchaus ein Lied singen.

 “1 1/2 Ritter – Auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde”

Til Schweiger zeigt sich dieser Tage mal wieder als Meister der Geheimniskrämerei, zumindest was seinen Umgang mit Journalisten angeht. Der Presse wurde seine neue Komödie „1 1/2 Ritter – Auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde“ (in der Schweiger nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch Regie führte) nämlich vorab gar nicht gezeigt; selbst wer Interviews machen wollte, bekam bestenfalls Ausschnitte zu sehen. Prompt protestiert der Verband der deutschen Filmkritik, weil die schreibende Zunft sich zum Marketing-Handlanger degradiert fühlt. Deutschlands immer mal wieder größtem Kinostar wird das natürlich egal sein, denn zu Thomas Gottschalk aufs Sofa durfte er trotzdem. Und dass in seiner Mittelalterklamotte von Fatih Akin über Johannes Heesters und Roberto Blanco bis zu den New Kids on the Block jeder auftritt, der nicht bei drei auf den Bäumen war, ist ohnehin längst kein Geheimnis mehr.

 “Lakeview Terrace”

Noch viel offener sind die Karten, mit denen Samuel L. Jackson in „Lakeview Terrace“ spielt. Wer in diesem „die Gefahr lauert nebenan“-Thriller nämlich der Bösewicht ist, erkennen seine neuen Nachbarn fast so schnell wie der Zuschauer. Doch das heißt nicht, dass nicht auch dieser Film Fragen aufwerfen würde. Wie man ein so provokantes und reizvolles Thema wie das des rassistischen schwarzen Cops so läppisch verspielen kann, ist zumindest ebenso rätselhaft wie der Grund für Jacksons geradezu lächerlich übertriebenes Augenrollen.

 “Little Paris”

Nicht endgültig klären tun sich auch die Geheimnisse, auf die man in „Little Paris“ von der deutschen Regisseurin Miriam Dehne trifft. Womit übrigens nicht der Filmtitel gemeint ist, denn der verdankt sich einer auf Provinzgröße gestutzten Nachbildung des Eiffelturms in einem baden-württembergischen Industriegebiet. Viel spannender sind da schon die pinken Kaninchen, die hier durchs Gras hüpfen, die scheinbar aus der Welt gefallene 50er Jahre-Eisdiele oder die merkwürdig unbedarften Hauptdarsteller. Doch gerade aus dieser bewusst seltsam inszenierten Künstlichkeit gewinnt das Tanzdrama seinen Reiz.

 “Ein Geheimnis”

Den passendsten Titel in dieser Kinowoche trägt derweil ein französischer Film: „Ein Geheimnis“. Hier ist drin, was drauf steht, nämlich tatsächlich Lügen, Verschwiegenheit und ein dunkles Kapitel in der Vergangenheit der Eltern des kleinen François, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Sohn erfolgreicher Sportler aufwächst. Das ist nicht nur wegen der packenden Geschichte sehenswert, sondern auch wegen der tollen Schauspieler (Cécile de France, Patrick Bruel, Ludivine Sagnier etc.) und dem geschickten Wechselspiel zwischen den Erzählebenen.

 “O’Horten”

Bleibt schließlich noch ein echter Geheimtipp: „O’Horten“, die wunderbare schräge und vor allem liebenswerte Geschichte eines frisch pensionierten Zugführers, die der norwegische Kultregisseur Bent Hamer („Kitchen Stories“) mal wieder als bezaubernde Tragikomödie inszeniert. Über „Wild Child“, eine verzichtbare Teenie-Nerverei über eine US-Göre in einem britischen Eliteinternat, decken wir dagegen lieber das Mäntelchen des Schweigens. Manches Geheimnis bleibt nämlich auch im Kino besser unangetastet.

Patrick Heidmann